Berge, Blüten und Bücher – die Fotografin und Malerin Eliška Bartek
Sie lebt und arbeitet in Berlin sowie im Tessin, aber eigentlich stammt sie aus Nordmähren und flüchtete 1972 aus der damaligen Tschechoslowakei. Eliška Bartek hat vor einiger Zeit gegenüber dem Tschechischen Zentrum in Berlin geschildert, wie die Corona-Pandemie den Abschluss ihrer dreijährigen Arbeit „Diario di Maggia“ erschwert hat und wie schwierig es für sie war, Fuß zu fassen in der schweizerischen Kunstszene. Das Interview entstand für die Podcast-Reihe „Contemporary Czech Art in Berlin“, die Simona Binko ins Leben gerufen hat.
Eliška Bartek wurde in Nový Jičín / Neutitschein geboren. 1972 flüchtete sie nach Westdeutschland. Ab 1976 nahm sie Privatunterricht bei Fritz Deutsch, wurde an der Kunstgewerbeschule Zürich bei František MitaCek ausgebildet sowie bei Emil Schwarz an der Kunstschule Form und Farbe in Zürich. Bartek wurde 1996 Mitglied im Künstlerhaus Wien und erhielt das Diplom der Masaryk Academy of Art, Prag.
Seit Ende der 1980er Jahren nutzt Eliška Bartek unterschiedliche Techniken wie Aquarell, Fotografie, Öl, Radierung, Fotogramm oder auch Video. Sie versteht sich jedoch als Malerin. In ihren Glasklischeedrucken und Fotogrammen malt sie mit dem Licht, nur ist nicht die Leinwand der Träger der Abbildung, sondern das Fotopapier. Bartek zieht sich für ihre künstlerisch Arbeit in abgelegene Gegenden zurück, wo sie von der Natur umgebend ist. Sie saugt die Atmosphäre, die Farben ihrer aktuellen Umgebung auf und überträgt ihre Emotionen auf die Leinwand. Wie sie selbst sagt, will sie in ihren Arbeiten das Mysterium „Leben“ erfassen. 2020 waren ihre neuesten Bilder in der Galerie Hilleckes Probst in Berlin zu sehen.
Eliška, zuerst möchte ich Dich fragen: Wie sieht Dein Arbeitsort aus? Bist Du in Berlin geblieben, oder wo befindest Du Dich gerade?
„Eigentlich wollte ich nach Berlin fahren, aber als ich gerade losfahren wollte, war ich in der Schweiz und kam nicht mehr hinaus. Also ich bin in der Schweiz geblieben, ich wohne in meinem Atelier in der Fabbrica Rosa in Maggia im Tessin. Dort lebte einst Harald Szeemann, ein weltberühmter Kurator. Szeemann hat unter anderem auch in Venedig kuratiert. Als er starb wurde seine Fabrik umgebaut, und dort habe ich mein Atelier. Da bin ich jetzt zwangsläufig auch geblieben.“
Du hast schon angedeutet, dass die Corona-Pandemie Deine Pläne verändert hat. Hat sie auch ansonsten noch Dein Arbeiten beeinflusst?
„Mich ärgert die Pandemie eigentlich nicht so sehr. Ich arbeitete seit drei Jahren an einem Buch, das ‚Diario di Maggia‘ oder auf Deutsch ‚Tagebuch von Maggia‘. Es enthält 56 Aquarelle, die wahnsinnig schön sind. Das Buch habe ich in Tschechien drucken lassen. Die Zeitungen in Berlin haben über dieses Buch und über mich berichtet, genauso wie der tschechische Nachrichtenserver Novinky.cz. Angeschlossen haben sich die Tessiner Zeitung und ArtMap. Buchhändler in der Schweiz warteten ungeduldig auf die Exemplare, die in Berlin lagen und nicht zu mir in die Schweiz geliefert werden konnten, weil die Grenzen zu der Zeit dichtgemacht wurden. Das hat mich geärgert, es hat meine Ausstellungspläne ziemlich beeinflusst.“
Kannst Du uns bitte das Buch näher beschreiben?
