Prag blickt nach Paris: Angst vor europäischem Flächenbrand?

Frankreich (Foto: CTK)
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Kann das auch bei uns passieren? Diese Frage stellen sich gegenwärtig Menschen aus allen europäischen Staaten, wenn sie auf die regelmäßigen nächtlichen Ausschreitungen in Frankreich blicken. Die Antworten sind unterschiedlich. Denn auch wenn Europa klein ist, und die politische Integration des Kontinents schon recht weit fortgeschritten erscheint - die sozialen Strukturen sind dann oft doch kaum miteinander zu vergleichen. Darüber, wie die Lage in Tschechien eingeschätzt wird, berichtet Gerald Schubert:

Frankreich  (Foto: CTK)
Prag hat seine trostlosen Außenbezirke, seine Plattenbausiedlungen, seine sozialen Randgruppen. Und doch ist Prag nicht Paris. Während etwa die Banlieues der französischen Metropolen als Brutstätte von Kriminalität und sozialen Unruhen gelten, hält sich in Prag trotzig die Meinung, dass die "Platte" besser ist als ihr Ruf. Abgesehen davon gibt es in Tschechien kaum ethnisch motivierte Konflikte. Das Land war in der Zeit der kommunistischen Diktatur nach außen hin relativ abgeschottet. Neue Einwanderung findet zwar statt, aber nur in recht begrenztem Ausmaß.

Hana Halova  (Foto: Autor)
Für die zwölf offiziell anerkannten Minderheiten will die Prager Stadtverwaltung nun ein eigenes Haus der Begegnung einrichten, sagt Hana Halova, die für Minderheitenfragen zuständige Stadträtin:

"Es soll ein multikulturelles Zentrum für die hier lebenden nationalen Minderheiten sein. Jede soll dort ein paar Büros bekommen, und es soll auch gemeinsame Räumlichkeiten geben. Etwa einen Ausstellungssaal oder ein kleines Cafe, wo sich die einzelnen Minderheiten untereinander treffen, wo aber auch die anderen Bürger Prags hinkommen können, um zu sehen, wie sich die Minderheiten hier präsentieren."

Die größte Minderheit bilden mit etwa 25.000 Angehörigen die Slowaken. Noch vor 13 Jahren haben fast alle Slowaken mit den Tschechen in einem gemeinsamen Staat gelebt, die soziale Sprengkraft ist hier also gleich null. Die Minderheit der Roma wird auf fast genauso groß geschätzt. Doch auch wenn es gelegentlich nationalistische Übergriffe auf Roma und laut hörbare Vorurteile seitens der tschechischen Mehrheitsgesellschaft gibt, so scheint auch hier kein Konfliktherd zu bestehen, der einen Flächenbrand auslösen könnte. Der stellvertretende Prager Oberbürgermeister Petr Hulinsky brachte es auf den Punkt: "Meiner Meinung nach drohen hier keine Unruhen, die von Minderheiten oder Zuwanderern ausgelöst werden", sagte er gegenüber der Tageszeitung Pravo.

In Krawallen wie jenen in Frankreich schlagen sich außerdem vor allem soziale Konflikte nieder. Abseits von den üblichen und oft emotionsgeladenen Fragen nach Erfolg oder Misserfolg multikultureller Gesellschaften lässt sich hierzulande konstatieren: Laut einem Bericht von EUROSTAT sind in Tschechien nur acht Prozent der Menschen armutsgefährdet. Das ist der beste Wert in der gesamten EU.