Präsidentenwahlkampf füllt Seiten – außerdem: die Gratis-Wirtschaftszeitung „E 15“
Traditionell steht die Übersicht der wichtigsten Themen, mit denen sich die tschechische Presse befasst hat, am Anfang der Mediensendung von Radio Prag – also auch heute. Zudem stellen wir eine neue tschechische Gratis-Zeitung vor: das Wirtschaftsblatt „E 15“.
Da es nur zwei Bewerber gibt, stellen die Medien die Präsidentenwahl natürlich als Duell zweier Persönlichkeiten dar – des Amtsinhabers Václav Klaus und seines Herausforderers Jan Švejnar. Dabei sind sich bei genauerem Hinsehen beide Bewerber vielleicht ähnlicher, als manche Mediendarstellungen glauben machen.
Am meisten Raum bekommt die Präsidentenwahl in der „Mladá fronta Dnes“, der größten unter den seriösen tschechischen Tageszeitungen. Dieses Blatt hat in der Vergangenheit mehrfach eine leichte Präferenz für Amtsinhaber Václav Klaus erkennen lassen und geht von seiner Wiederwahl aus. Auf der dritten Seite der „Mladá fronta Dnes“ fand sich zum Beispiel in der abgelaufenen Woche eine Übersicht, wie Klaus in den vergangenen fünf Jahren seinen Amtssitz, also die Prager Burg, verändert hat.Ein Thema, das bei dieser Präsidentenwahl ebenfalls nicht ganz unwichtig sein wird, ist die amerikanische Staatsbürgerschaft des zweiten Bewerbers um das Präsidentenamt, Jan Švejnar. Der Zeitung „Lidové noviny“ gelang es dabei, dem Kandidaten die Aussage zu entlocken, dass für ihn der Verlust der US-Staatsbürgerschaft ein schmerzhaft wäre.
Wiederholt haben wir uns in der einen oder anderen Ausgabe unseres Medienspiegels mit dem Phänomen der so genannten Gratis-Zeitungen auseinandergesetzt, die in den vergangenen Jahren – insbesondere in Prag – jeden Morgen ihren Weg zu den Lesern finden. Den Anfang machte vor rund zehn Jahren „Metro“, von einem weltweit agierenden schwedischen Verlag auf den Markt gebracht. Erst einige Jahre später kamen zwei weitere Titel dazu: Das Blatt „24 Hodin“ (deutsch: 24 Stunden), das vom Schweizer Ringier-Konzern herausgegeben wird, und kurz danach noch „Metropolitní Expres“, das zum Mafra-Konzern gehört und somit einen deutschen Eigentümer hat.
In den letzten Wochen kam es im Bereich der tschechischen Gratiszeitungen zu zwei unterschiedlichen Entwicklungen. Zum einen kaufte der Mafra-Konzern „Metro“ auf, was Experten als Beginn eines Konzentrationsprozesses sehen. Zum anderen kam Ende November eine neue Gratis-Zeitung hinzu: Die Zeitung „E 15“, die sich auf die Wirtschaftsberichterstattung konzentrieren will.
Über die Idee, die dahinter steckt, die potentiellen Leser von „E 15“ und auch die Unterschiede zu anderen Zeitungen äußert sich im Folgenden der Chefredakteur des Blattes, Tomáš Skřivánek. Wer ist also der typische Leser der neuen Gratis-Zeitung „E 15“?
"Vereinfacht lässt sich sagen, dass unser typischer Leser in mittlerer oder höherer Position tätig ist und in einem der zahlreichen Büro-Center in Prag arbeitet. Meistens ist das ein jüngerer Mensch mit höherer Bildung, der den Weg ins Büro nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegt, sondern oft mit dem eigenen Auto."
