Präsident Václav Klaus - ein Jahr nach Amtsantritt
Fast auf den Tag genau ein Jahr ist nun Vaclav Klaus tschechischer Präsident. Das ist, wie wir meinen, Grund genug, um auf die vergangen zwölf Monate in einem Rückblick einzugehen. Zu einer neuen Ausgabe unserer Sendereihe Schauplatz begrüßen sie nun Daniel Satra und Robert Schuster.
Im Nachhinein lässt sich jedoch sagen, dass sich diese Befürchtungen nicht bewahrheiteten und Klaus sich auf innenpolitischem Terrain auffallend zurückhaltend gab. Der neue Präsident hat zwar insgesamt sechsmal von seinem Veto-Recht Gebrauch gemacht, lediglich in in zwei Fällen traf aber dieser Einspruch eine wichtige Regierungsvorlage. Umso stärker fallen jedoch die Aktivitäten des Staatschefs in außenpolitischen Belangen auf. Seine insgesamt 21 Auslandsreisen führten ihn insbesondere nach Amerika und in die wichtigsten europäischen Länder, einschließlich der unmittelbaren Nachbarn Tschechiens.
Lässt sich also anhand der vergangenen zwölf Monate bereits ein Ansatz erkennen, ob sich Präsident Klaus in erster Linie auf die Außenpolitik konzentrieren wird? Darüber unterhielten wir uns mit dem Politikwissenschaftler Zdenek Zboril von der Prager Karlsuniversität, der gleich auch einen wichtigen Vergleich zum Vorgänger von Vaclav Klaus, nämlich Vaclav Havel feststellt:
"Wenn es um die Außenpolitik geht, hat er vor allem die Reisen in die unterschiedlichsten Destinationen auf der ganzen Welt auf ein Minimum reduziert und konzentrierte sich mehr - vielleicht im Einklag mit seinem Naturell - auf Amerika und auf die europäischen Nachbarn. Das zweite Thema seines ersten Präsidentenjahres war die Europäische Union. Mir schien aber immer, wenn ich seine Reden zu Europa durchlas, dass es ihm eigentlich nie darum ging, seinen eigenen Standpunkt gegenüber der Europäischen Union zu formulieren, sondern vor allem die Unterschiede zwischen seiner eigenen Position und jener der klaren Befürworter einer stärkeren Integration, d.h. der Regierung, hervorzuheben. Ich denke, dass sich das bereits im Frühjahr vergangenen Jahres in Athen, während der Unterzeichnung der Beitrittsakte zeigte, wo ja Klaus bekannterweise in einen grundsätzlichen Streit mit Premier Spidla und insbesondere mit Außenminister Svoboda geriet. Eine ähnliche Verhaltensweise des Präsidenten ließ sich auch bei seinen übrigen außenpolitischen Wortmeldungen während des vergangenen Jahres feststellen."
Die unterschiedlichen Standpunkte von Regierung und Staatsoberhaupt zeigten sich bereits einige Wochen nach der Präsidentenwahl, als der Krieg gegen den Irak begann. Während die sozialdemokratisch geführte Regierung auch gegen den Widerstand aus eigenen Reihen sich auf die Seite der USA stellte und deren Vorgehen weitgehend unterstützte, war der traditionelle Amerika-Freund Klaus gegen den Krieg und fand sich dabei auf einer Linie nicht nur mit den Kommunisten, sondern auch der Mehrheit der tschechischen Bevölkerung. Kein Wunder also, dass Klaus seit einigen Wochen beliebtester Politiker des Landes ist und sich auf eine Zustimmungsrate von knapp 70 Prozent stützen kann.
Aber zurück zum Thema Europäische Union. Im Mittelpunkt der präsidentiellen Wortmeldungen zum tschechischen EU-Beitritt stand die Frage des damit eng zusammenhängenden partiellen Souverenitätsverlusts. Diese Frage wurde in der öffentlichen Debatte bis dahin eigentlich nur am Rande erwähnt und thematisiert. In einigen Zeitungsinterviews, die kurz vor dem Beitrittsreferendum erschienen sind, meinte der Präsident gar, die Tschechen würden viel zu früh die erst 1989 wiedererlangte Möglichkeit das Leben in ihrem Land selber zu bestimmen wieder aus der Hand geben.
