Panenka vor der Fußball-EM: Tschechien hat große Chance, sehr weit zu kommen

Antonin Panenka (Foto: CTK)

Der Fußball und seine negativen Auswüchse in den tschechischen Ligen - das war das zentrale Thema im Sportreport vor 14 Tagen. Heute hat sich Lothar Martin der weltweit populärsten Sportart erneut angenommen, diesmal aber aus einem buchstäblich guten Grund, denn die 12. Fußball-Europameisterschaft steht unmittelbar vor der Tür. Und da auch die tschechischen Elitekicker an ihr teilnehmen, werden wir ihre Ausgangsposition, ihre Hoffnungen und Ambitionen in den nächsten Minuten etwas näher unter die Lupe nehmen.

Eigentlich war geplant, dass wir uns heute an dieser Stelle einmal etwas ausführlicher mit dem tschechischen Motorrennsport befassen. Genauer gesagt, mit dem tschechischen Rallyesport. Hintergrund des Ganzen war die Tatsache, dass das hiesige Automobilunternehmen nach der Umstrukturierung seiner Rennsportabteilung am vergangenen Wochenende erstmals wieder an einem großen internationalen Rennen teilnahm, an der Rallye Akropolis. Aber auch diesmal gab es wenig Erfreuliches über Skoda zu berichten, denn gleich auf der ersten Etappe waren beide Skoda-Fabia-Piloten ausgeschieden: der Deutsche Armin Schwarz mit beschädigter Radaufhängung und Toni Gardemeister mit Motorschaden. Aber aufgeschoben ist bekanntlich nicht aufgehoben, und so werden wir das Gespräch mit Martin Mühlmeier, dem neuen Leiter der Skoda-Rennsportabteilung, zu einem späteren Termin ausstrahlen.

Doch nun zu unserem heutigen Thema, die bevorstehende Fußball-Europameisterschaft. Sie ist, neben den Olympischen Sommerspielen in Athen, ganz sicher das größte Sportevent des Jahres. Denn "König Fußball" zieht wie keine andere Sportart in der Welt die Sportfans in seinen Bann. Und auch vor dieser Europameisterschaft hat das große Diskutieren und Fachsimpeln über EM-Favoriten, Außenseiter und eigene Chancen schon längst eingesetzt. Auch in Tschechien ist das nicht anders, zumal die hiesige Nationalmannschaft beim kontinentalen Championat immer eine hervorragende Rolle spielte, sofern sie sich für die jeweilige Endrunde qualifizieren konnte. Das ab Samstag in Portugal zur Austragung kommende Turnier ist das zwölfte seiner Art seit 1960, als mit dem damaligen Pokal der Nationen der offizielle Vorläufer für die heutige Europameisterschaft aus der Taufe gehoben wurde.

An diesem Endrundenturnier nimmt eine tschechische bzw. tschechoslowakische Mannschaft zum insgesamt sechsten Male teil. Alle drei Auftritte als Team der Tschechoslowakei wurden mit Medaillengewinnen abgeschlossen: 1960 und 1980 holten die Masopust, Pluskal bzw. Ondrus, Panenka & Co. jeweils Bronze und 1976 konnte nach dem schon legendären Panenka-Heber im Elfmeterschießen des Belgrader Finalspiels gegen Deutschland der bisher größte Triumph für den hiesigen Fußball gefeiert werden: der EM-Titel. Nach diesen drei Plaketten setzte eine 16-jährige Durststrecke ein, ehe 1996 eine neue Generation, die der Auswahl der heutigen Tschechischen Republik, an die Erfolge früherer Tage anknüpfen sollte. Bei der Endrunde vor acht Jahren in England gleich mit dem Einzug ins Finale, in dem die Kadlec, Berger, Kuka & Co. der deutschen Vertretung etwas unglücklich in der Verlängerung durch das "Golden Goal" von Oliver Bierhoff mit 1:2 unterlagen. Dennoch, die vierte Medaille bei der vierten Endrundenteilnahme war perfekt, ehe man vor vier Jahren in Belgien und Holland erstmals leer ausging. "Schuld" daran waren ein etwas zweifelhafter Elfmeter im Auftaktspiel gegen Gastgeber Niederlande und die Abwehrschnitzer gegen den späteren Titelträger Frankreich. Doch einen vorzüglichen Eindruck hatte man allemal hinterlassen. Und ähnlich erwartungsfroh ist auch diesmal die Stimmung unter den tschechischen Fußballfans, die sich durchaus wieder einiges ausrechnen für ihre Spieler um Kapitän und "Europas Fußballer des Jahres" Pavel Nedved. Nicht zuletzt deshalb, weil Tschechien in der EM-Qualifikation ohne Niederlage geblieben war und hierbei auch den erneuten Gruppengegner Niederlande hinter sich gelassen hatte. Aber, und das besagen die Erfahrungen vom vergangenen Championat, dies will nichts bedeuten. Daher hebt auch ein Großer wie der bereits erwähnte Antonín Panenka warnend den Finger, wenn er die Chancen für das tschechische Team wie folgt einschätzt:

