Prag honigsüß: Bienen erobern den Großstadtdschungel

Augustin Uváčik (Foto: Ondřej Ševčík, Archiv des Tschechischen Rundfunks)

Es summt und brummt kräftig über Prag. Immer mehr Imker setzen nämlich ihre Bienenstöcke auf die Dächer der tschechischen Hauptstadt. Und der Honig der Bienen aus der Millionenmetropole ist manchmal sogar interessanter als der von Wald und Wiese.

Augustin Uváčik  (Foto: Ondřej Ševčík,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
In diesem Sommer summt es auf dem Dach des Rudolfinums, also dem Gebäude der Tschechischen Philharmonie mitten im Stadtzentrum Prags, als ob man sich auf einer Wiese irgendwo in Südböhmen befinden würde.

„Der Honig in den Bienenstöcken hier sei schon reif zum Abschöpfen“, meint Augustin Uváčík, während er den Deckel von einem der fünf Bienenstöcke abnimmt. Er ist Imker und betreut einige der Bienenvölker auf den Dächern der tschechischen Hauptstadt. Die Bienenstöcke auf der Philharmonie seien relativ neu, würden aber prächtig gedeihen, wie der Uváčík bestätigt:

„Die Völker hier sind schon nicht mehr ganz so klein, immerhin stehen sie schon einen Monat auf dem Rudolfinum. Die Innenstadtlage ist gut für die Bienen, und es werden immer mehr.“

Foto: Kristýna Maková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag
Auf den ersten Blick kann man sich kaum vorstellen, dass die Insekten in der Betonwüste der Prager Innenstadt überhaupt satt werden. Tatsächlich ist aber das Gegenteil der Fall. Die Bienenvölker in den Städten produzieren sogar rund zehn Prozent mehr Honig, als ihre summenden Kollegen in der freien Natur. Wie kommt das?

„Eigentlich ist gerade das das Wunderbare an den Bienen. Wir wissen nicht ganz genau, welche Pflanzen sie anfliegen. Gerade blühen die Linden und andere Sommerpflanzen. Prag ist deshalb so gut für die Bienenvölker, weil es hier auch viele exotische Pflanzen gibt – ob nun Bäume, Büsche oder Blumen, einjährige oder mehrjährige Gewächse. Die Tiere kommen dann mit allen möglichen Pollen heim – von gelben über orangenen und roten bis hin zu blauen Pollen vom Büschelschön.“

Das sei im Gegensatz zu den eintönigen Rapsfeldern auf dem Land oft wie ein Schlaraffenland für die fleißigen Sechsbeiner, meint Augustin Uváčík.

Schlechte Luft macht schlechten Honig? Ganz im Gegenteil!

Foto: Kristýna Maková,  Radio Prague International
Zu den Hauptverkehrszeiten fällt es selbst so manchem alteingesessenen Prager schwer, nach Luft zu schnappen. Und die ist tatsächlich nicht sonderlich gut in der Hauptstadt, davon zeugen unter anderem die schwarzen Fassaden entlang der sogenannten Magistralen, also der Prager Stadtautobahnen. Ist das kein Problem für die Bienen? Und vor allem: Hat das keinen Einfluss auf die Qualität des Honigs? Überhaupt nicht, meint der Stadtimker Augustin Uváčík. Der Honig von Stadtbienen unterscheidet sich nicht im Geringsten von dem ihrer Kolleginnen im Wald oder auf den Wiesen:

„Das liegt unter anderem daran, dass die Biene ganz genau aussucht, auf welche Nahrung und auf welchen Nektar sie fliegt. Die Biene erkennt zudem sehr gut, welche chemischen Bestandteile ihre Nahrung hat, also wie nahrhaft und ergiebig der Blütensaft jeweils ist. Wenn sie also irgendwo Gift riechen würde, dann würde die Biene die betreffende Blüte gar nicht erst ansteuern. Die Tiere können da schon sehr gut unterscheiden.“

Varrooase  (Foto: Wangsberg,  CC BY-SA 3.0)
Viel gefährlicher sei da ein anderer Feind der Biene, der aber auch den Tieren auf dem weiten Land zu schaffen machen würde, so Uváčík. Und zwar die berüchtigte Varroa-Milbe. Die sogenannte Varrooase, also der Befall mit dem asiatischen Parasiten, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit für das derzeit weltweite Bienensterben verantwortlich.

