Pavel Brázda – vergessener Outsider mit starkem Comeback

Quelle: Archiv von Pavel Brázda

Pavel Brázda gilt mittlerweile als einer der wichtigsten tschechischen Maler. Dabei war er während des Kommunismus praktisch in Vergessenheit geraten. Vor kurzem war jedoch im Prager Gemeindehaus eine große Ausstellung von ihm zu sehen. Unter dem Titel „Lidská komedie“, die menschliche Komödie, wurden über 330 Bilder Brázdas gezeigt. Im Folgenden ein Porträt des 87-jährigen Künstlers.

Pavel Brázda  (Foto: ČT24)
Pavel Brázda kommt 1926 in Brno / Brünn auf die Welt. Er ist Enkel von Helena Čapková, der Schwester der beiden berühmten Brüder Čapek. Brázda beginnt früh zu malen und begründet bereits 1943 im Alter von 17 Jahren seine eigene Kunstrichtung, den Hominismus. Allerdings endet seine künstlerische Karriere direkt wieder, denn ein Jahr später wird er aus der achten Klasse des Gymnasiums zur Zwangsarbeit als Holzfäller herangezogen. Nach dem Krieg schreibt er sich an der Universität Brünn für Kunstgeschichte und Philosophie ein, wechselt dann aber nach Prag, wo er 1946 die Hochschule für Kunstgewerbe besucht. Der Unterricht interessiert ihn aber nur wenig:

„Raucher in der Bar“  (Quelle: Archiv von Pavel Brázda)
„Dort wurde das Zeichnen von Köpfen unterrichtet, aber auf eine Art und Weise, die mich gar nicht interessiert hat. Ich habe da bereits viel gezeichnet, und konnte es eigentlich gut genug. Ich habe Menschen draußen gezeichnet, sehr detailliert und auf sehr sachliche Art, mit der ich mich aber im Widerspruch zu jenen Konventionen befand, die damals in der modernen Kunst vorherrschten. Dort bevorzugte man eine summarische Art der Zeichnung. Darum ging es mit aber nicht, ich wollte einen anderen Typ von Zeichnungen anfertigen. Diese Art der Zeichnungen, die dort gelehrt wurden, hat mir nichts gegeben, deswegen bin ich irgendwann nicht mehr zu den Kursen gegangen. Am Ende des Jahres wurde ich dann wegen mangelnden Interesses vom Studium ausgeschlossen.“

Brázda verfolgt weiter seinen eigenen Weg, auf eine traditionelle Ausbildung will er aber nicht verzichten. Er schreibt sich an der Akademie für bildende Kunst (AVU) ein. Dort lernt er im Jahr der kommunistischen Machtergreifung seine spätere Frau Věra Novotná kennen. Aber auch an der Akademie hat der junge Künstler keinen Erfolg, obwohl das Studium gut beginnt:

„Zwei Obdachlose“  (Quelle: Archiv von Pavel Brázda)
„Meine zukünftige Frau Věra und ich wurden beide für gute Schüler gehalten. Trotzdem wurden wir zu Beginn des Jahres 1949 bei einer politischen Überprüfung beide von der Akademie ausgeschlossen. Bei mir war es eine ganze Reihe von Gründen, alle mit politischem Charakter. Und Věra, mit der ich seit 1948 zusammenlebte, wurde nur ausgeschlossen, weil wir ein Paar waren.“

Für Brázda ist klar, was hinter dem Rauswurf von der Akademie steckte:

„Ich bin der Sohn des grünen Krokodils! Das war, auf eine bestimmte Weise, ein gelungenes Bild meines Vaters. Er war einerseits ein sehr wilder Anwalt, der Spitzname ‚Krokodil’ passt da schon. Und andererseits grün, weil grün damals die Farbe der Agrarpartei war.“

Der Maler erinnert sich noch, wie sein Vater bereits vor dem Umsturz von 1948 geschmäht wurde und wie der Spitzname Krokodil entstand:

„Tier und Tod“  (Quelle: Archiv von Pavel Brázda)
„Mein Vater war ein bekannter und radikaler Vertreter der Agrarpartei. Wenn die Sozialisten sich zu Demonstrationen auf der Straße oder zum Ersten Mai getroffen haben, sollen sie skandiert haben: ‚Tod dem grünen Krokodil’ und ‚Dr. Brázda möge platzen’. Und so kam er zu dem Namen ‚grünes Krokodil’.“

Die Agrarpartei als konservative Partei vertrat bereits in der Ersten Tschechoslowakischen Republik eine klare Haltung gegen Sozialisten und Kommunisten. Daher musste der junge Künstler unter der Parteimitgliedschaft seines Vaters leiden. Brázda aber blieb seiner Kunst treu und arbeitete weiter an seinen Zeichnungen und Bildern im selbst erfundenen Stil des Hominismus. Was genau das eigentlich ist, beschreibt er so:

„Einfach gesagt: Es geht um bildende Kunst, die für eine sehr breite Schicht von Menschen interessant sein sollte. Sie ist viel lebendiger und verbunden mit allen Wirklichkeiten der Gegenwart. Diese Kunst ist viel volksnäher als jene, die für eine exklusive Gesellschaft gedacht ist, sie ist viel verständlicher, gradliniger und stärker mit der tatsächlichen Welt verbunden.“

