Veranstaltung gegen Antisemitismus in Prag im Zeichen der Solidarität mit der Ukraine
In Prag wurde am Sonntag an die Holocaust-Opfer erinnert und vor zunehmendem Antisemitismus gewarnt. Die alljährlich stattfindende Veranstaltung stand dieses Mal im Zeichen der Solidarität mit der Ukraine.
Kantor Michal Foršt eröffnete die Gedenkversammlung im Prager Waldstein-Garten. Einige Hundert Menschen waren dort trotz der Schneeschauer zusammengetroffen. Viele von ihnen kamen direkt vom zuvor stattfindenden sogenannten „Marsch des guten Willens“. Dieser zog, bestückt mit israelischen und tschechischen Flaggen, vom Kafka-Platz aus singend durch die Josefstadt auf die Kleinseite. Dort wurde die Veranstaltung unter dem Titel „Kulturou proti antisemitismu“ (Mit der Kultur gegen den Antisemitismus) fortgesetzt.
Die Redner gedachten der Opfer der Shoah, gingen aber auch auf Russlands Krieg gegen die Ukraine ein. Der Vizevorsitzende des tschechischen Senats, Jiří Růžička (Top 09), erinnerte sich an eine seiner Reisen in die Ukraine, bei der er im vergangenen Jahr die Gedenkstätte Babyn Jar besuchte:
„Unsere Geschichte zeigt, wie Hass die Völker, die Jahrhunderte lang miteinander leben, auf einmal gegeneinanderstellen kann. Ein ausgeprägter Nationalismus hat Europa einst den blutigsten Konflikt seiner Geschichte beschert. Nur einige Monate nach meinem Besuch in Babyn Jar hat der russische Aggressor die dortige Gedenkstätte zerschossen. Bombardiert wurde der Ort, an dem innerhalb von zwei Tagen und zwei Nächten mehr als 33.000 Juden ukrainischer Nationalität ermordet worden waren. Der Hass und das Übel haben verschiedene Formen. Wir sollten uns daran erinnern, dass am Anfang historischer Katastrophen immer ein Mangel am Interesse, wenig Verständnis, viel Angst und manchmal auch Feigheit standen. Ich hoffe, dass wir uns dieser Gefahr in der Gegenwart bewusst sind und dass wir nicht nur darauf aufmerksam machen, sondern uns dagegen auch stellen können. Als ein zivilisiertes Europa dürfen wir nicht zulassen, dass sich die Geschichte wiederholt.“
Die israelische Botschafterin in Tschechien, Anna Azari, verwies auf Versuche, Begriffe wie „Holocaust“ oder „Antisemitismus“ durch Verzerrungen zu verharmlosen. Azari betonte:
„Wir müssen uns dessen bewusst werden, was für eine Macht Worte haben. Die Bedeutung dieser Begriffe sollte respektiert werden. In einem falschen Kontext können sie dauerhafte Schäden verursachen. Das jüngste Beispiel stellt die Benutzung des Wortes ‚Entnazifizierung‘ dar, als Vorwand zur Entfesselung eines grausamen Krieges. Dies ist wie ein Schlag ins Gesicht aller Nazi-Opfer.“
Die Botschafterin warnte zudem vor Antisemitismus, der ihren Worten zufolge die Gesellschaft spalten kann. Sie merkte jedoch an:
„Mit Hoffnung erfüllen uns heute die freiwilligen Helfer, die Kriegsflüchtlinge aufnehmen. Dieses Licht der Menschlichkeit muss uns aber auch weiter begleiten, wenn dieser schreckliche Krieg endet.“
Die Veranstaltung „Mit der Kultur gegen Antisemitismus“ wird in Prag seit 2004 von der tschechischen Zweigstelle der Christlichen Botschaft Jerusalem (ICEJ) organisiert. Mojmír Kallus leitet die Einrichtung. Gegenüber Radio Prag International sagte er:
„Es ist wichtig, der Holocaust-Opfer zu gedenken. Wir müssen aber auch die Menschen aufrufen, wachsam zu bleiben gegenüber jeder Art von Ungerechtigkeiten, Verleumdungen und Aggressionen, die sich nicht nur gegen Juden, sondern auch gegen andere Menschen richten. Das jüdische Volk ist ein Indikator dafür, wie die Situation in der Gesellschaft gerade aussieht. Und in diesem Bereich gibt es derzeit keine guten Nachrichten aus dem Rest Europas. Ich bin davon überzeugt, dass wir derartige Veranstaltungen auch weiterhin organisieren sollten.“