Präsidentenwahl: kein Favorit im Parlament / größte Chancen bei einer Direktwahl hätte nach jüngsten Umfragen Vaclav Klaus
Eine gute Woche, bevor beide Parlamentskammern in einer gemeinsamen Sitzung den ersten Versuch unternehmen, einen Nachfolger für den aus dem Amt scheidenden Präsidenten Vaclav Havel zu wählen, rückt die Möglichkeit einer anschließenden Direktwahl durch das Volk immer mehr in den Blickpunkt. Silja Schultheis berichtet.
Bures hatte zudem in den vergangenen Tagen durch seine hilflos wirkenden Versuche, sich positiv in Szene zu setzen, für Schlagzeilen gesorgt. Vielfach für seine Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei bis zum Jahr 1989 kritisiert, hatte er sich nach Angaben der Zeitung Mlada fronta dnes damit gebrüstet, sich vor der Samtenen Revolution als Anwalt für ein ehemaliges Mitglied der Dissidentenbewegung Charta 77 eingesetzt zu haben, sich dabei jedoch in zahlreiche Widersprüche verwickelt. Veranlasst sah sich der sozialdemokratische Kandidat zu dieser Aussage möglicherweise durch die häufige Kritik an seiner politischen Vergangenheit. Bures war bis zum Jahr 1989 Mitglied der Kommunistischen Partei gewesen.
Laut einer Meinungsumfrage vertritt über ein Drittel der Tschechen die Auffassung, dass ein Präsident, der früher Mitglied in der Kommunistischen Partei war, sein Amt weniger gut bekleiden könnte als andere Kandidaten. Fast genauso groß ist auch die Zahl derjenigen, die umgekehrter Meinung sind.
Laut jüngsten Umfragen hätte bei einer Direktwahl des Präsidenten durch das Volk die mit Abstand größten Chancen der Gründungsvater und langjährige Vorsitzende der ODS, Vaclav Klaus, der politischer Gegenspieler Nr. 1 von Amtsinhaber Vaclav Havel. Am schlechtesten schneidet in der Gunst des Volkes der kommunistische Kandidat Miroslav Krizenecky ab.
Damit es jedoch zu einer Direktwahl durch das Volk kommen kann, wie sie sowohl von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung als auch der Politiker gewünscht wird, muss jedoch zunächst eine Verfassungsänderung her.
Die Abgeordnete und frühere Vorsitzende der liberalen Freiheitsunion Hana Marvanova hat bereits einen Vorschlag für eine entsprechende Novelle vorbereitet. In den Blickpunkt dürfte sie geraten, wenn das Parlament am 15. Januar in drei Wahlgängen keinen Nachfolger für Vaclav Havel wählt.