Politisches Klima wird rauher - Akzeptanz in der Bevölkerung sinkt
Wie zufrieden ist die Bevölkerung mit der politischen Situation in Tschechien? Diese Frage hat das "Zentrum zur Analyse der öffentlichung Meinung" (CVVM) der Bevölkerung gestellt. Ende vergangener Woche kamen die Zahlen auf den Tisch. Christian Rühmkorf über die Ergebnisse und die Hintergründe.
Mit einem Wort: Nein! Im Gegenteil, die Stimmung - wenn ich das mal so sagen darf - nähert sich dem Nullpunkt. Und das auch in Prozenten. Magere sieben Prozent erklären sich noch zufrieden mit der politischen Situation in ihrem Land. Zum Vergleich: Vor den Wahlen im Juni des letzten Jahres waren es immerhin noch um die 17 Prozent, also insgesamt zehn Prozent mehr, die mit der politischen Situation noch einverstanden waren. Das war knapp jeder Sechste. Gefragt wurde die Bevölkerung ebenso nach ihrer Zufriedenheit mit den politischen Institutionen. Und da wird sehr schnell deutlich, dass die Volkvertreter in den Augen des Volkes keine gute Arbeit leisten und kein gutes Bild abgeben. Nur 23 Prozent sind mit der im Abgeordentenhaus geleisteten Arbeit zufrieden. Der Senat bringt es immerhin auf 27 Prozent und an der Spitze steht einsam der Präsident. Vaclav Klaus bekommt 72 Prozent Zustimmung. Im Mittelfeld rangieren im Ansehen der Bevölkerung die politischen Akteure der Gemeinden und Kreise.
Vor den Wahlen im Sommer sahen die Ergebnisse besser aus...
Natürlich, da liegt der Hase im Pfeffer. Die Wahlergebnisse mit ihrer hoffnungslosen Pattsituation haben entscheidend zum Sturzflug der öffentlichen Meinung beigetragen. Das endlose hitzige Hin und Her in den ohnehin schon heißen Sommermonaten hat die Geduld der Wähler einfach auf eine sehr harte Zerreißprobe gestellt. Acht Monate hat es gedauert, bis dieses Land eine mehrheitsfähige Regierung hatte. Und das Ergebnis kann sich immer noch nicht so recht sehen lassen. Vertrauen im Parlament hat die Regierung Topolanek nur, weil die sozialdemokratischen Abgeordneten Milos Melcak und Michal Pohanka bei der Abstimmung ins Regierungslager übergelaufen sind.Wenn auf diese Weise knappe Mehrheiten entstehen, dann trägt das auch nicht gerade zum besseren Ruf der Parlamentarier bei. Wie hat die Sozialdemokratie auf die "Deserteure" reagiert?
Deserteure - der Begriff trifft es schon recht genau. Man sprach und spricht von "Verrat". Gerade in den letzten Tagen sind Billboards aufgetaucht und zwar in Zlin und in Brno / Brünn, woher die beiden Abtrünnigen stammen. Diese Billboards sind als überdimensionale Todesanzeigen mit Foto gestaltet, mit folgendem Text. "Wir geben allen bekannt, dass uns nach langem hinterlistigen Zögern der Abgeordnete Milos Melcak verraten hat. Das letzte Geleit wurde am 19. Januar im Abgeordnetenhaus gegeben." Der Tag also, an dem der Regierung Topolanek das Vertrauen ausgesprochen wurde. Unterzeichnet haben das Plakat die "betrogenen Wähler". Das gleiche Billboard wurde Michal Pohanka gewidmet. Die Sozialdemokratie hat jede Urheberschaft für diese Plakate von sich gewiesen. Auch in den regionalen Parteizentralen. Und der Direktor der Werbe-Agentur "Outdoor Akzent", welche die Plakate aufgestellt hat, sagte, er sei vertraglich zum Schweigen verpflichtet.Solch ein öffentliches Austragen parteiinterner Streitigkeiten kommt bei den Wählern nicht sehr gut an. Aber auch die Spitze der Bürgerdemokraten in Person des Premiers Mirek Topolanek hat sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Am vergangenen Freitag hat er in Richtung Opposition seinen Mittelfinger in die Höhe gereckt. Sozialdemokraten und Kommunisten forderten eine Entschuldigung. Die kam dann auch prompt - diese Geste habe seinem Finanzminister Miroslav Kalousek gegolten. Das sei zwischen ihnen keine ungewöhnliche Form der Kommunikation. Alles in allem: Das Klima wird heißer - und das auch in der Politik.