Positiver IMF-Bericht zu Tschechien

Herzlich willkommen bei einer weiteren Ausgabe unserer Magazinsendung mit Themen aus Wirtschaft und Wissenschaft, am Mikrofon begrüssen Sie Marcela Pozarek und Rudi Hermann. Vom Internationalen Währungsfonds IWF wird in den nächsten Wochen noch verschiedentlich die Rede sein, und zwar im Zusammenhang mit der bevorstehenden Jahrestagung von IWF und Weltbank in Prag, einem Ereignis, das schon seit einiger Zeit seinen Schatten voraus wirft. Kommen wir heute auf diese Finanzinstitution zu sprechen, dann allerdings in einem anderen Zusammenhang. Denn der Internationale Währungsfonds hat in seiner jüngsten Studie zur tschechischen Wirtschaftsentwicklung dem Land nach mehreren mageren Jahren endlich wieder ein gutes Zeugnis geben können. Prognostizierten die Experten Tschechien ein anhaltendes Wachstum, das sich in den nächsten Jahren sogar beschleunigen sollte, so wiesen sie aber auch auf die Notwendigkeit weiterer Strukturreformen hin. Mit anderen Worten - sollte die Regierung auf den Lorbeeren ausruhen wollen, so wäre der Erfolg schnell dahin. Der Bericht ist Gegenstand unserer heutigen Sendung, zu der wir Ihnen guten Empfang wünschen.

Guter Anfang, gute Tendenz, aber noch einige Hausaufgaben zu erledigen - dies ist in Kürze das Wesentliche des jüngsten Berichts des Internationalen Währungsfonds zur tschechischen Wirtschaftsentwicklung. So kann die hiesige Ökonomie mit einem Wachstum von 2 bis 2.5 % in diesem Jahr rechnen, wobei sich die Zuwachsrate des Brutto-Inlandprodukts 2001 noch um rund ein Prozent steigern könnte. Der Exekutivrat des IWF bestätigte damit im Wesentlichen die Ergebnisse einer IWF-Mission, die Tschechien im Frühjahr besucht hatte. Der Rat hielt fest, dass eine Reihe Faktoren für ein Anhalten des Wachstums spreche: das bessere aussenwirtschaftliche Umfeld mit einer beständigen Konjunktur auf den EU-Märkten als Hauptabsatzgebiet des tschechischen Exports, eine gefestigte Position der tschechischen Exportwirtschaft im internationalen Konkurrenzkampf, tiefe Inflation und Inflationserwartung in Tschechien und Erfolge bei den Strukturreformen.

Lob erntete die sozialdemokratische Regierung von Ministerpräsident Zeman namentlich mit der forcierten Bankenprivatisierung, die von den liberal-konservativen Regierungen unter dem Bürgerlichen Vaclav Klaus allzu lange vernachlässigt worden sei. Neben der zu langsamen Grossbankenprivatisierung sieht der IWF die Gründe für die jetzt zu Ende gegangene dreijährige Rezession in Tschechien auch in weiteren Reformproblemen wie der Couponprivatisierung als Entstaatlichungsform, die das Kreditpotenzial der Banken allzu stark beansprucht und die Verfügbarkeit von Geld für andere unternehmerische Projekte eingeschränkt habe, sowie das starke Engagement der Banken über Investitionsfonds in der Couponprivatisierung, wodurch die Banken in einen Interessenkonflikt in ihren Rollen als Mitbesitzer und Kreditgeber von Unternehmen gekommen seien und damit die nötige Vorsicht bei der Kreditvergabe gelitten habe.

Da laut dem Bericht des IWF weiterhin mit einem starken ausländischen Kapitalzufluss nach Tschechien zu rechnen ist, was sich in einem Aufwertungsdruck auf die tschechische Krone auswirken wird, empfiehlt der Fonds den zuständigen tschechischen Behörden, namentlich der Nationalbank, die Situation unter Kontrolle zu halten und allenfalls auf den Devisenmärkten zu intervenieren. Der Internationale Währungsfonds hält jedoch fest, dass die Währungs- und Wechselkurspolitik vor dem Hintergrund der tiefen Inflation gut angesetzt sei und im Grundsatz bis zur Erreichung stabilerer Wachstumsgrundlagen erhalten bleiben sollte. Der Regierung wiederum empfiehlt der Fonds, mit steigendem Wirtschaftswachstum eine restriktivere Fiskalpolitik zu verfolgen, um die Staatsfinanzen längerfristig auszugleichen. Die starke Krone wird von einigen der IWF-Experten ferner für ein geeignetes Mittel angesehen, um die tschechischen Exportunternehmen unter stärkeren Druck zu Restrukturierung und Produktivitätssteigerung zu bringen. Denn eine starke Krone verteuert die tschechischen Ausfuhrartikel auf ausländischen Märkten und verringert damit die Gewinnmarge der Exportunternehmen. Diese geraten dadurch unter höheren Druck, ihre Arbeitsproduktivität und Effizienz zu steigern, was wiederum die Voraussetzung dafür ist, auch in schwierigeren Zeiten auf den anspruchsvollen Exportmärkten bestehen zu können.


