Vor 25 Jahren: Francois Mitterrand lädt Dissidenten in Prag zum Frühstück

Frühstück der Dissidenten mit François Mitterrand in der französischen Botschaft (Foto: Archiv der französischen Botschaft in Prag)

Am Montag wurde in Prag ein weiteres Jubiläum begangen. Vor 25 Jahren kam Francois Mitterrand in die Hauptstadt der Tschechoslowakei. Es war der erste Besuch eines französischen Staatsoberhaupts seit 1918, denkwürdig war der Besuch aber aus einem anderen Grund. Denn bevor der Sozialist Mitterrand die damalige Staats- und Parteiführung traf, ging er frühstücken – mit den Dissidenten um Václav Havel.

Francois Mitterrand beim Frühstück mit Dissidenten | Foto: Archiv der französischen Botschaft in Prag

Das tschechoslowakische Staatsfernsehen ist dabei, als am 8. Dezember 1988 der französische Staatspräsident den Prager Flughafen betritt. Begrüßt wird er von seinem tschechoslowakischen Gegenpart Gustáv Husák und weiteren kommunistischen Parteioberen.

Am nächsten Tag lädt dann Mitterrand zum Frühstück in die französische Botschaft ein: Es kommen aber nicht die Parteioberen, sondern neun Dissidenten, unter ihnen Václav Havel, Jiří Dienstbier oder Petr Uhl. Mit dabei war auch der langjährige Vorsitzende der Jazz-Sektion, Karel Srp:

Karel Srp  (Foto: Štěpánka Budková)

„Etwa einen Monat vor dem Besuch haben wir erfahren, dass wir zu diesem Frühstück eingeladen werden. Für mich war das besonders überraschend, weil ich ein halbes Jahr vorher noch Gefangener im Pilsener Gefängnis Bory war. Und plötzlich werde ich vom französischen Staatspräsidenten empfangen. Das war irgendwie ein irreales Erlebnis.“

Ursprünglich sollte das Frühstück eine halbe Stunde dauern, Francois Mitterrand verbrachte jedoch anderthalb Stunden mit den Dissidenten. Derweil musste Gustáv Husák auf dem Flughafen warten, denn beide sollten gemeinsam nach Bratislava fliegen. Karel Srp erinnert sich an die Themen der Gespräche:

Francois Mitterrand beim Frühstück mit Dissidenten | Foto: Französische Botschaft in Prag

„Mitterrand fragte jeden nach speziellen Dingen. Wir haben dann über die Menschenrechte und über Glaubensfreiheit gesprochen, darüber, ob Gorbatschow die Tschechoslowakei besucht hat, und dass Gustáv Husák nichts Neues angestoßen hatte. Ich habe mich mit ihm über Kultur unterhalten, und ihm eine Kassette der MH-Band von Mikoláš Chadima gegeben.“

Laut Karel Srp waren alle Teilnehmer darauf vorbereitet gewesen, nach dem Frühstück verhaftet zu werden. Erstaunlich ist, dass dies nicht passierte. Das Treffen wurde sogar in der kommunistischen Parteizeitung „Rudé Právo“ kurz erwähnt, das Fernsehen verschwieg das Ereignis jedoch. Noch erstaunlicher ist, dass das kommunistische Regime einen Tag später, am 10. Dezember, eine Demonstration zum Tag der Menschenrechte genehmigte. Im Prager Stadtteil Žižkov sprach Václav Havel vor etwa 2000 Menschen:

Václav Havel  (Foto: Tomáš Vodňanský,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)

„Als ich noch vor drei Wochen in der Zelle im Prager Gefängnis Ruzyně war, habe ich über viele verschiedene Dinge nachgedacht, auch darüber, ob ich dort für immer bleiben würde. Hätte mir jemand gesagt, dass ich in drei Wochen mit dem französischen Präsidenten frühstücken und einen Tag später auf einer nicht verbotenen Demonstration auftreten würde, ich hätte geglaubt, er würde einen bösen Scherz machen.“

Das Treffen mit Mitterrand wurde damals als Anerkennung der tschechoslowakischen Dissidenten durch den Westen wahrgenommen. Zwei Jahre später wiederholte sich das Frühstück – mit dem Unterschied, dass am 9. Dezember 1990 Jiří Dienstbier tschechoslowakischer Außenminister war und Václav Havel Staatspräsident.