Note Drei minus: Staatspräsident Zeman ein Jahr im Amt

Miloš Zeman (Foto: ČTK)

Staatspräsident Miloš Zeman feierte am Samstag sein erstes Jahr im Amt. Er ist der erste direkt gewählte Staatspräsident Tschechiens. In seinen ersten zwölf Monaten auf der Prager Burg hat er vieles anders gemacht, aber auch viele verärgert. Die Reaktionen auf seine bisherige Tätigkeit fielen deswegen auch durchwachsen aus.

Miloš Zeman  (Foto: ČTK)
Es war das Jahr des Miloš Zeman: Im Januar 2013 wurde der ehemalige Sozialdemokrat zum Staatspräsidenten gewählt. In der Stichwahl setzte sich Zeman gegen Karel Schwarzenberg durch, den Kandidaten der konservativen Partei Top 09. Bei seiner Amtseinführung am 8. März 2013 sagte Zeman:

„Ich trete vor sie als erster Präsident der Tschechischen Republik, der in einer direkten Wahl durch die Bürger bestimmt wurde. Ich bin mir der großen Verantwortung bewusst, die daraus hervorgeht, und bin bereit, sie zu tragen.“

Vorausgegangen war ein intensiver Wahlkampf. Als Favorit galt lange Zeit Jan Fischer. Der ehemalige Premier einer Beamtenregierung lag in den Umfragen viele Monate vorn, trat aber im Wahlkampf zu farblos auf. Aus dem ersten Urnengang gingen dann zwei Favoriten hervor, die das Land vor eine schwierige Entscheidung stellten: der ehemalige Sozialdemokrat und Ex-Premier Miloš Zeman oder der amtierende Außenminister und Chef der Partei Top 09, Karel Schwarzenberg. Im folgenden zweiwöchigen Spektakel vor der Stichwahl wurde es dann sehr unschön. Zeman machte Schwarzenbergs Zeit im Exil zum Thema: Er habe sein Land im Stich gelassen und sei eigentlich kein Tscheche, sondern ein Österreicher. Unterstützung erhielt Zeman vom amtierenden Staatspräsidenten Václav Klaus und seiner Familie, die in den Medien Stimmung gegen Schwarzenberg machten. Am Ende standen 55 Prozent der Wähler hinter Zeman und 45 Prozent hinter Schwarzenberg. Bei seiner Inauguration versuchte Zeman dann, das Land zu einen:

Livia Klausová  (Foto: ČTK)
„Ich möchte der Präsident aller Bürger sein, ohne Unterschied ihrer politischen Einstellung. Ich bin mir bewusst, dass ich diese Verpflichtung nicht nur mit Worten, sondern mit konkreten Taten während meiner Amtszeit verbinden muss.“

Und tatsächlich folgten konkrete Taten des Staatspräsidenten. Zunächst einmal stritt er sich mit Außenminister Schwarzenberg, seinem Konkurrenten aus der Direktwahl, über die Besetzung von Botschafterposten. Zeman wollte die vakante Stelle in der Slowakei mit der Frau seines Vorgängers besetzen. Allerdings hatte Livia Klausová keinerlei politische Erfahrung, die einzige Qualifikation war ihre slowakische Herkunft. Die Medien und Schwarzenberg witterten hier einen Handel: den Botschafterposten für die Unterstützung im Wahlkampf. Schwarzenberg verweigerte die Entsendung von Klausová, Zeman die Bestätigung aller ausgewählten Botschafter.

