Auftragsmord an einer Journalistin

Jan Kavan (Foto: CTK)

Die Woche ist wieder einmal schnell vergangen und so begrüßen Sie an dieser Stelle wie gewohnt Silja Schultheis und Robert Schuster zu einer neuen Folge der Mediensendung von Radio Prag, "Im Spiegel der Medien".

Liebe Hörerinnen und Hörer, seit fast zwei Wochen bewegt die tschechische Medienlandschaft eigentlich nur ein großes Thema, nämlich der s.g. Fall Slonková. Pünktlich ins diesjährige Sommerloch platzte vor zwei Wochen die Meldung hinein, dass Pläne zur Ermordung der führenden tschechischen Enthüllungsjournalistin Sabina Slonková von der Tageszeitung Mladá fronta Dnes entdeckt wurden. Der Auftraggeber soll laut dem Geständnis des mutmaßlichen Täters der ehemalige Generalsekretär im tschechischen Außenministerium, Karel Srba, gewesen sein. Srba sollte sich auf diese Weise an der Journalistin wegen ihrer Recherchen im Zusammenhang mit seinen nicht immer transparenten Tätigkeiten im Außenamt rechen wollen.

Seither sind immer neue Fakten nicht nur im Zusammenhang mit diesem Auftragsmord, sondern auch mit dem Wirken Karel Srbas im tschechischen Außenministerium aufgetaucht. Dennoch sind sich die meisten tschechischen Kommentatoren einig, dass dieser Fall in Tschechien einen wichtigen Meilenstein darstellt, zumindest, was das Verhältnis von Politik und Journalismus darstellt. So schrieb etwa der stellvertretende Chefredakteur de Mladá Fronta Dnes, Robert Cásenský in seinem Leitartikel "Knast für Srba":

"Das Hauptproblem besteht nicht darin, ob der ungewöhnlich reiche Staatsbeamte Karel Srba wegen seinen Machenschaften im Knast landet. Es geht ebenso wenig um die Frage, wie groß das Chaos und die Unordnung sind, die mancherorts in staatlichen Stellen herrschen. Nein, wichtig ist, dass die Ermittler und Gerichte herausfinden, wer einer Journalistin mit Mord drohte, die nichts als ihrem Beruf nachging, nämlich Politikern und Staatsangestellten auf die Finger zu schauen."

Neben den polizeilichen Ermittlungen gegen Srba besteht jedoch kein Zweifel, dass dieser Fall auch eine starke politische Dimension hat. Er wirft nämlich ein ziemlich schiefes Licht auf die engste Umgebung von solchen Spitzenpolitikern, die noch bis vor kurzem die Geschicke des Landes leiteten, wie Ex-Regierungschef Milos Zeman und der frühere Außenminister Jan Kavan.

Jan Kavan  (Foto: CTK)
Gerade bei Kavan, dessen Wirken als Außenminister allgemein gelobt wurde, besteht nun der Verdacht, dass er sich um die Vorgänge in seinem Ressort entweder ungenügend gekümmert hat, oder mit Absicht seinen engsten Mitarbeitern freie Hand ließ. Der Buchautor und Kolumnist Ondrej Neff wies in einem Gastkommentar für die Zeitung Lidové noviny darauf hin, dass bereits in der Vergangenheit Vorwürfe gegen Kavan und dessen Team geäußert wurden, jedoch ohne irgendwelche Konsequenzen.

"Der neue Außenminister Cyril Svoboda hat bereits während der ersten Tage in seinem Amt zahlreiche Fälle von Ungereimtheiten bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen aufgedeckt und daraus erste Konsequenzen gezogen. Dazu war Jan Kavan während seiner gesamten vierjährigen Amtszeit nicht fähig, obwohl ihn die Medien immer wieder auf diese Probleme aufmerksam machten. Kavan unternahm gegen diese Vorwürfe nichts und ließ jegliche Kritik abblitzen. Das disqualifiziert ihn für das Ausüben jedes öffentlichen Amtes."

