"Nonstop-Lesung" zum Thema Nachbarschaftsbeziehungen in Prag eröffnet
Am Donnerstag um 10 Uhr vormittags wurde in einem alten Palais am Fuße des Prager Hradschin-Hügels ein weiterer Lesemarathon gestartet. Vorleserinnen und Vorleser werden sich dabei sechs Tage und sechs Nächte lang ablösen und Texte zum Thema "Nachbarschaftsbeziehungen" lesen. Markéta Maurová war bei der Eröffnung zugegen.
Bereits zum siebten Male wird in diesem Jahr die Nonstop-Lesung veranstaltet. Sie beginnt in Prag, wandert dann aber auch in weitere 17 europäische Städte sowie nach New York. Der Lesemarathon wird von den Tschechischen Zentren im Ausland sowie von der "Jazz-Sektion - Artforum" organisiert. Den Vorsitzenden der letzteren Einrichtung, Karel Srp, haben wir nach dem diesjährigen Thema gefragt:
"Das Thema wurde in diesem Jahr von Außenminister Cyril Svoboda gewählt. Es heißt Nachbarschaftsbeziehungen: Beziehungen in der Familie, Beziehungen zwischen Städten, zwischen Ländern, zwischen politischen Parteien, zwischen Religionen, zwischen Rassen... Es ist ein enorm breites und allumfassendes Feld."
Die Nonstop-Lesung findet dann auch unter der Schirmherrschaft des tschechischen Chefdiplomaten statt. Svoboda selbst las am Anfang einen Text aus der Feder des zweiten Schirmherrn, des PEN-Klub-Präsidenten Jiri Grusa. Wie uns der Minister sagte, habe er drei Gründe, um an dieser Veranstaltung teilzunehmen. Der erste Grund ist der, dass der Lesemarathon bereits zu einer guten Tradition geworden ist, die gewürdigt werden sollte.
"Der zweite Grund ist das Thema, und zwar die Nachbarschaftsbeziehungen. Beachten wir, dass wir die Menschen in 'wir' und 'sie', und nicht in 'wir' und 'ihr' teilen. Diese 'sie' sind dabei immer die Fremden, diejenigen, die durch eine Barriere, eine Grenze von uns getrennt sind. Wir kennen auch aus unseren Heimen, dass die Nachbarschaftsbeziehungen äußerst anstrengend sind, weil sie gleichzeitig die engsten sind. Die Nachbarschaftsbeziehungen erfordern im Prinzip den größten Mut. Beachten wir, wie die Frage unseres Zusammenlebens mit Deutschland, mit Österreich für uns immer sehr sensibel ist, weil sie unsere Nachbarn sind. Wir haben gar keine Probleme mit anderen Ländern, mit Großbritannien, mit Indien u. a. Die Nachbarschaft hingegen ist immer sehr anstrengend, und es ist eine Frage der Reife der Menschen, die in Nachbarschaftsbeziehungen leben können."
Und der dritte Grund für Minister Svoboda ist, dass die Lesung den Charakter einer Stafette hat, an der sich unterschiedlichste Menschen beteiligen. Dies bestätigte uns auch Karel Srp. Wie groß ist eigentlich das Interesse für das Lesen?
"Am heutigen Donnerstag ist die Liste ganz voll. Es sind noch einige Nachttermine vom Samstag auf Sonntag frei. In dieser Zeit melden sich immer Bohemien-Schriftsteller bzw. diejenigen, die im letzten Moment kommen. Allerdings ist jeder willkommen, auch als Zuschauer oder als Zuhörer. Und dank der Internetseiten der Tschechischer Zentren wird diese Lesung buchstäblich in die ganze Welt übertragen."
Näheres dazu kann man auf der Internet-Seite www.nonstopczech.cz nachzulesen.