Aleš Gerloch  (Foto: Archiv der Karlsuniversität)
Im folgenden Streit beharrte Zeman darauf, dass laut Verfassung der Staatspräsident Botschafter ernenne, Schwarzenberg führte die sogenannten Verfassungsgewohnheiten an, nach denen der Außenminister ernennt und der Präsident bestätigt. Es sollte nicht der letzte Streit über die Interpretation der Verfassung sein. Aleš Gerloch ist Professor an der juristischen Fakultät der Prager Karlsuniversität:

„In den vergangenen Monaten wurde sehr viel mit den so genannten Verfassungsgewohnheiten argumentiert. Aber in unserer geschriebenen Verfassung haben die Gewohnheiten nur eine begrenzte Bedeutung. Entscheidend ist also zu fragen: Hat er nach den Verfassungsnormen gehandelt? Und da muss man sagen, dass Zeman das größtenteils getan hat.“

Den größten Coup landete Zeman, nachdem die Regierung von Premier Petr Nečas aufgrund eines Skandals zurücktreten musste. Die bürgerliche Dreier-Koalition aus Bürgerdemokraten, Top 09 und einigen Liberaldemokraten verfügte über eine hauchdünne Mehrheit und wollte weiter regieren. Zeman weigerte sich jedoch, die Kandidatin der Koalition, Miroslava Němcová, mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Stattdessen setzte der Staatspräsident einen eigenen Regierungschef ein: Jiří Rusnok. Der Parteilose ehemalige Sozialdemokrat galt als Vertrauter Zemans, nun sollte er ein so genanntes Beamtenkabinett aufstellen. Die bisherige Koalition schäumte, Zeman wurde Verfassungsbruch vorgeworfen. Der Jurist Gerloch sieht dies anders:

Regierung Rusnok  (Foto: Archiv des Regierungsamtes der Tschechischen Republik)
„Wenn es um die Ernennung eines Regierungsvorsitzenden geht, begrenzt die Verfassung die Personen-Auswahl nicht. In Wirklichkeit ist die Auswahl natürlich beschränkt, denn die Regierung muss später im Abgeordnetenhaus das Vertrauen erhalten. Aber es ist nicht so, dass der Präsident einen Vorschlag des Abgeordnetenhauses akzeptieren muss.“

Die Regierung Rusnok erhielt aber anschließend im Abgeordnetenhaus nicht das Vertrauen. Im Ergebnis löste sich die Volksvertretung auf, und es wurden Neuwahlen ausgeschrieben. Die daraus hervorgegangene Mitte-Links-Regierung unter der Führung der Sozialdemokraten wurde im Januar ernannt, das Vertrauen erhielt sie im Februar. Bis dahin blieb das Kabinett unter Premier Rusnok im Amt. Es brach damit einen Rekord: Rusnok und sein Team regierten das Land 160 Tage lang ohne das Vertrauen des Abgeordnetenhauses.

Foto: Kristýna Maková
Aber auch auf anderen Feldern hat der Staatspräsident die Gepflogenheiten geändert. So gab er das Recht, verurteilte Straftäter zu begnadigen, an das Justizministerium ab; er weigerte sich auch, einen Professor zu ernennen, und er machte aus der traditionellen Neujahrsansprache eine Weihnachtsrede.

Wie aber kam sein Politikstil in der Bevölkerung an? Das öffentlich-rechtliche Tschechische Fernsehen hatte dazu extra eine Umfrage in Auftrag gegeben, durchgeführt hat sie das Meinungsforschungsinstitut Stem. Demnach ist die Gesellschaft hierzulande weiter gespalten. 39 Prozent sind mit der Arbeit Zemans eher zufrieden, 36 Prozent eher unzufrieden. Aber nur 4 Prozent zeigen sich mit seinem ersten Jahr sehr zufrieden, während 19 Prozent sehr unzufrieden sind. Jan Hartl leitet das Meinungsforschungsinstitut:

Jan Hartl  (Foto: Noemi Holeková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Nach 100 Tagen im Amt wurde die Arbeit von Miloš Zeman noch von 47 Prozent für gut befunden. Nun ist die positive Wertung auf 43 Prozent gefallen. Wenn wir uns nur diese allgemeinen Zahlen anschauen, dann hält sich Zeman relativ gut.“

