Parkour hat auch in Tschechien Wurzeln geschlagen

Photo: www.parkour.cz

„Parkour“ war bis vor kurzem in Tschechien ein völlig unbekannter Begriff. Diese in Westeuropa schon längst etablierte Sportart hat nämlich erst vor ungefähr vier bis fünf Jahren auch hier Einzug gehalten. Inzwischen hat sie nicht nur in den größten Städten des Landes ihre Fans gefunden. Natürlich bei Jugendlichen. Auch hierzulande gilt der Parkour-Erfinder David Belle aus Frankreich als Idol.

„Parkour“ war bis vor kurzem in Tschechien ein völlig unbekannter Begriff. Diese in Westeuropa schon längst etablierte Sportart hat nämlich erst vor ungefähr vier bis fünf Jahren auch hier Einzug gehalten. Inzwischen hat sie nicht nur in den größten Städten des Landes ihre Fans gefunden. Natürlich bei Jugendlichen. Auch hierzulande gilt der Parkour-Erfinder David Belle aus Frankreich als Idol.

„Als ich sah, welche Meisterstücke er dank des langen Trainings vollbringt, zum Beispiel wie er ohne Probleme von einer drei Meter hohen Mauer springt, war ich begeistert.“

So erinnert sich der 22jährige Jan Haluza alias Joanis, der einer Parkour-Trainingsgruppe im südmährischen Brno / Brünn angehört. Ähnlich war es auch beim 27-jährigen Martin Loszar, der zu den Erfahrensten in der Brünner Szene zählt. In der Gruppe wird er Toshiro genannt:

„Ich habe ein paar Videos im Internet gesehen und wollte es auch versuchen. Das war eigentlich für viele der erste Impuls - diese Lust, sich selbst auf die Probe zu stellen. Wenn dann der Wille nach mehr Leistung vorhanden ist, muss man etwas dafür tun. Das heißt durchhalten und hart trainieren.“

Wichtig sei, ganzkörperlich zu trainieren mit einem hohen Maß an Selbsteinschätzung und Disziplin - Solo oder in einer Gruppe. Bänke, Mülltonnen, Bauzäune, Mauern, Geländer, Stiegen und viele andere Hindernisse werden dabei mit höchster Konzentration und Effizienz überwunden. Was einfach und leicht aussehen mag, ist das Resultat eines hohen Trainingsaufwands. Es heißt aber keineswegs, nach draußen zu gehen, um zu springen und hüpfen. Die Bezeichnung Trendsportart lehnt der leidenschaftliche Parkouranhänger Martin ab. Im Gegensatz zu den eigentlichen Sportarten sei Parkour nicht wettbewerbsorientiert. Es komme überhaupt nicht darauf an, wer weiter, höher oder leichter springe oder schneller laufe. Gerade das ist für Martin Loszar sehr wichtig:

„Die heutige Mentalität ist westlich orientiert, alles läuft nach dem Prinzip des Wettbewerbs. An der Bezeichnung ´Sport´ stört uns die Definition, die mit diesem Wort einen Wettbewerb, also ein Kräftemessen verbindet, bei dem es Sieger und Besiegte gibt. So etwas gilt aber für Parkour nicht. Da kämpft jeder nur mit sich selbst, und das gefällt mir sehr daran.“

„Parkour is trendy, Parkour is fun!“ besagt einer der Slogans, die man zu hören bekommt. Bei Martin und seinen Freunden in der Trainingsgruppe kommt der aber nicht gut an. Nach ihrer Auffassung liegen Parkour als einer kreativen Bewegungskunst auch philosophische Elemente zugrunde. Diejenigen, die in waghalsigen Situationen mit Akrobatik ihre Gesundheit riskieren, seien nur auf Showeffekte beim Publikum aus. Gabriel Harangi alias Gecon (19) hat eine eigene Definition für sich gefunden:

„Für mich persönlich bedeutet es, als Mensch besser drauf zu sein, und zwar in dem Sinne, dass ich schneller, kräftiger und gesünder als andere bin.“

Das scheinen allerdings nicht alle Menschen beim Anblick der vorbeiflitzenden Parkourfans so zu empfinden. So manches Schimpfwort sei nicht zu überhören, sagt Joanis:

„Die Leute, die kein Verständnis dafür haben, nennen uns Vandalen, die dies und jenes schmutzig oder kaputt machen. Das stimmt aber nicht. Wir machen eher das Gegenteil. Wir räumen meistens unser Trainingsgelände vorher auf, um Verletzungen zu vermeiden.“

Es kann also durchaus nützlich sein, Parkour zu betreiben. Aber für wen denn? Auf meine Frage erwidert Martin:

„Also wenn ich für mich sprechen soll, ich bin sehr froh, dass ich so das mache. Seit ich damit angefangen habe, bin ich viel gesünder und flinker. Ich kann jetzt auch einen wegfahrenden Bus einholen. Damit ist nicht gesagt, dass ich dabei auch eine Hürde überspringen muss. Dank meiner Fähigkeiten habe ich beispielsweise schon oft auf einer Baustelle helfen oder auf einen Baum klettern können. Im Leben gibt es oft solche Situationen, dass man sich selbst oder jemandem aus seinem Umkreis damit helfen kann.“

Und außerdem? Die Aufzählung der Parkour-Pluspunkte geht weiter:

„Es ist einfach prima. Man kann mit jemandem das gleiche Interesse teilen, und wenn die Kraft oder die Lust nachlässt, dann sind die anderen da, die einem durch ihre Unterstützung neue Kraft einflößen. Auf der anderen Seite ist auch das individuelle Training wichtig. Das Selbstvertrauen wird auf die Probe gestellt: Man darf sich nicht hinreißen lassen und eine Dummheit begehen. Denn wenn etwas passiert, ist keiner da, der hilft. Wichtig ist, sich vorher das Gelände sozusagen eigenhändig abzutasten.“

Auch wenn die Verfechter von Parkour in der Regel als Gruppe agieren, so behauptet Martin Loszar, er habe ein bisschen Probleme mit der Bezeichnung „Team“. Unter den „Parkourleuten“ gebe es keinen Bedarf, sich als Team zu identifizieren. Man bezeichne sich einfach als Trainingsgruppe. So eine Position wie die eines Chefs der Trainingsgruppe kennt man angeblich auch nicht. Im Gegenteil, sagt Martin. Leiter des Trainings zu sein, darauf sei niemand wirklich scharf. Wenn zum Beispiel Anfänger in der Runde sind, muss sich halt der Chef des Tages um sie kümmern, und das kostet Energie, sagt Martin.

Martin Loszar kümmert sich um die Website der Gruppe und achtet darauf, dass auf ihr nur Kontakte an Leute zu finden sind, die er persönlich kennt. Man legt viel Wert auf Leistungen und Verlässlichkeit. Und man achtet darauf, dass niemand zum Training kommt, der bereit ist, auch eine Verletzung zu riskieren. Für so einen Menschen, geschweige denn für einen minderjährigen Buben will man keine Verantwortung übernehmen. Man kennt sich auch landesweit unter den Trainingsgruppen.

In Brünn treffen sich manchmal bis zu 30 Leute zum Training. Der etwa acht- bis zehnköpfige Kern der Gruppe kommt jede Woche zum Update an verschiedenen Orten der Stadt zusammen. Zwei bis drei Stunden wird richtig trainiert, bis zur Erschöpfung. Das sei dann der richtige Moment, um aufzuhören und in eine Kneipe zu gehen. Aber nur zum Essen und dann ab nach Hause, denn eine durchzechte Nacht kostet viel Power!