Der Medienspiegel
So etwas hat es in der Tschechischen Republik bislang noch nicht gegeben: lebensgefährliche Übergriffe gegen Reporter, die unbequeme Fälle ans Licht brachten, von Seiten ranghoher Politiker. Die Nachricht von dem geplanten Mord an der Journalistin Sabina Slonkova von der auflagenstarken Tageszeitung Mlada fronta dnes rief daher Anfang der Woche bei der tschechischen Öffentlich in erster Linie Fassungslosigkeit hervor. Reaktionen auf den Fall Slonkova werden daher auch im Mittelpunkt dieser Sendung stehen. Weiter haben wir für Sie einige Kommentare zum Verschwinden der Boulevardzeitung "Super" zusammengestellt, die nach nur 15 Monaten mit zunächst rekordverdächtigen Auflagenzahlen vergangene Woche ihr Erscheinen einstellte.
Ob das wirklich eine Nachricht aus Tschechien sei, fragten in ihrer ersten Reaktion auf den bekannt gewordenen Mordkomplott gegen die Redakteurin Sabina Slonkova am Dienstag nahezu einhellig die tschechischen Tageszeitungen. Solche Fälle seien bislang nur aus Ländern wie beispielsweise der Ukraine oder Russland bekannt geworden, hieß es. Die Zeitung Lidove noviny schreibt dazu:
"Beispiellos ist zweifelsohne vor allem der Versuch der physischen Liquidierung von Sabina Slonkova. Bislang waren die Politiker vom Typ des verdächtigten Srba 'gemäßigter', beschränkten sich auf Drohungen und Einschüchterungen und gelegentliche Schmähschriften."
Nach Meinung von Petra Koepplova, Chefredakteurin der Internet-Zeitschrift Mediareport von der Peroutka-Stiftung, sollte dieser Aspekt noch mehr in den Vordergrund gestellt und der Frage nachgegangen werden:
"Wie es möglich ist, dass man in unserem Kulturraum immerhin noch die Idee haben kann, Personen, die einen bedrohen durch Veröffentlichung von Informationen - also beispielsweise Journalisten -, dass man sie mittels eines Auftragsmordes beseitigen kann. Ich denke, dass das eine sehr wichtige Ebene ist, die man mehr hervorheben sollte in diesem Fall als es bislang geschehen ist."
Hintergrund für den versuchten Mordes an der 29jährigen Sabina Slonkova - so wird vermutet - ist möglicherweise die Tatsache, dass sie in der Vergangenheit einige Finanzaffären enthüllt hatte, in die der Hauptverdächtige in dem Fall, der ehemalige Kanzleichef des Auswärtigen Amtes Karel Srba, verwickelt war. Damit hat sie sich auf eine Form des Journalismus spezialisiert, die in Tschechien bislang nicht sehr verbreitet ist, meint Petra Koepplova von der Stiftung Ferdinand Peroutka, die sich der Förderung der tschechischen Medienlandschaft verschrieben hat:
"In den Redaktionen arbeiten sehr junge Leute, es fehlt die ältere und mittlere Generation. Und das hat natürlich Folgen. Sabina Slonkova gehört zu der jüngeren Generation, die jetzt in allen Medien überwiegt. Sie hatte sich auf investigativen Journalismus spezialisiert - ein Gebiet, das bei uns keine lange Tradition hat. Und auf diesem Gebiet hat sich Frau Slonkova selbstverständlich sehr verdient gemacht."
Soweit Petra Koepplova von der Stiftung Ferdinand Peroutka. Die Zeitung Hospodarske noviny macht sich in ihrer Freitagsausgabe Gedanken über die Erneuerung der tschechischen Medienlandschaft nach 1989. Der Fall Slonkova habe jetzt Fragen ans Licht gebracht, die bereits vor 12 Jahren hätten gestellt werden sollen, heißt es in dem Kommentar, und weiter - Zitat -:
"Was bedeutet Freiheit des Wortes, welchen Preis hat sie und was sind die dafür nötigen Bedingungen?"
fragen Hospodarske noviny und kommen zu dem Schluss:
"Sabina Slonkova hat darüber geschrieben, dass einer der Mächtigen stiehlt und lügt. Solche unangenehmen Wahrheiten auszusprechen, sollte die Verpflichtung eines jeden sein, der die Pressefreiheit nutzt. Wenn Sabina Slonkova keine Ausnahme, sondern die Regel gewesen wäre, hätte einem verdorbenen Politiker kein Mord geholfen. Gerade die Außergewöhnlichkeit von Sabina Slonkova zeigt, dass der Wert der tschechischen und slowakischen Journalisten immer noch zu niedrig."
