Go East: wenig Lohn - aber Arbeit und Perspektive
Übergangsfristen und Beschäftigungskontingente sollten den deutschen Arbeitsmarkt nach der EU-Erweiterung vor dem Ansturm der Billig-Arbeiter aus dem Osten schützen. Gerne wird übersehen: Arbeitsmigration gibt es auch in die umgekehrte Richtung. Die niedrigen Löhne in Tschechien werden in Kauf genommen, um das zu bekommen, was es in Deutschland fast nicht mehr gibt: eine feste Arbeitsstelle. Es berichtet Thomas Kirschner.
Deutsche Arbeitnehmer in Tschechien - das sind nicht nur verträumte Sprachlehrer auf Kafkas Spuren und hoch bezahlte Top-Manager im Auslandseinsatz. Seit auf dem deutschen Arbeitsmarkt fast gar nichts mehr geht, suchen auch ganz normale Menschen eine Perspektive im wirtschaftlich prosperierenden Nachbarland. Einer von ihnen ist Kristin Vogelbein. Bereits während Ihres Soziologie- und Anglistikstudiums war sie längere Zeit in Tschechien. Nach dem Examen sollte es dann mit dem Berufseinstieg in Deutschland weitergehen. Eine Illusion, wie sich herausstellte.
"Meine Arbeitssuche hat sich über zwei Jahre erstreckt. Erst war ich eine Weile arbeitslos, dann habe ich eine Umschulung gemacht und Bewerbungen über Bewerbungen geschrieben, aber darauf eigentlich nur Absagen erhalten. Dann habe ich einige Praktika gemacht, um überhaupt weiter Arbeitserfahrung sammeln zu können, aber das war ziemlich hoffnungslos. Ich habe zwar Arbeit finden können, aber es hat dafür niemals wirklich Lohn gegeben."
Die Wende brachte bereits die erste Bewerbung in Tschechien. Bei der Prager Niederlassung eines bekannten deutschen Unternehmens konnte die junge Frau dank ihrer Sprachkenntnisse sofort anfangen - und sogar zwischen zwei Stellen wählen. Allerdings zu tschechischen Konditionen:"Als ich meine ersten Lohnzettel bekommen habe, war ich ein bisschen schockiert, denn das war ungefähr so viel, wie man als Sozialhilfeempfänger in Deutschland bekommt. Aber ich habe mir gedacht, es gibt wichtigere Dinge. Zudem kann ich es mir nicht wirklich aussuchen - ich könnte jetzt nicht nach Deutschland zurückkehren und würde dann sofort eine gute Arbeitsstelle mit guter Bezahlung bekommen. Mir war es vor allem wichtig, eine Arbeit zu finden, die mich zufrieden stellt und bei der ich auch eine Perspektive für Weiterentwicklung habe. Und was den Lohn angeht: Meine tschechischen Kollegen können auch damit leben - dann kann ich das auch!"
Für die junge Thüringerin und ihre tschechischen Kollegen heißt das aber: Gegenüber den von der deutschen Zentrale entsandten Mitarbeitern stehen sie finanziell deutlich zurück.
"Ich persönlich habe damit nicht so große Probleme, aber ich weiß, dass viele Tschechen in unserem Betrieb damit sehr wohl Schwierigkeiten haben, weil sie wissen, dass Kollegen aus Deutschland, die die gleiche oder sogar eine geringere Qualifikation haben und auf der selben Stelle arbeiten, ein Vielfaches bekommen."Noch vor den beschränkten finanziellen Aussichten stellt aber die Sprache die größte Hürde auf dem Weg nach Tschechien dar. Kein Wunder, dass es sich bei deutschen Auswanderern in Richtung Tschechien derzeit eher um Einzelfälle handelt, wie Jan Immel von der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer (DTIHK) in Prag bestätigt.
"Wir können derzeit keinen aktuellen Trend erkennen, dass sich Leute speziell Richtung Tschechien bewerben, weil sie auf dem deutschen Arbeitsmarkt keine adäquate Anstellung finden. Richtig ist aber, dass es in der Tat bei uns regelmäßig Anfragen gibt, wie man denn eine Stelle auf dem tschechischen Arbeitsmarkt finden könnte."
Denn der bietet im Vergleich zu Deutschland in der Tat noch Perspektiven für junge Leute.