„Es ist ein wunderschönes Werk, das in der Nähe von Ostrau handgebunden wurde. Die 56 Aquarelle zeigen das Maggia-Tal, es sind Landschaftsbilder ohne Menschen, denn diese stören dort nur. Ich wollte die pure, wilde Natur. Die Bilder sind 75x50 Zentimeter groß. Sie werden letztlich im November in Berlin ausgestellt. Ich wollte auch in der Schweiz Ausstellungen machen und die Bücher verkaufen. Die Buchläden in Locarno und Ascona haben aber jeweils nur ein Exemplar erhalten, das ich auch noch selbst im Koffer dorthin gebracht habe. Das Buch kann man sich aber auf meiner Webseite www.eliska-bartek.com anschauen und durchblättern.“
Vor dem Interview hast Du mir erzählt, dass die Pandemie Dich aber auch inspiriert hat, neue Bilder zu malen…
„In Tessin hat die Pandemie besonders gewütet, da die Stadt an der Grenze zu Italien liegt, nicht weit von Bergamo entfernt. 70.000 Pendler fahren täglich über die Grenze zur Arbeit. Die Anti-Corona-Maßnahmen waren so streng, dass wir die Wohnung nicht verlassen durften. Damals habe ich mich entschieden, aus der Stadt Maggia in ein Rustico in den Bergen zu flüchten. Ich war dort ganz allein und habe starke Depressionen bekommen. Um dagegen anzukämpfen, habe ich begonnen zu malen. Die Serie, die daraus entstand, heißt ‚Il mio piccolo paradiso‘, also ‚Mein kleines Paradies‘. Auf den Bildern sind üppige Gärten und farbige Blumen zu sehen. Sie haben dazu beigetragen, dass ich bessere Laune bekommen habe. Die Bilder habe ich nach Berlin geschickt, und sie werden im Juli ausgestellt. Schon jetzt werden sie von den Kunden nachgefragt. Die Leute brauchen einfach positive Energie, und die strahlen meine Bilder aus.“
Du bist ja anfangs nach Deutschland geflüchtet. Wann und wie ist es dazu gekommen?
„1972 habe ich mein Abitur in Prag gemacht. Zuvor hatte ich mir gedacht, dass es in der kommunistischen Tschechoslowakei tatsächlich zu Veränderungen kommen könnte, dass die Grenzen ab jetzt offen bleiben würden und man wieder reisen könne. Da ich mein Abitur in Geographie gemacht habe, wollte ich mir alle Länder anschauen, die wir im Unterricht behandelt haben. Dann kam allerdings die Normalisierung in der Tschechoslowakei, und mir war bewusst, dass ich es dort nicht mehr aushalte. Deswegen habe ich mich zur Flucht entschlossen. Ich bin im Kofferraum des Autos eines Deutschen über die Grenze mitgefahren, nur in Unterhosen, ohne einzigen Pfennig. Zuvor musste ich zehn Kilo abnehmen, da der Kofferraum zu klein war. Mir war klar, dass ich mein Leben riskiere, aber mir war es das wert.“
Hast Du nach der Wende 1989 den Weg nach Tschechien zurückgefunden? Stellst Du in Tschechien aus?
„Mehrmals versuchte ich, meine Kataloge nach Tschechien zu schicken. Ich wollte dort ausstellen. Mir wurde jedoch gesagt: ‚Als wir Sie gebraucht haben, sind Sie weggegangen. Jetzt, da es Ihnen gut geht, wollen Sie zurück.‘ Sie haben mir sogar die Stelle einer Professorin an der Hochschule für Malerei und bildende Kunst in Prag angeboten. Das habe ich abgelehnt.“
Verfolgst Du nun von Berlin aus die tschechische Kunstszene?
„Nicht wirklich. Die Anfänge waren für mich schwer. Die Tschechen wollten mich nicht, die Schweizer aber auch nicht. Die Schweizer Banken haben nur die Werke von schweizerischen Künstlern gekauft. Ich hatte zwar einen schweizerischen Pass, geboren wurde ich allerdings in Tschechien. Ein Kurator riet mir damals, nach Berlin zu gehen. Er sagte, dort spiele die Herkunft keine Rolle, Hauptsache man sei gut. Und das hat gestimmt. Erst in Berlin habe ich meine Karriere aufgebaut.“
„Contemporary Czech Art in Berlin“ ist eine Podcast-Reihe des Tschechischen Zentrums Berlin zur zeitgenössischen Kunst in Zeiten von Corona. In Interviews werden dabei Künstlerinnen und Künstler mit Wurzeln in Tschechien und/oder der Slowakei vorgestellt, die schon länger oder erst kurz in Berlin leben. Radio Prag International bringt in Kooperation mit dem Tschechischen Zentrum Berlin einige der Interviews.
Verbunden
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Contemporary Czech Art in Berlin
Es gibt zahlreiche Künstlerinnen und Künstler mit Wurzeln in Tschechien und/oder der Slowakei, die in Berlin leben.