Antonin Panenka  (Foto: CTK)
"Ich persönlich bin kein solcher Optimist wie eine ganze Reihe unserer Fans und viele derjenigen, die im tschechischen Fußballsport tätig sind. Den Hauptgrund dafür sehe ich darin, dass unsere Mannschaft diesmal als einer der Favoriten in das Turnier geht, und damit liegt ein enormer Druck auf ihr, der nicht so leicht zu verkraften ist. Der Medienrummel und das allgemeine Interesse um unsere Spieler werden weitaus größer sein als gewohnt, und das sind Dinge, die den Spieler beeinträchtigen und ihn darin hindern, sich maximal auf seine Aufgabe zu konzentrieren. Außerdem warten auf uns sehr unangenehme Gruppengegner. Als einen gewissen Nachteil sehe ich es dabei an, dass ausgerechnet wir das erste Spiel gegen Lettland bestreiten müssen. Das ist zwar ein so genannter Nobody, aber: dieser Nobody hat nichts zu verlieren, will sich gegen den Favoriten beweisen, und noch dazu im ersten Match, in dem er befreit und mit vollen Kräften antreten kann. Also das wird alles andere als eine leichte Aufgabe für uns. Mit Holland treffen wir auf eine der besten Vertretungen der Welt, und auch die Deutschen sind ein schwerer Gegner. Und das aus einem ganz einfachen Grund: Sie spielen zwar zurzeit nicht besonders gut, aber wie jeder weiß, stellen sie stets eine Turniermannschaft, die es noch immer verstanden hat, sich sehr gut auf solch einen Höhepunkt vorzubereiten. So kann es durchaus passieren, dass wir nach den Gruppenspielen ausscheiden werden, was sehr unangenehm wäre, aber so ist halt der Sport. Dennoch glaube ich, dass unsere Mannschaft eine Runde weiterkommt, und wenn wir diesen allerwichtigsten Schritt getan haben werden, dann haben wir eine große Chance, sehr weit zu kommen."

Antonín Panenka, inzwischen 55 Jahre alt, ist also vorsichtiger Optimist. Daher fragten wir nach, wo er die besonderen Stärken der tschechischen Mannschaft sieht und wo es demgegenüber noch Schwachstellen zu erkennen gibt.

"Also es ist Fakt, dass die stärkste Seite unserer Mannschaft die Offensive ist. Die Abwehr ist um einiges schwächer. Damit will ich sagen, dass die Angreifer und die offensiv ausgerichteten Mittelfeldspieler mit zum Besten gehören, was der europäische Fußball derzeit zu bieten hat. Aber ich hoffe, dass beide Mannschaftsteile so gut miteinander funktionieren, dass das Team auf Sieg spielen kann und die Ergebnisse entsprechend gut ausfallen werden."

Panenkas Elfmeterschießen,  Belehrad,  1976   (Foto: CTK)
Panenka, das ist bekannt, stand nicht nur in jenem Team, das 1976 mit dem Gewinn der Europameisterschaft den bisher größten Erfolg des tschechisch-slowakischen Fußballs errungen hat, nein, er hat sich mit seinem frechen Elfer, mit dem er Sepp Maier zum entscheidenden 5:3 nach Elfmeterschießen überwand, quasi schon zu Lebzeiten zur Legende gemacht. Deshalb wollten wir zum Abschluss unseres Small Talks von ihm wissen, wie oft er sich noch heute an diese Szene erinnert bzw. ob es ihm nicht schon ein bisschen auf die Nerven gehe, immer wieder auf diese eine Situation angesprochen zu werden:

"Ich bin nicht der Typ, der diese Sache immer wieder hervorkramt und sich pausenlos daran erinnert. Aber es ist richtig, dass immer wieder eine Vielzahl junger Burschen danach fragen und alle Einzelheiten dazu wissen wollen. Zum Beispiel: Wie war das damals? Wie kam es zu diesem Elfer? Das freut mich natürlich sehr, denn das bedeutet, dass auch nach meiner Karriere etwas von mir geblieben ist. Wie ich schon sagte: Für mich war dieser Elfmeter sicher der Höhepunkt meiner Karriere, denn dank ihm bin ich quasi in Europa berühmt geworden. Aber auf der anderen Seite bin ich auch ein wenig eifersüchtig auf ihn, denn ich habe noch eine ganze Reihe weiterer sehr guter Spiele bzw. fußballerischer Extras gezeigt. Dieser Elfer hat im Grunde genommen all das überdeckt, aber selbstverständlich gehört er jetzt untrennbar zu meinem Namen."

Ob der eine oder andere aktive europäische Fußballer bei der EM in Portugal auch mit ähnlichen Raffinessen aufwartet und sich im Gedächtnis der Fans verewigen wird, darauf dürfen wir gespannt sein. In diesem Sinne: Einen guten Fußballempfang im TV und zwischendurch immer wieder einmal reingehört bei Ihrem Sender Radio Prag - dies sind die Wünsche, die ich uns für die nächsten zwei Wochen mit auf den Weg geben möchte, bevor ich Sie dann wieder zum Sportreport begrüßen darf.