Pavel Pospíšil - tschechischem Sternekoch schmeckt böhmische Küche nicht
Pavel Pospíšil ist ein tschechischer Koch, der seit 40 Jahren in Deutschland lebt und mit seinem Restaurant dort seit fünfzehn Jahren einen Michelin-Stern hält. Am Dienstag war er zu Besuch in Prag, um dort einen Kochkurs für Fans der Haute Cuisine zu geben. Julia Angelov hat ihn besucht und sich mit ihm über die Geschichte, die Schwächen und die Zukunft der tschechischen Küche unterhalten.
„Ein guter Koch muss süchtig sein nach Kochen. Man muss die Lebensmittel lieben, man muss frische Ware lieben, man muss gut trinken können und man muss künstlerisch begabt sein. Aber das Wichtigste ist, dass der Beruf Spaß macht.“
In Deutschland gibt es jetzt wieder den Trend zum Kochen. Kann man das auch in Tschechien beobachten?
„Leider nicht. Im Moment passiert hier gar nichts. Was im Fernsehen zum Thema Kochen läuft, ist eine Katastrophe! Die kochen weiter ihre Würste und ihren Kartoffelsalat und mixen alles zusammen. Das ist keine Kultur! Wenn Sie in Deutschland den Fernseher anmachen, dann können Sie immer wieder einen Topkoch sehen, der erkärt, wie man es machen muss und der aus seinen Zutaten etwas zaubert. Das gibt es hier leider nicht und das ist das große Problem in Tschechien.“
Wie sieht es denn aus mit der Esskultur in Tschechien?
„Wie das aussieht? Schlecht! Die Generation, die aufgewachsen ist in Zeiten der Diktatur, die hatte kein Gemüse, kein Obst, kein richtiges Fleisch. Es gab nur Schweinebauch aus China. Und die Leute haben das Essen als Nahrungsaufnahme gesehen, um zu überleben. Das hatte nichts mit Kultur zu tun. Jetzt wird immerhin in Prag schon erstklassig gekocht. Aber die anderen Teile der Republik, zun denen muss das noch herüber schwappen.“
Trotzdem ist die Böhmische Küche doch auch im Ausland bekannt…„Da sage ich Ihnen: Die Böhmische Küche, die hier gekocht wird, ist wirklich das Minimum. Rinderbraten, Svíčková, Schweinebraten mit Knödeln und Kraut, Gulasch…. Eigentlich war die richtige Böhmische Küche in der Ersten Republik, das heißt 1918 bis 1938, eine sehr vielfältige Küche - genauso wie in Frankreich und Italien. Heute ist das alles kaputt und muss von unten wieder aufgebaut werden.“
Glauben Sie, dass es guten tschechischen Kochnachwuchs geben wird?
„Die gute Grundlage kann nur entstehen, wenn der Beruf Koch wieder populär gemacht wird. Und das geht nur mit Hilfe der Medien. Medien müssen diesen Beruf schmackhaft machen, müssen zeigen, was die Leute alles machen können. Die können die ganze Welt sehen! Ich sagé Ihnen, als ich in die Lehre gegangen bin, da waren Köche schon in der ganzen Welt Medienstars. Aber in Tschechien war der Koch das Letzte. Heute sieht das anders aus, aber ist trotzdem noch viel, viel Arbeit nötig.“
Wie läuft die heutige Koch-Akademie noch weiter ab?
„Wir kochen ein Fünf-Gänge-Menu und dann sollen die Teilnehmer das in aller Ruhe in einem Rutsch essen. Schön von der Vorspeise an alle fünf Gänge. Sie müssen das genießen, um zu sehen, was für eine Kultur das bedeutet. Und sie müssen auch sehen, wieviel Arbeit da drin steckt. Wenn sie dann in ein gutes Restaurant gehen und das Menu kostet dort 1000 Kronen, sollen sie nicht mehr sagen; ‚Oh, das ist aber teuer.’ Sie müssen sehen, warum das teuer ist: Weil das frische Ware ist, weil das viel Arbeit ist und sich das lohnt!“