Otto Placht – Maler aus dem Urwald

Otto Placht: Erstes Fegefeuer (Foto: Loreta Vašková)

Der Maler Otto Placht. ist vor allem bekannt durch seine großformatigen Werke, die von seinen häufigen Aufenthalten im südamerikanischen Dschungel inspiriert sind. In der Sendereihe Kultursalon stellen wir Ihnen den unkonventionellen Künstler einmal näher vor.

Otto Placht  (Foto: Loreta Vašková)
Seine Karriere nahm einen zunächst konventionellen Weg. Otto Placht kommt 1962 in Prag auf die Welt. Von 1983 bis 1988 studiert er an der Prager Akademie der bildenden Künste und unterrichtet danach dort bis 1993 im Atelier der Monumentalkunst. Placht malt nach seinem Studium vor allem große Bilder im expressionistischen Stil, in denen er die biomechanische Funktionsweise von Körpern thematisiert. Dazu experimentiert er auch mit raumgreifenden Konstruktionen in Form eines neuzeitlichem „Golem“. Die Kunstkritiker sind begeistert und sehen in ihm einen der herausragenden Künstler der damaligen Zeit. Die Monumentalkunst lag ihm aber gar nicht so sehr am Herzen, wie er in einem Interview verrät:

„Dass ich Assistent in diesem Atelier der Monumentalkunst wurde, war ein Zufall. Eigentlich ziehen mich die großen Dinge nicht so an, mich interessieren eher die Grenzerfahrungen.“

Otto Placht: Weltanschauung  (Foto: Loreta Vašková)
Und eine Grenzerfahrung steht dem jungen Künstler unmittelbar bevor. Im Jahr 1993 ändert sich Plachts Leben grundlegend. In Miami lernt er einen peruanischen Schamanen und Künstler und dessen Bilder kennen – und folgt einer Einladung des Indianers in den Urwald.

„Ich habe den peruanischen Schamanen und Maler Pablo Amaringo in Miami getroffen, wo ich eine Ausstellung in der Galerie einer Universität hatte. Er zeigte dort direkt nach mir seine Werke und ich habe sie mir angesehen. Luis Eduardo Luna, ein kolumbianischer Anthropologe, der sich dem Schamanismus widmet, hat Amaringos malerisches Talent entdeckt. Nach und nach hat er mit ihm zusammen eine Schule der Amazonasmalerei aufgebaut, eine Art Öko-Schamanisches Projekt. Ab ihrem fünften Lebensjahr lernen die Kinder dort, den Dschungel wahrheitsgetreu abzubilden. Also nicht malerisch, sondern tatsächlich: welche Pflanze an welchem Baum wächst oder aus welcher Blüte der Kolibri trinkt. Es sah dort ein bisschen aus wie in einem Kloster. Ich war wirklich fasziniert, als ich damals in diese Schule kam, wie dreidimensional, fast schon holografisch die Kinder mit Aquarell- oder Acrylfarben auf kleine Papiere gemalt haben.“

Otto Placht: Sirenen  (Foto: Loreta Vašková)
Placht stellt in Miami riesige Skizzen von biomechanischen Studien aus. Der peruanische Schamane ist begeistert und schlägt Placht vor, seinen Schülern im Urwald das Malen von Figuren beizubringen. Placht verbringt einen Monat in der Dschungel-Kunstschule. Dies gefällt ihm so sehr, dass er ein zweites Mal kommt – diesmal für längere Zeit:

„Ich würde es nicht als eine Flucht vor der Zivilisation bezeichnen, weil man in Peru der Zivilisation gar nicht entkommen kann. Aber als ich zu dieser Stadt gefahren bin, in der die Straße endete, habe ich mich schon darauf gefreut, bald auf einem Boot zu sein und dorthin zu fahren, wo noch kein menschlicher Fuß je gewesen ist. Da hatte ich das Gefühl, in einem Jungendtraum zu sein und einen völlig unberührten Platz zu entdecken. Selbstverständlich bin ich nicht so weit gekommen, und mich hat auch eher die Inspiration interessiert. Also bin ich am Rand des Dschungels geblieben.“

Otto Placht: Grün  (Foto: Loreta Vašková)
Placht lebt mit den Indianern vom Stamm der Shipibó in ihrem Dorf „San Francisco“. Er lernt von ihnen, seine Farben aus der Rinde von tropischen Bäumen herzustellen und malt auf Moskitonetzen seine Visionen des Dschungels. Dabei experimentiert der Tscheche auch mit Ayahuasca, einem Trank, der aus einer Dschungelliane gewonnen wird. Die Indianer trinken das Gebräu, um bei religiösen Zeremonien mit Geistern in Kontakt zu treten oder in die Zukunft zu schauen. Placht erhoffte sich davon, Inspiration für seine Malerei zu entdecken:

