Gedenkstunde im Bundestag mit „Musica non grata“ aus Prag
Am 27. Januar wird der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Im Deutschen Bundestag findet aus diesem Anlass seit 1996 eine Gedenkstunde statt. Diesmal nehmen auch Vertreter*innen des Prager Nationaltheaters und der Staatsoper an der Veranstaltung teil. Martina Schneibergová sprach vor seiner Berlin-Reise mit dem künstlerischen Leiter der beiden Prager Opernensembles, Per Boye Hansen.
Herr Hansen, die Oper des Nationaltheaters wurde in den Bundestag eingeladen, um in diesem Jahr die offizielle Gedenkstunde am 27. Januar musikalisch zu gestalten. Wie kam die Einladung im Rahmen des tschechisch-deutschen Projektes „Musica non grata“ zustande, und wie wurde das Programm zusammengestellt?
„Den genauen Hintergrund kenne ich nicht. Uns erreichte einfach eine Einladung von der Bundestagspräsidentin. Wir waren natürlich sehr stolz und fühlen uns geehrt, dass wir an dieser besonderen Veranstaltung nicht nur teilnehmen, sondern auch mit unseren Künstlern dort spielen können. Es gab eine Vorgabe, dass Werke von Komponisten erklingen sollen, die nach Theresienstadt deportiert worden waren. Wir haben dann einen Vorschlag gemacht, über den der Bundestag entschieden hat. Die Gedenkstunde findet jedes Jahr statt, und Musik der ,Theresienstädter Komponisten‘ wurde schon öfter gespielt. Wir haben uns alle schnell geeinigt und ein schönes Programm zusammengestellt.“
Welche Kompositionen erklingen während der Gedenkstunde?
„Wir spielen einen Satz aus der ‚Passacaglia und Fuge für ein Streichtrio‘ von Hans Krása. Zudem erklingt ein Stück von der weniger bekannten Komponistin Lena Stein-Schneider. Von ihr stammt das schöne Lied ,Das Gebet für den Frieden‘, das wir für Klavier, Violine und Violoncello orchestriert haben. Die Mitwirkenden sind Musiker vom Orchester der Staatsoper.“
Können Sie das auf vier Jahre angelegte Projekt „Musica non grata“ näher vorstellen? Welche Zeitetappe der Musikgeschichte steht im Fokus?
„,Musica non grata‘ ist ein Projekt, bei dem wir Komponisten vorstellen, die von den Nationalsozialisten verfolgt wurden. In der Zwischenkriegszeit hat das damalige Prager Neue Deutsche Theater – die heutige Staatsoper – eine wichtige Rolle gespielt. Die künstlerischen Leiter – Alexander von Zemlinsky bis 1926 und Georg Szell bis 1938 – führten damals die bedeutendsten Gegenwartsopern in Prag auf. Wir versuchen, diese Musiktradition wiederzubeleben. Denn es gibt dabei viele Impulse, die auch heute für uns interessant sind. Dazu gehört beispielsweise die Oper ,Plameny‘ von Erwin Schulhoff, die eher unter dem deutschen Namen ,Flammen’ bekannt ist. Wir werden sie am Ende dieser Spielzeit aufführen. Es ist eine hochinteressante avantgardistische Oper, die 1932 in Brünn uraufgeführt wurde.“
Im Rahmen von „Musica non grata“ werden auch Werke von Komponistinnen vorgestellt. Diese sind bis auf Ausnahmen heutzutage fast unbekannt. Wo sehen Sie die Gründe?
„Leider ist es so. Zum einen gab es wenige Frauen, die komponiert haben. Und diejenigen, die es getan haben, wurden weniger gespielt. Wir haben versucht, Werke von Komponistinnen ausfindig zu machen. Bekannter ist vielleicht nur Vítězslava Kaprálová. Aber wir möchten in dem Projekt auch an Ludmila Peškařová, Ilse Weber, Sláva Vorlová und Julie Reisserová erinnern. Das waren interessante Komponistinnen, die in ihrer Zeit eine wichtige Stimme hatten.“
Die Gedenkstunde wird ab 10 Uhr auf der Internetseite des Deutschen Bundestags und im deutschen Fernsehen bei ARD und Phoenix live übertragen.