Praesidentenwahl - Das große Fragezeichen über der Prager Burg
Verehrte Hörerinnen und Hörer, auch heute haben wir von Radio Prag für Sie unsere regelmäßige Mediensendung vorbereitet. Am Mikrophon einer weiteren Folge von Im Spiegel der Medien begrüßt Sie diesmal Robert Schuster.
Das Hauptaugenmerk vieler richtete sich dabei insbesondere auf die größte Regierungspartei des Landes, die Sozialdemokraten. Wegen des stark unterschiedlichen Abstimmungsverhaltens ihrer Abgeordneten und Senatoren genau vor einer Woche, war in vielen tschechischen Medien seither von einer möglichen Spaltung der traditionsreichen tschechischen Sozialdemokratie die Rede. Eine Gefahr, die nun zumindest vorübergehend gebannt zu sein scheint, oder doch nicht? Wie ist die Einschätzung von Petr Fischer, dem Chefkommentator der tschechischen Tageszeitung Lidove noviny, mit dem wir kurz vor der Sendung sprachen. Droht seiner Meinung nach der Sozialdemokratischen Partei ein Auseinanderbrechen in verschiedene Gruppen und Fraktionen?
Eine weitere Frage, die in den tschechischen Medien oft erörtert wurde, waren die möglichen Auswirkungen des ersten Wahlgangs auf den Zusammenhalt der gegenwärtigen Drei-Parteien-Koalition. Immerhin hatten die Sozialdemokraten nicht nur ihren eigenen Bewerber durchfallen lassen, sondern mit Petr Pithart auch den Kandidaten ihres wichtigsten Koalitionspartners, der Christdemokraten. Ist da also aus der inneren Krise einer Regierungspartei eine Krise der ganzen Koalition geworden? Petr Fischer meint dazu im folgenden:
Besonders starke Beachtung fand natürlich der Umstand, dass mit Vaclav Klaus und Milos Zeman als Kandidaten für den zweiten Wahlgang sich jene beiden Politiker gegenüberstehen, die zwar einerseits als Regierungschefs der Jahre 1992-2002 maßgeblich die tschechische Politik prägten, auf der anderen Seite aber auch eine oft festgestellte Verrohung der Sitten im politischen Geschäft des Landes mit zu verantworten hatten. Mit der Wahl eines dieser beiden Bewerber gäbe es somit längerfristig keine Aussicht auf eine mögliche Besserung. In diese Kerbe schlägt etwa der Kommentar von Jakub Zytek, der in der Internet-Zeitung Britské listy erschienen ist:"Milos Zeman und Vaclav Klaus glauben wohl, sie könnten ewig in der Politik verbleiben. Die kommende Abstimmung über den künftigen Präsidenten wird entscheiden, wer von den beiden den längeren Atem hat. Es wird ein Zweikampf der Eitelkeiten sein. Wenn beide Politiker Fußballclubs besitzen würden, und nun deren Teams gegeneinander antreten ließen, würde mir das gefallen. Die Wirklichkeit ist leider viel ernster, denn im Zweikampf Klaus-Zeman geht es um die Person des künftigen Präsidenten."
Obwohl die Kommentatoren der tschechischen Zeitungen auf verschiedene Aspekte der Präsidentenwahl eingingen, ließen sich ihre Beiträge dennoch auf einen gemeinsamem Nenner bringen: Hätten sich die Abgeordneten und Senatoren im vergangenen Sommer und Herbst mehr angestrengt, hätten sie es noch geschafft, rechtzeitig eine Direktwahl des Präsidenten einzuführen. Diese würde, so der Grundtenor, wenigstens zu klaren Ergebnissen, spätestens nach der zweiten Runde führen. Da dies jedoch nicht gelungen sei, müssten nun die Wähler völlig machtlos ein unwürdiges Ringen um jede Parlamentarierstimme hinnehmen. Völlig am Wählerwillen vorbei könnte es dann zu der einen oder anderen bösen Überraschung führen, wie etwa Martin Komarek in der auflagenstarken Tageszeitung Mlada fronta Dnes erläuterte. Sein Kommentar trägt den Titel "Die Stunde des Zählens":
"In der nervösen Atmosphäre der Präsidentenwahl, kann alles passieren. Die Abgeordneten haben aber große Angst, die Verfassung zu ändern und eine Direktwahl des Präsidenten einzuführen, obwohl sie davon in der letzten Zeit immer häufiger reden. Sie wollen die Macht, die sie für kurze Zeit besitzen, nicht aus den Händen geben und so könnte es durchaus vorkommen, dass sie entweder Klaus oder Zeman wählen, nur damit sie das Ganze vom Hals haben."
Egal, wer letztlich als künftiger Präsident in die Prager Burg einziehen wird: Einen großen Gewinner - und auch da sind sich die Kommentatoren weitgehend einig - gibt es bereits jetzt: die tschechischen Kommunisten. Sie werden gegenwärtig von allen umworben, es werden ihnen offen Posten in der Staatsverwaltung versprochen - ist das ein Vorspiel für eine baldige Regierungsbeteiligung der Kommunistischen Partei? Das war unsere letzte Frage an Petr Fischer von Lidové noviny.
Liebe Hörerinnen und Hörer, soweit unser heutiger Medienspiegel. Für Ihre Aufmerksamkeit bedankt und auf ein Wiederhören in einer Woche freut sich Robert Schuster.