Eine wichtige Frage, die sich viele Kommentatoren in den vergangenen Wochen oft stellten war, ob dieser Fall generell auf eine Verhärtung der Sitten in der tschechischen Politik hinweist, oder ob diese Morddrohung nur als ein Einzelfall zu sehen ist? Der heute bereits zitierte Journalist Ondrej Neff vetrat etwa im Gespräch mit Radio Prag die Ansicht, dass sich so etwas seiner Meinung nach nicht wiederholen könnte:

"Wir sollten nicht vergessen, dass diese Affäre eigentlich eine Affäre der vorherigen Regierungskonstellation ist und auf das Bestehen von Strukturen aufmerksam machte, die Vladimir Spidla nun bereits größtenteils beseitigt hat. Er hat gleich nach seinem Antritt alle Berater Zemans unbefristet beurlaubt.

Die Affäre um den geplanten Auftragsmord an einer renommierten tschechischen Journalistin lässt aber auch wieder einmal die Frage aufkommen, wie es in Tschechien um den Journalismus im allgemeinen und den investigativen im besonderen bestellt ist. Die Meinungen darüber sind recht unterschiedlich, meistens wird jedoch darauf hingewiesen, dass es in der tschechischen Medienlandschaft immer noch an erfahrenen Journalisten mangelt, die fähig wären s.g. "große Geschichten" aufzudecken. Andererseits könnten es sich nur die wirklich großen Medienunternehmen des Landes, die über die notwendigen Ressourcen verfügen, leisten, auf dem Feld des Aufdeckungsjournalismus tätig zu werden.

Ondrej Neff widerspricht jedoch dieser gängigen Meinung, wie er im folgenden gegenüber Radio Prag erläutert:

"Schauen Sie, wie viele von den Affären der Vergangenheit gerade von den Zeitungen oder anderen Medien aufgedeckt wurden. Z. B. das öffentlich-rechtliche Fernsehen und der Privatsender NOVA haben sich in den letzten Jahre geradezu darauf spezialisiert, Missstände und Verfehlungen aufzudecken, d.h. ich würde also über den heimischen Aufklärungsjournalismus nicht den Stab brechen wollen. Ebenso wenig würde ich der These zustimmen, dass das Aufdecken dieser Fehlentwicklungen bisher keine Folgen nach sich zog. Erinnern möchte ich an die Umstände, unter welchen vor einigen Jahren Vaclav Klaus vom Amt des Regierungschefs zurücktreten musste. Das war ganz eindeutig die Folge von Medienberichten, wonach die Partei von Klaus erhaltene Spenden unter falschen Namen verbuchte."

In vielen Ländern Europas ist es so, dass vor allem die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten in diesem Zusammenhang ganz besonders initiativ sind. Auch in Tschechien wurden durch das öffentlich-rechtliche Fernsehen einige Affären aufgedeckt. Gerade in der für diese Sachen zuständigen Publizistikredaktion ist es aber in den letzten Jahren mehrfach zu Spannungen mit der Fernsehführung gekommen, was den Abgang vieler profilierter Journalisten zur Folge hatte, die den jeweiligen Generalintendanten vorgeworfen hatten, allzu stark Druck von außen nachzugeben. Auch gegenwärtig rumort es unter den Angestellten des Tschechischen Fernsehens wegen einer geplanten Umbildung des Sendeschemas. Einige Journalisten befürchten deshalb, ihre kritischen und unbequemen Sendungen könnten im Zuge dieser Änderungen abgeschafft werden. Droht also ein erneuter Aderlass bei CT, fragten wir abschließend Ondrej Neff:

"Wissen Sie, die Position des Tschechischen Fernsehens ist sehr spezifisch, denn als Medium mit einer so großen Breitenwirkung ist es natürlich unter großer Aufsicht der gesamten Öffentlichkeit, aber natürlich auch großem Druck aus Politik und von verschieden Lobbyisten ausgesetzt. Ganz besonders kommt es immer auf die Person des Generalintendanten an - wenn er nicht ausreichend stark ist, ist seine Position schwach und er ist gegenüber diesen Formen von Druck anfälliger. Nach dem Abgang des ersten Intendanten nach der Wende Ivo Mathé hat keiner seiner bisherigen Nachfolger eine ähnliche Standhaftigkeit wie er bewiesen. Es ist also völlig logisch, dass sich das auch in den unteren Etagen bemerkbar macht. Das führt dann dazu, dass starke journalistische Persönlichkeiten das Fernsehen verlassen - das ist, denke ich, das Hauptproblem des Tschechischen Fernsehens.

Verehrte Hörerinnen und Hörer, damit wären wir wieder am Ende unserer heutigen Sendung angelangt. Für Ihr Interesse bedanken und auf ein Wiederhören freuen sich Silja Schultheis und Robert Schuster.