Hat Klaus auch mit dieser und ähnlichen Aussagen die Seele des Volkes getroffen? Ist der Souverenitätsbegriff dem tschechischen Normalbürger überhaupt vermittelbar und ist er für ihn relevant? Hören Sie dazu die Einschätzung des Politikwissenschaftlers Zdenek Zborils:
"Das ist möglich. Klaus agiert in solchen Fällen sehr vorsichtig. Er spricht immer wieder vom Verlust der formellen Souverenität, ohne aber diesen Begriff klar zu umreißen, oder den Unterschied zwischen einer formellen und einer informellen Souverenität zu erklären. Ich denke aber schon, dass diese Position eines Wächters über die Souverenität ihm die Möglichkeit eröffnet stärker auf seine Mitbürger einzuwirken und somit bei ihnen punkten zu können, denn natürlich fürchten sich viele davor die einstige Kontrolle von Seiten Moskaus könnte durch eine Brüsseler ersetzt werden. Aber eben deshalb, weil es keine allgemein geltende Definition des Souverenitätsbegriffs gibt, sind diese Ängste umso stärker. Klaus scheint sich dessen bewusst zu sein, dosiert seine Standpunkte auch ganz genau, so dass dann im Endeffekt der Eindruck entsteht, Klaus würde die Meinung der gewöhnlichen Menschen wiedergeben, und das ist sicher ein gutes Mittel, um sich beliebt zu machen."
In den vergangenen Wochen deutete Klaus an, dass er künftig auch stärker darüber wachen wolle, welche Verträge Tschechien mit anderen Staaten abschließt, und ob sie für das Land immer von Vorteil seien würden. Der Anlass dafür war die Kritik des Präsidenten am Staatsvertrag zwischen Tschechien und dem Heiligen Stuhl, der u.a. auch die Rolle der katholischen Kirche im mehrheitlich atheistischen Tschechien festlegen sollte. Nach Ansicht des Präsidenten wäre der katholischen Kirche durch diesen Vertrag eine Sonderstellung von Seiten des Staates zugebilligt geworden, was jedoch nicht akzeptabel sei.
Klaus hat sogar angedroht, er wolle künftig von seinem Recht Gebrauch machen anstelle des Außenministeriums eine andere Institution mit den Verhandlungen zu beauftragen. Wie ist diese Ankündigung des Präsidenten zu bewerten?
"Das ist eigentlich der erster Versuch von Vaclav Klaus im außenpolitischen Bereich eigene Akzente zu setzen. Er hat in den vergangenen Monaten sorgsam und vorsichtig geprüft, welche Möglichkeiten ihm das Amt gibt und hat dabei einige potentielle Betätigungsfelder ausfindig machen können, wie z.B. das Signieren von Staatsverträgen, bzw. die Feststellung, dass er hierbei die letzte Instanz ist. Interessant ist, dass Klaus sich gerade den Vertrag Tschechiens mit dem Vatikan aussuchte, um seinen neuen Einflussbereich zu testen. Wahrscheinlich dachte er, dass der mögliche Schaden gerade bei diesem Vertrag relativ gering sein würde, da ja die Beziehungen zum Heiligen Stuhl seit Jahrzehnten angespannt sind. Aber auf der anderen Seite wäre es wieder falsch Klaus Unwissenheit oder Unerfahrenheit vorwerfen zu wollen, denn schließlich hat er als Regierungschef zwei wichtige außenpolitische Dokumente zu verantworten, nämlich die Tschechisch-deutsche Deklaration und den Assoziierungsvertrag mit der EU. Er hat also jetzt die Gelegenheit gesehen seinen langfristigen außenpolitischen Standpunkt zu konkretisieren."
Klaus konnte, so Zboril weiter, mit dieser Position in der konkreten Frage des Vertrags mit dem Vatikan, bereits einen wichtigen Teilerfolg verbuchen. So habe nämlich Außenminister Cyril Svoboda den Vertragstext bis aufs weitere aufs Eis gelegt, und somit wird wohl in absehbare Zeit den Vertrag ebensowenig den Parlamentsabgeordneten zur Abstimmung vorlegt.
Abschließend hören Sie zu diesem Thema noch einmal die Meinung des Politikwissenschaftlers Zdenek Zboril:
"Ich denke, dass von Seiten des Präsidenten das als Zeichen gewertet werden kann, dass er sich künftig zu diesen Fragen stärker äußern wird, denn bisher war das fast ausschließlich ein Feld für das Außenministerium. Auch der Vorgänger von Klaus, Vaclav Havel, hatte Konflikte mit der Regierung, aber er wurde ignoriert, weil er im Gegensatz zu Klaus nicht die Autorität seines Amtes bei der Festlegung der Außenpolitik des Landes ins Spiel brachte."