„Es ist ein bewusstseinserweiterndes Erlebnis, wie es in unserer heutigen Zivilisation verbreitet und beliebt ist. Das Erlebnis ähnelt jenem nach der Einnahme des Suds aus dem San-Pedro-Kaktusses oder dem Konsum von mexikanischen Pilzen. Ich glaube aber, dass die Energie dieser Stoffe nicht in andere Breiten der Erde übertragbar ist.“

Otto Placht: Scharlatan  (Foto: Loreta Vašková)
Unter dem direkten Einfluss des Getränks gelingt es ihm aber nicht zu malen, wie Placht erklärt:

„Das geht überhaupt nicht, weil der Mensch durch die Wirkung physisch gelähmt ist. Als ich das erste Mal Ayahuasca getrunken habe, hatte ich das Gefühl, dass sich mir etwas öffnet, was ich mein ganzes Leben genutzt habe, von dem ich aber nichts wusste, von dem ich nie fähig war zu glauben, dass es wirklich existiert. Das war ein sehr bezauberndes und faszinierendes Erlebnis. Aber dieses Getränk ist auf jeden Fall eine Gefahr für das menschliche Gehirn. Die Menschen, die Ayahuasca ihr gesamtes Leben nutzen, bleiben in dieser Welt hängen und können sie nicht mehr verlassen.“

Mit kleineren Unterbrechungen lebt Placht bis 1999 bei den Indianern, heiratet sogar und gründet eine Familie. Allerdings hat er große Schwierigkeiten, die komplizierte Sprache des Indianerstammes zu lernen:

Otto Placht: In einer Sackgasse  (Foto: Loreta Vašková)
„Die indianische Sprache des Stammes habe ich passiv gelernt, ich habe ein wenig verstanden und ein paar Worte beherrscht, aber richtig kommunizieren konnte ich nie. Deswegen bin ich auch von dort weggegangen, ich hatte das Gefühl, einfach keine Energie mehr aufbringen zu können für diese Sprache. Sie ist sehr anstrengend zu erlernen, sie erfordert wirklich ein konzentriertes Studium.“

Die Sprache war aber für ihn nicht der einzige Grund, nach Europa zurückzukehren:

„Nach ein paar Jahren ist mir klar geworden, dass alles immer gleich schwierig und schmerzhaft ist und sich nirgendwo auf der Welt das gelobte Land finden lässt. Das hätte ich auch vorher erkennen können. Ich bin in Prag aufgewachsen und habe hier den Großteil meines Lebens verbracht. Ich bin also eher ein Prager, der auf seine Chata im Dschungel fährt, als ein peruanischer Wahnsinniger.“

Otto Placht: Erstes Fegefeuer  (Foto: Loreta Vašková)
Heutzutage pendelt er zwischen den Welten, mehrere Monate im Jahr verbringt der Künstler im peruanischen Urwald. Wer aber glaubt, in Plachts Bilder die gängige Vorstellung vom Dschungel zu finden, der irrt. Zwar malt der Künstler verwirrende Muster, die an Lianen und Schlangen erinnern, allerdings nutzt er dazu kräftige Farbtöne wie blau oder rot. In seinen Bildern will er die Geschichten der Indianer erzählen:

„Ich versuche, die Handlung in Bilder und Farben zu übersetzen. Während des Malens verliere ich aber immer ein wenig den Handlungsstrang. Ich versuche dann, die Bedeutung durch den eigentlichen Prozess des Malens wieder zurückzuerhalten. Dadurch kommt die Handlung in das Bild zurück – denn der Prozess leitet die Geschichte.“

Aus seiner Anfangszeit hat sich der Künstler ein paar Dinge bewahrt. Seine Bilder sind noch immer groß, einige Werke messen zum Beispiel acht Meter auf siebeneinhalb Meter und den Schwerpunkt bilden immer Figuren:

Foto: Archiv der Václav-Havel-Bibliothek
„Ich bin ein Figurenmaler, daher treten in meinen Werken immer Figuren auf, die die Geschichte tragen. Die Geschichten aus dem Amazonas haben drei Ebenen: Natur, Mensch und Geist. Diese drei Ebenen werden dort als völlige Einheit begriffen.“

Und eben dieser Einheit verleiht Placht in seinen Bildern Ausdruck. Seit seiner Rückkehr nach Prag stellt der Maler aus dem Urwald vor allem in Tschechien aus, seine Werke sind aber natürlich auch in Peru bekannt.


Dieser Beitrag wurde am 9. März 2013 gesendet. Heute konnten Sie seine Wiederholung hören.