Von der Europapolitik bis zur Raketenabwehr: Sozialdemokratisches "Gipfeltreffen" in Prag
Die tschechischen und die deutschen Sozialdemokraten wollen künftig besser kommunizieren und kooperieren. Ein "Memorandum über die Zusammenarbeit zwischen CSSD und SPD", das die Chefs beider Parteien vor gut einer Woche unterzeichnet haben, soll den Weg weisen. Ein gemeinsames Statement gab es auch zum geplanten US-Raketenabwehrschild in Mitteleuropa. Die Pläne Washingtons wurden in Prag nicht nur von Jiri Paroubek und Kurt Beck kritisiert, sondern auch von den sozialdemokratischen Parteivorsitzenden aus vier anderen europäischen Staaten.
Heute drückt Jiri Paroubek die Oppositionsbank, und die SPD von Kurt Beck muss sich in der deutschen Koalitionsregierung mit der Rolle des Juniorpartners begnügen. Als beide dieser Tage nach einer gemeinsamen Unterredung in Prag vor die Presse traten, da waren Blitzlichtgewitter und zur Schau gestellte Herzlichkeit eher verhalten. Inhaltlich aber wollen beide Parteien künftig verstärkt zusammenarbeiten, erklärte CSSD-Chef Jiri Paroubek:
"In einer ganzen Reihe von Fragen ist die SPD für uns ein zukünftiger Partner. In den grundlegenden politischen Bereichen wollen wir uns untereinander koordinieren - vor allem in der Europapolitik."
Der Einfluss der Sozialdemokratie auf den europäischen Integrationsprozess, hieß es, solle so gut es geht gestärkt werden - vor allem Hinblick auf die Verhandlungen über einen künftigen EU-Reformvertrag. Kurt Beck sprach gar von drei Ebenen, auf denen CSSD und SPD ähnliche Ziele verfolgen würden:
"Zum einen in den wichtigen außenpolitischen Fragen zur Europapolitik und in der Frage einer Fortführung der internationalen Abrüstungspolitik. Die zweite Anstrengung gilt der Vertiefung der Zusammenarbeit und der Entwicklung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen unseren beiden Völkern. Die dritte Ebene, eine besonders freundschaftliche, bezieht sich auf unsere beiden Parteien. Wir können auf eine große sozialdemokratische, auf Gerechtigkeit, Solidarität und Freiheitlichkeit basierende Geschichte zurückblicken."
Die SPD hat bereits ihre Teilnahme an den Feierlichkeiten zum 130. Gründungsjubiläum der tschechischen Sozialdemokratie im Jahr 2008 angekündigt. Auch den 40. Jahrestag des Prager Frühlings, der ebenfalls 2008 ansteht, wollen beide Parteien gemeinsam begehen. So steht es jedenfalls im neuen "Memorandum über die Zusammenarbeit zwischen CSSD und SPD". Ebenfalls beschlossen sind konkrete Begegnungen von sozialdemokratischen Spitzenpolitikern wie auch von Parteivertretern auf kommunaler Ebene. Noch diesen Herbst etwa sollen die Bürgermeister von Brno / Brünn, Ostrava / Ostrau, Prerov / Prerau, Karvina, Havirov und Pribram mit SPD-Bürgermeistern deutscher Städte zu Gesprächen zusammentreffen:"Ich will daran erinnern, welch äußerst positive Entwicklung die Ökonomie in beiden Ländern genommen hat - und fortlaufend nimmt. Ich will aber auch daran erinnern, dass es für uns von großer Wichtigkeit ist, dass wir auf dem Feld der Begegnung von Menschen, dass wir auf kultureller Basis dieser Freundschaft eine Dauerhaftigkeit und eine Tiefe verleihen, die diese Freundschaft letztlich nicht allein von ökonomischen Fragen abhängig macht", so Beck.
Die bilaterale Begegnung von Paroubek und Beck war eingebettet in ein Treffen von sozialdemokratischen Parteichefs aus insgesamt sieben Staaten. Hauptthema: Der von den USA geplante Raketenabwehrschild in Tschechien und Polen. In einem gemeinsamen "Prager Aufruf" haben sich die Parteivorsitzenden aus Tschechien, Deutschland, Österreich, Polen, Slowenien und der Slowakei schließlich vehement gegen das US-Raketenabwehrsystem ausgesprochen. Die ungarischen Sozialdemokraten wollten einstweilen nicht unterschreiben. Parteiintern werde über das Thema noch diskutiert.
In der von der SPD und der österreichischen SPÖ vorbereiteten Erklärung heißt es unter anderem, dass der Streit um das Raketenabwehrschild zu Spannungen zwischen den USA und Russland geführt habe. Dies beschwöre die Gefahr eines neuen Rüstungswettlaufs herauf, befürchtet auch SPD-Chef Kurt Beck:
"Das, was an Maßnahmen zu treffen ist, die sich gegen Übergriffe möglicher Gegner der freien Welt insgesamt richten, soll auf einer gemeinsamen Aktion aller Verantwortlichen fußen - sowohl Amerikas als auch Europas als auch Russlands. Wir wollen ausdrücklich die anderen Völker eingebunden sehen", so Beck in Prag.
Jiri Paroubek, der Chef der oppositionellen tschechischen Sozialdemokraten, plädiert ebenfalls für einen verstärkten Sicherheitsdialog mit Moskau:
"Ich glaube, der Westen muss sich der Tatsache bewusst sein, dass Russland heute in einer besseren finanziellen Situation als je zuvor ist. Die finanziellen Möglichkeiten steigern natürlich das Selbstbewusstsein des Landes, und ich halte es für durchaus realistisch, von der Notwendigkeit von Verhandlungen zu sprechen. Es ist gut, Russland zum Partner zu haben, und nicht zum - sagen wir Gegner. Um nicht noch ein anderes Wort zu gebrauchen."
Laut US-Angaben soll das System auch gar nicht gegen Russland gerichtet sein, sondern gegen Bedrohungen aus anderen Staaten, wie zum Beispiel dem Iran. Genau deshalb, so die Kritiker, dürfe die Stationierung neuer Raketen in Europa keine Angelegenheit einiger weniger Länder sein. Dinge, die Europa betreffen, sollten auch in ganz Europa diskutiert werden, und nicht lediglich auf der Ebene bilateraler Beziehungen, meinte etwa der österreichische Bundeskanzler, SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer.Die Mitte-Rechts-Regierung in Prag unterstützt hingegen die US-Pläne zur Errichtung einer Raketenbasis in Polen und einer dazugehörigen Radarstation in Mittelböhmen. Vom "Prager Aufruf" europäischer Sozialdemokraten zeigte sie sich erwartungsgemäß unbeeindruckt. Vizepremier Alexandr Vondra, im Kabinett für die Europapolitik zuständig, sprach von einem "politischen Theater" und einer "populistischen Erklärung, die zu nichts verpflichtet". Deutsche Sozialdemokraten würden überdies auch die amerikanischen Militärbasen im eigenen Land nicht in Frage stellen, fügte Vondra hinzu.