Geschichtsträchtiges Frühstück: Vor 35 Jahren traf François Mitterrand tschechische Dissidenten
François Mitterrand war der erste französische Staatspräsident, der die Tschechoslowakei seit ihrer Gründung 1918 besuchte. Dazu kam es Anfang Dezember 1988. Mitterand stellte als Bedingung dafür, dass die kommunistische Führung ihm ein Treffen mit Oppositionellen erlaubt.
Der französische Präsident äußerte seinen Wunsch öffentlich in einem Interview mit dem Tschechoslowakischen Rundfunk am Vorabend seines Besuchs. „Ich werde mit verschiedenen Vertretern Ihrer Gesellschaft zusammentreffen, auch mit Vertretern des öffentlichen Lebens und der Opposition. Ich werde mich frei und mit dem Respekt äußern, der dem Staat und dem Volk gebührt“, sagte Mitterrand.
Erste Kostprobe der Freiheit
Das Frühstück fand am 9. Dezember 1988 in der französischen Botschaft im Buquoy-Palast auf der Prager Kleinseite statt. Es nahmen die Dissidenten beziehungsweise Signatare der Charta 77 Václav Havel, Jiří Dienstbier, Karel Srp, Miloš Hájek, Václav Malý, Petr Uhl, Ladislav Lis und Rudolf Battěk daran teil. „Für uns war dies eine wunderbare Unterstützung, denn er war das erste Staatsoberhaupt, das uns getroffen hat“, erinnerte sich Petr Uhl vor Jahren in den Inlandsendungen des Tschechischen Rundfunks.
Mitterrand eröffnete das Frühstück mit einer Prophezeiung: Er freue sich, „hier die führenden Persönlichkeiten der kommenden Zeit zu treffen“. Allen Beteiligten blieb das Treffen als sehr herzlich in Erinnerung. Die ursprünglich geplanten 45 Minuten dehnten sich auf anderthalb Stunden aus. Der damalige Generalsekretär der Kommunistischen Partei, Gustav Husák, musste sogar warten, bis die Dissidenten „ihr Frühstück beendet hatten“.
Mit der Zahnbürste in der Tasche
Worüber wurde beim Frühstück gesprochen? Über die Menschenrechte und die politische Lage in der Tschechoslowakei. Legendär ist die Frage Mitterrands an Václav Havel, wie sich die Aktivitäten des Dissenses und die Verteidigung der Menschenrechte in der persönlichen Situation der Oppositionellen widerspiegelten. Havel antwortete, dass er auch bei diesem Anlass eine Zahnbürste bei sich trage, weil er nicht wisse, wie der Tag enden werde. „Ich war mir sicher, dass man uns daran hindert, in die Botschaft zu kommen, und dass wir zum Verhör mitgenommen werden. Aber sie haben uns nicht aufgehalten“, erinnerte sich Havel später.
Der Besuch Mitterrands trug auch dazu bei, dass am 10. Dezember 1988 erstmals eine Kundgebung der Opposition zum Tag der Menschenrechte offiziell genehmigt wurde. Auf dem Škroup-Platz im Prager Stadtteil Žižkov hielt Václav Havel damals eine Rede. Weitere Demonstrationen folgten während der sogenannten Palach-Woche im Januar 1989. Diese wurden streng unterdrückt, aber der Weg zur Wende im November 1989 war geebnet. François Mitterrand und der spätere Staatspräsident Václav Havel verband seit ihrer Begegnung im Dezember 1988 eine dauerhafte persönliche Freundschaft.
Seit 2015 erinnert eine Büste des ehemaligen französischen Staatspräsidenten François Mitterrand in den Gärten unterhalb der Prager Burg an das legendäre Treffen. Ihr Autor ist Jan Zelenka, ein in Frankreich lebender tschechischer Bildhauer.