Bei der Bewertung seiner einzelnen Tätigkeiten nach Schulnoten ergibt sich jedoch ein sehr durchschnittliches Bild. Am besten schneidet Zeman noch bei der Ausnutzung seiner präsidialen Vollmachten ab, hier erhält er im Schnitt eine 2,7 als Note. Am unteren Ende rangiert sein Auftreten in der Öffentlichkeit mit einer 3,3. Bei der Frage, wie Zeman sein Amt ausfülle, erreicht er im Schnitt nur eine 3,5, also eine drei Minus. Soziologe Hartl fasst zusammen:

Foto: Archiv der Verwaltung der Prager Burg
„Stein des Anstoßes in den verschiedensten politischen Lagern ist sein Wirken in der Innenpolitik. Im Gegenzug wird sein außenpolitisches Auftreten relativ gut bewertet.“

Zeman hisste die Flagge der EU im Beisein von Kommissionspräsident José Barroso auf der Prager Burg und besuchte die tschechischen Soldaten in Afghanistan. Daher würdigte auch der neue Premier, Bohuslav Sobotka, das außenpolitische Auftreten Zemans. Dieser habe das Bild Tschechiens im Ausland positiv verändert, sagte der Sozialdemokrat am Freitag. Auch von der tschechischen Wirtschaft wird Zemans Außenpolitik geschätzt, sagt der Präsident des Industrie- und Verkehrsverbandes, Jaroslav Hanák:

„Im Gegensatz zu seinen beiden Vorgängern hat sich die Zusammenarbeit unter Zeman enorm vertieft. Václav Havel hatte auf dem Gebiet der Wirtschaft fast gar keine Zusammenarbeit angestrebt, und Václav Klaus hat sich eher selbst hervorgehoben. Zeman dagegen hat ein enormes Interesse, und wir besprechen jeden Monat wirtschaftliche Themen mit seinen Beratern. Darüber hinaus sind seine Reisen und seine Kenntnisse ein wertvoller Beitrag.“

Allerdings sind nicht alle zufrieden. Zemans Reden in Berlin und vor dem europäischen Parlament gelten vielen Beobachtern als visionslos und blutleer, und auch seine Einladung an den ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch zu einem Staatsbesuch nach Prag hatte viele Politiker und Kommentatoren irritiert.

Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Der Verfassungsrechtler Aleš Gerloch zieht ein Fazit über Zemans erstes Jahr auf der Prager Burg:

„Ich würde sagen, das Jahr lässt sich in zwei Zeiträume einteilen: Im ersten Abschnitt wurde Zeman durch die Direktwahl des Präsidenten, die schwache Regierung und das schwache Abgeordnetenhaus ermöglicht, die politische Bühne stark zu beeinflussen. Dies endete aber mit den vorgezogenen Neuwahlen. Danach gelang es dem Parlament, seine Legitimität zu erneuern und das beginnende Übergewicht des Präsidenten auszugleichen. Das konnte man danach auch in mehreren Bereichen erkennen, und dass die Partei von Miloš Zeman bei der Wahl verlor, ist nur ein kleines Teilchen in diesem gesamten Prozess.“

Zeman-Partei SPOZ  (Foto: Archiv SPOZ)
Die Zeman-Partei SPOZ war nämlich bei den Neuwahlen im Oktober trotz indirekter Unterstützung des Staatspräsidenten nicht über die Fünf-Prozent-Hürde gekommen, heute ist sie faktisch nicht mehr existent. Zwar versuchte Zeman noch, einen Putsch in der Sozialdemokratischen Partei gegen Boshuslav Sobotka anzuzetteln und so Einfluss auf die Innenpolitik zu nehmen, er scheiterte jedoch auch damit. Seitdem beschränkt sich das Staatsoberhaupt auf Nadelstiche, zum Beispiel stellte er Premier Sobotka wegen Tippfehlern in seiner Ministerliste vor laufender Kamera bloß.