Ist der Bericht des IWF hinsichtlich der erbrachten Leistungen überwiegend positiv, so enthält er allerdings auch Mahnungen, die noch ungelösten Hausaufgaben nicht zu vergessen. So betont der Internationale Währungsfonds die Notwendigkeit, die Restrukturierungsbemühungen auf Unternehmensebene fortzuführen, und erwartet in diesem Zusammenhang ein Ansteigen der Arbeitslosenrate auf rund 10.5 %. Prognosen tschechischer Experten sind etwas positiver und gehen davon aus, dass die Arbeitslosenrate die Grenze von 10% nicht übersteigen sollte, doch ist offensichtlich, dass mancherorts immer noch die Unternehmen mehr Belegschaft aufweisen, als für eine effiziente Arbeitsweise angezeigt wäre. Bei der Prognostizierung der Arbeitslosenrate besteht die Schwierigkeit darin, richtig abzuschätzen, wie sich die anziehende Wirtschaft auf das Arbeitsplatzangebot auswirkt, mit anderen Worten, ob das zunehmende Wirtschaftswachstum genügend Arbeitsplätze schaffen kann, um die Auswirkungen der Restrukturierungsmassnahmen auffangen oder wenigstens dämpfen zu können.

Als weiteres Feld, wo es Verbesserungen zu erzielen gilt, erachtet der IWF das rechtliche Umfeld der Wirtschaft namentlich im Bereich des Gläubigerschutzes. Auch das Sozialversicherungssystem ist gemäss dem Bericht zu reformieren. In diesem zentralen und politisch delikaten Gebiet der staatlichen Organisation sind allerdings Veränderungen nur mit einem breit abgestützten politischen Konsens zu erzielen, und ein solcher fehlt der Tschechischen Republik zurzeit. Wie bekannt, regiert die sozialdemokratische Minderheitsregierung mit stiller Duldung der Demokratischen Bürgerpartei ODS, hat allein aber nicht die Kraft, wichtige Vorlagen durchzusetzen. Gerade im Bereich des Sozialversicherungsmodells gehen die Vorstellungen von Sozialdemokraten und Bürgerlichen aber relativ weit auseinander, weshalb hier ein Durchbruch noch nicht abzusehen ist. Das von Arbeits- und Sozialminister Vladimir Spidla unlängst in den Grundzügen vorgestellte Modell für die Sozialversicherungsreform hat diesen Trend nur bestätigt.

Vorbehalte äusserte der IWF gegenüber einigen Passagen der Gesetzesnovelle zur Zentralbank. Diese Vorlage ist dabei ein Beispiel dafür, mit welcher Schlagkraft Sozialdemokraten und Bürgerliche zusammenarbeiten können, wenn sie im Rahmen des sogenannten Oppositionsvertrags ein gemeinsames Ziel anstreben. Das Problem beim Zentralbankgesetz liegt allerdings darin, dass beide Grossparteien auf mehr politischen Einfluss auf die Zentralbank hinsteuern und nicht etwa auf die Stärkung von deren Unabhängigkeit. Ein Schritt in diese Richtung ist etwa die Aufteilung des Nationalbankbudgets in eine Abteilung für Betrieb und Investitionen und eine Abteilung für die Erreichung des Arbeitsziels der Nationalbank, der Währungsstabilität. Der Betriebshaushalt soll in Zukunft nach den Vorstellungen von Sozialdemokraten und Bürgerlichen der parlamentarischen Genehmigung unterliegen, was Raum für politische Pressionen bietet. Der IWF-Bericht kritisiert im Einklang mit anderen Wirtschaftskommentatoren, diese Grenze sei fliessend und damit schwer zu ziehen. Der IWF bemängelt ferner die Gesetzesbestimmung, die Nationalbank müsse das Inflationsziel in Abstimmung mit der Regierung festlegen. Dies sei vage und unbestimmt, und vom Recht verlange man im Gegenteil, dass es eindeutig sei. In der Kritik dieser Punkte stimmt der IWF mit den Standpunkten der Europäischen Zentralbank und der Europäischen Union überein, die sich ebenfalls skeptisch gegenüber der Novellierung des Zentralbankgesetzes zeigten.

Autoren: Rudi Hermann , Marcela Pozarek
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