"Er war ein großer Freund der Tschechen" - Nachruf auf Peter Glotz
Am 25. August 2005 starb nach kurzer schwerer Krankheit der sozialdemokratische Politiker Peter Glotz. Trauer herrschte nicht nur in Deutschland, wo er als einer der herausragenden Querdenker seiner Partei galt, sondern auch in Tschechien, wo Glotz viele Freunde hatte. Einer von ihnen ist Dr. Milos Barta von der tschechischen sozialdemokratischen Partei CSSD. Mit ihm sprach Sebastian Kraft.
"Er trat in Tschechien immer sehr freundlich auf und betonte, dass der Blick nach vorne gerichtet sein muss, auch wenn die deutsch-tschechischen Beziehungen durch die Vergangenheit vorbelastet seien. Gerade deswegen solle jeder seine Sicht der Geschichte bis 1945 darlegen und auf Grundlage dieser Diskussion müsse dann eine neue Basis der Zusammenarbeit geschaffen werden, die nicht nur im Interesse beider Staaten, sondern auch für Europa unumgänglich sei."
Dieses gemeinsame Europa war eine große Vision von Peter Glotz, jeglicher Nationalismus - der bekanntlich gerade die Ratifizierung der europäischen Verfassung behindert - war ihm völlig fremd. Als Abgeordneter des bayerischen Landtags oder später im Deutschen Bundestag unter Willy Brandt kam es ihm nie in den Sinn, die Vertreibung der Sudentendeutschen zu instrumentalisieren und damit auf Stimmenfang zu gehen. In seinem viel beachteten Buch "Die Vertreibung, Böhmen als Lehrstück" betont er vielmehr, die Ereignisse von 1945 immer auch aus tschechischer Sicht und im Kontext der Geschichte vor dem zweiten Weltkrieg zu sehen. Diese Einstellung verbaute ihm sicherlich manch einen Karrieresprung in der Politik, doch Peter Glotz hätte deswegen - wie in der Politik meist üblich - nie sein Fähnchen nach dem Wind gerichtet. Für Dr. Milos Barta ist er gerade deshalb eine große europäische Persönlichkeit.
"Er war ein außergewöhnlicher Intellektueller, der mit uns Tschechen immer einen Dialog auf Augenhöhe führte. Sein Tod ist für uns ein großer Verlust. Natürlich waren wir nicht immer in allen Frage gleicher Meinung, z.B. wenn es um das geplante Zentrum gegen Vertreibung in Berlin ging, für das er sich einsetzte. Es kam aber nie zum Streit, sondern unsere Freundschaft war immer ein offener Dialog und Austausch von Meinungen. Er wünschte sich nichts mehr, als dass Deutsche und Tschechen die Bürde der Vergangenheit überwinden, damit beide Nationen in Zukunft ohne jegliche historische Belastung zusammenarbeiten können."