Lucie Šiklová  (Foto: ČT24)
Die Prager Kunsthistorikerin Lucie Šiklová versucht, den Hominismus einzuordnen:

„Hominismus ist Pavels Beitrag zu den bildenden ‚ismen’. Es ist eigentlich der zweite tschechische Beitrag nach dem Artifizialismus von Štyrský und Toyen. Pavel Brázda ist also ein Neuerer, und Hominismus ist eine Richtung, die mit dem Namen wiedergibt, dass man Kunst über Menschen für Menschen machen will. Und wenn wir seine Werke anschauen, erkennen wir, dass es tatsächlich Kunst über Menschen für Menschen ist.“

Brázda erreicht dies, indem er starke Farben verwendet und seine Figuren und Motive in einem comicartigen Stil malt. Heutzutage ist er in Tschechien recht bekannt, damals aber, nach seinem Ausschluss von der Akademie, malten der junge Künstler und seine Frau hauptsächlich für sich selbst. 1952 wurde ihnen zwar erlaubt, als bildende Künstler tätig zu sein. Da sie aber nicht Mitglied oder Kandidaten für den tschechoslowakischen Verband der bildenden Künstler waren, durften sie nicht ausstellen und erhielten keine staatlichen Aufträge. Erst kurz vor dem Prager Frühling konnte Brázda seine ersten Werke der Öffentlichkeit präsentieren:

„Über dem toten Mädchen“  (Quelle: Archiv von Pavel Brázda)
„Im Jahr 1967 wurde eine Schau von einigen Bildern erlaubt. Daran durften auch Leute teilnehmen, die nicht Mitglied im Verband waren, was eigentlich wichtig war, um ausstellen zu dürfen. Dort hatte ich drei Bilder - und eines wurde sogar in der damals etwas liberalisierten ‚Bildenden Kunst’, der zentralen Zeitschrift für die bildenden Künste, vorgestellt.“

Die Liberalisierung hielt aber bekanntermaßen nicht lange an. Geplante Ausstellungen des Paares wurden Anfang der 1970er wieder abgesagt, und 1977 musste Pavel Brázda eine Tätigkeit als Heizer antreten. Über zehn Jahre arbeitete er im Heizungskeller der 1. Prager Zahnklinik, allerdings fühlte er sich dort recht frei, wie er erklärt:

„Schritt mit einer Schlangenfrau“  (Quelle: Archiv von Pavel Brázda)
„Ich erinnere mich an diesen Keller als angenehmen Raum. Er war verhältnismäßig gut eingerichtet. Neben dem Raum, wo der Heizkessel und die Kohle waren, hatten wir ein Aufenthaltszimmer. Das war so etwas wie unser Freiraum. Wir hatten dort Sessel, einen Konferenztisch, einen Schreibtisch, ein Telefon und einen Kocher.“

Erst nach der Wende wird Brázdas Werk entdeckt. Im Jahr 1991 erhält er den Preis der Zeitschrift „Revolver Revue“, und in den folgenden Jahren werden zahlreiche Ausstellungen seiner Bilder organisiert. Seinen wirklichen Durchbruch hat er aber erst 2006, als die Prager Nationalgalerie eine Retrospektive seiner Bilder zeigt. Die Kunsthistorikerin Šiklová:

„Pavel Brázda einer künstlerischen Richtung zuzuordnen, ist schwer. Eigentlich wurde er eine ganze Zeitlang einfach für einen Outsider gehalten, also für einen Künstler, der außerhalb der Hauptströmung arbeitet. Ich persönlich würde allerdings weniger von einem Outsider sprechen, als viel mehr von einem Einzelgänger. Und diese Einsamkeit hat zu einer großen Originalität geführt.“

„Goldgier“  (Quelle: Archiv von Pavel Brázda)
Und den eigenen Weg hat sich Pavel Brázda bis heute bewahrt. Nach seiner großen Ausstellung 2006 hat er im Alter von 80 Jahren begonnen, den Umgang mit dem Computer zu erlernen, um seine Werke auch elektronisch erstellen zu können:

„Die Zeichnung ist für mich die Basis und die mache ich immer mit der Hand auf Papier. Diese Zeichnung scanne ich dann und bearbeite sie auf dem PC mit Farben. Grundsätzlich unterscheidet sich das nicht davon, wie ein Mensch ein Bild malt oder farbige Skizzen anfertigt. Es geht aber wesentlich schneller.“

Und nicht nur in der Geschwindigkeit sieht der Künstler Vorteile bei der Arbeit mit dem Computer:

„Ich kann die Dinge mehrfach ändern und viele Variationen einer Zeichnung schaffen - und das viel schneller als mit der Hand. Die künstlerischen Möglichkeiten sind unvergleichlich größer, und der Künstler kann es sich erlauben, viel freier, viel losgelöster zu arbeiten. Geht es sich nicht aus, dann löscht man es, aber bei mir klappt es erstaunlicherweise oft.“

In der Tat hat Brázda seit der Retrospektive 2006 zahlreiche weitere Ausstellungen gehabt sowie weitere Preise erhalten, unter anderem die Auszeichnung des tschechischen Staatspräsidenten für Verdienste im Bereich der Kunst.


Dieser Beitrag wurde am 16. Februar 2013 gesendet. Heute konnten Sie seine Wiederholung hören.