Hat die relativ spezifische Leserschaft auch Einfluss auf den Inhalt und die Themen der Wirtschaftszeitung "E 15"? Tomáš Skřivánek:
"Wir sind eine Tageszeitung, die eine klare Zielgruppe hat - ich denke sogar, dass wir unter den tschechischen Zeitungen die elitärste Zielgruppe haben. Und zwar paradoxerweise, obwohl die Zeitung nichts kostet und es sie gratis gibt. Die klare Vorstellung von unserer Zielgruppe erlaubt es uns aber auch, die Informationen, die wir bringen, maximal den Anforderungen und Erwartungen unserer Leser anzupassen. Wir müssen unsere Aufmerksamkeit also nicht mit Verbraucherthemen vergeuden, mit Fernsehprogrammen, Kreuzworträtseln oder auch populären Lifestyle-Themen, die mehr oder weniger in den anderen Zeitungen zu finden sind. Wir kennen unsere Leser und müssen nicht versuchen andere Leser ans Land zu ziehen. Wir wollen eben eine gute Zeitung für unsere Zielgruppe machen."
Die neue Gratiszeitung hat mit „E 15“ einen nicht uninteressanten Namen? Wo kommt er her, und was versteckt sich dahinter? Dazu „E 15“-Chefredakteur Tomáš Skřivánek:
"Wir erklären den Namen unserer Zeitung schon im Untertitel, und zwar steht 15 für 15 Minuten für Wirtschaft und Geschäft. Das soll nicht bedeuten, dass von den Lesern verlangt wird, die ganze Zeitung binnen 15 Minuten durchzulesen, aber innerhalb einer Viertelstunde sollte man zumindest eine Übersicht bekommen über die wichtigsten Nachrichten des Tages im Bereich von Wirtschaft und Politik."
Die neue Gratiszeitung „E 15“ ist nicht die einzige Wirtschaftszeitung auf dem tschechischen Markt. Schon seit Jahrzehnten erscheint die „Hospodářské noviny“, die bis zu Gründung von „E 15“ praktisch keine direkte Konkurrenz hatte. Die „Hospodářské noviny“ erscheint im Prager Economia-Verlag, der zur deutschen Handelsblatt-Gruppe gehört. Worin soll sich „E 15“ nun von der „Hospodářské noviny“ unterscheiden?
"Wir sind sicherlich anders, was das Format angeht, und wollen auch anders sein in Bezug auf die Verarbeitung und die Präsentation von Informationen. Wir denken nämlich, dass es keinen Sinn macht, ganze Zeitungsseiten mit Grafiken der aktuellen Börsenkurse zu füllen, weil zu unserer Zielgruppe Menschen gehören, die praktisch den ganzen Tag am Internet sitzen und deshalb tagsüber ausreichend mit solchen und vergleichbaren Nachrichten versorgt sind. Was aber die Leser erwarten, sind Hintergrundberichte, Analysen, eventuell auch Prognosen für den kommenden Tag, nicht aber Themen, die gestern vielleicht aktuell waren. Und eben mit unserem Schwerpunkt auf Analysen, eigene Themen und nicht mit der Darstellung von längst Vergangenem versuchen wir anders zu sein", so Tomáš Skřivánek.
Wirtschaftsmedien richten sich an eine relativ spezifische Lesergruppe. Besteht daher ein direkter oder indirekter Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Lage des Landes und dem Erfolg dieser Medien? Dazu abschließend noch einmal die Einschätzung von Tomáš Skřivánek, dem Chefredakteur der neuen tschechischen Gratis-Zeitung „E 15“:
"Diesen Zusammenhang gibt es ganz bestimmt. Bei Wirtschaftsmedien stimmt es, dass ihre Auflage und auch die Leserzahlen wirklich davon abhängen, wie es dem Land wirtschaftlich geht, wie viele Menschen über freie Geldmittel verfügen. Diese Zusammenhänge lassen sich auch gut anhand des Beispiels anderer Länder sehen. In Bulgarien etwa, dessen Markt sich von der Größe her nur wenig vom tschechischen unterscheidet, erreicht aber die Auflage bei Wirtschaftszeitungen nur ein Fünftel der Auflage in Tschechien. Der Grund dafür ist, dass in Bulgarien diese Zeitungen nur von Firmen in einigen Exemplaren bezogen werden und solchen Zeitungen praktisch private Leser fehlen. In Tschechien gibt es solche Leser, weil sie interessiert sind zu wissen, wo und wie sie ihr Geld investieren sollen, und auch Interesse an Nachrichten aus der Welt der Wirtschaft haben."