Soweit ein Auszug aus Hospodarske noviny vom 26. Juli. Ein weiterer Aspekt, dem sich die Medien in Zusammenhang mit dem Fall Slonkova widmeten, war die Frage nach der Verantwortung des ehemaligen Außenministers und künftigen Vorsitzenden der UNO-Vollversammlung Jan Kavan. Immerhin war Karel Srba, der des versuchten Mordes an Slonkova verdächtigt wird, seinerzeit einer von Kavans engsten Mitarbeitern und Kavan hatte ihn öffentlich als vorbildlichen Staatsbeamten gewürdigt. Jetzt bedauert Kavan, dass er Srba damals überhaupt in das Auswärtige Amt geholt hat; Forderungen nach einem Rücktritt von seinen politischen Funktionen, wie sie u.a. Präsident Vaclav Havel indirekt aussprach, wies er aber von sich.
Die Zeitung Lidove noviny bemerkte dazu am Dienstag:
"Der Verdacht, dass dieser enge, loyale und verlässliche Karel Srba den Mord an einer unpassend neugierigen Journalistin geplant hat, ist für Kavan äußerst unangenehm. Die Bestätigung eines solchen verrückten Szenarios würde nämlich einen Schatten auch auf Kavans politische Karriere werfen, die gerade jetzt in New York dem Höhepunkt zustrebt."
Die Zeitung Hospodarske noviny kommentiert die Rolle von Jan Kavan folgendermaßen:
"Jan Kavan hat sich von Srba erst in dem Moment ungern verabschiedet, wo Srbas Verbleib in der Zentrale der tschechischen Diplomatie wegen Affären, an denen er beteiligt war, untragbar geworden war. Zum Abschied hat er ihm aber ein schönes Zeugnis ausgestellt: Srba habe die Messlatte für staatliche Beamte ungewöhnlich hoch angesetzt". Jan Kavan sollte aus dem entfernten New York schleunigst erklären, was er mit dem damaligen Lob an Srbas Adresse genau meinte."
Soweit Hospodarske noviny vom 23. Juli und soviel zu diesem Thema.
Abschließend noch zwei Kommentare zum Verschwinden des Boulevardblatts Super, das sich trotz weitreichender Ambitionen und anfänglich hoher Auflagen gerade einmal 15 Monate auf dem tschechischen Zeitungsmarkt gehalten hat und vergangene Woche aus wirtschaftlichen Gründen sein Erscheinen einstellte. Die Zeitung Mlada fronta dnes erinnert in diesem Zusammenhang an den Charakter des Blattes:
"In dieser Zeitung wurde täglich der Privatfernsehsender Nova gelobt, großen Raum erhielt auch Vaclav Klaus und seine bürgerdemokratische ODS. Regelmäßig wurde auch positiv über Temelin oder dessen Betreiber geschrieben. Super wurde nicht ins Leben gerufen, um der Nachfrage der Leser nachzukommen, sondern um die propagandistischen Vorstellungen der Investoren zu erfüllen."
Angesichts dieser von Super nie verheimlichten politischen Sympathien ist das schnelle Verschwinden des Boulevardblattes nach Meinung der Zeitung Lidove noviny nur folgerichtig:
"Super hatte das Pech, dass es politische Aufgaben erfüllen und den 'richtigen' Leuten Platz einräumen musste. Dafür musste es bezahlen und wurde von demselben Schicksal heimgesucht wie alle Tageszeitungen, die mit einer politischen Partei oder Bewegung verbunden sind. Wenn das Verschwinden nicht ohnehin die Absicht der Herausgeber war. Von Anfang an wurde von Super als von einem Blatt gesprochen, das der ODS helfen soll, die Wahlen zu gewinnen. Die Herausgeber haben bewiesen, das auch die Hilfe einer überregionalen Zeitung nicht zum Wahlsieg führt."