Honig, Symbolik und viel Neugier

Wie kommt man aber auf die Idee, sich Bienenstöcke aufs Dach zu stellen? Im Falle des Rudolfinums hatte das sehr viel mit Symbolik zu tun und dem ursprünglichen Auftraggeber des Prachtbaus. Das erklärt Lucie Maňourová von der Tschechischen Philharmonie:

Rudolfinum  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
„Das Rudolfinum wurde vor 130 Jahren erbaut, Bauherr war damals die Tschechische Sparkasse. Diese hat dem Bau damals ihren Stempel aufgedrückt, und zwar mit ihrem Firmen- und Markenzeichen: einer Biene. Sie ist das Symbol für die ganzen Kleinsparer, die ihr Geld in der Sparkasse zusammengetragen haben. So haben wir dann auch unsere Kräfte mit der Sparkasse gebündelt und haben gemeinsam die Bienen auf dem Dach des Rudolfinums finanziert.“

Billig ist die Bienenhaltung auf den Dächern der Stadt nämlich nicht. Das liegt vor allem an der Logistik, denn jede noch so kleine Dachkolonie braucht ihre eigene Honigschleuder und muss alle nötigen Utensilien vor Ort haben. Die Bienenstöcke oder die einzelnen Waben lassen sich nämlich nicht so einfach durch die halbe Stadt transportieren. Der Aufwand lohnt sich aber spätestens, wenn der Honig erst einmal auf dem Brot ist. Und für den süßen goldenen Bienennektar vom Rudolfinum gibt es auch schon Pläne:

Illustrationsfoto: Public Domain
„Die Tschechische Philharmonie wird den Honig hauptsächlich verschenken. Probieren kann man ihn aber auch in unserem Hauscafé, dort wird er ganz normal zum Tee angeboten.“

Vor allem auf den Dächern von staatlichen Institutionen finden sich derzeit Bienenstöcke. Außer auf dem Rudolfinum stehen sie zum Beispiel auf dem Nationaltheater oder dem staatlichen Veterinäramt. Aber auch für ganz normale Bürger ist eine Bienenkolonie nicht unattraktiv. Martin Kroch ist Vorsitzender einer Wohngenossenschaft in einer Prager Plattenbausiedlung. Und er ist begeistert von seinen neuen Untermietern:

„Eigentlich war alles ganz einfach. Augustin Uváčík hat sich ganz alleine um alles gekümmert, wir haben lediglich den ganzen Aufwand bezahlt. Die Kosten für die Kolonie und die Arbeit erscheinen mir dabei jedoch vollkommen angemessen. Außerdem habe ich als Bienen-Laie viel gelernt. Ich bin natürlich mit dem Profi Uváčík hinaufgegangen zu unseren Bienen und habe mir alles angeschaut. Glücklicherweise bin ich dabei nicht gestochen worden.“

Keine Angst vor den kleinen Tieren!

Foto: Kristýna Maková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag
Apropos Bienenstiche: wie leben denn die Immen und Städter überhaupt zusammen? Und was tut man als Imker gegen die Angst der Menschen vor dem gelb-schwarzen Stacheltier? Auf dem Rudolfinum zum Beispiel hat Augustin Uváčík das Problem so gelöst: die Bienenstöcke stehen in Richtung der vielbefahrenen Straße und nicht der frequentierten Moldaupromenade. Dadurch soll „Konflikten“ vorgebeugt werden, wie der Bienenzüchter erklärt:

„Die Ausrichtung der Bienenstöcke muss immer gut für die Bienen, aber auch für die Menschen in der Umgebung sein. Hier konkret passt den Bienen die Südseite des Gebäudes, da sind die Bedingungen für die Tiere die besten. Es ist warm, und sie bekommen da am meisten Sonne ab. Für die Menschen ist es wiederum nicht schlecht, wenn sie gar nicht wissen, wo die Bienenstöcke stehen. Das heißt, wenn die Bienen keinen Einfluss auf den Betrieb um sie herum haben.“

Bienenstöcke auf dem Nationaltheater  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Dass die Bienen irgendwann zu einem Problem werden könnten, glaubt Augustin Uváčík nicht. Auch wenn die Stadtimkerei in Prag immer beliebter wird und fast wöchentlich neue Bienenkolonien hinzukommen:

„Soweit ist nicht zu befürchten, dass sich die Gesetzeslage für die Stadtimker ändern wird. Sofern sie professionell bleiben, natürlich. Solange die Bienenstöcke auf den Dächern stehen, gibt es bestimmt keine Probleme, Passanten laufen da oben ja nicht herum. In Prag summen auch so schon täglich Millionen von Bienen durch die Straßen. Da kommt es dann auf die paar von den Stadtimkern auch nicht mehr an.“

Auch muss man keine Angst haben, wenn sich einem eine von Uváčíks Bienen zufällig auf die Schulter setzen sollte. Denn der Imker vertraut auf eine besondere Bienenart vom österreichischen Zuchtbetrieb Singer:

„Die Bienen stammen ursprünglich aus dem österreichischen Voralpenland und eignen sich perfekt für die Haltung in der Stadt. Sie bilden selten große Schwärme, auch wenn sie an sich viel Platz brauchen. Was aber das Wichtigste ist, sie stechen nicht. Deshalb braucht man bei diesen Beinen auch keine Schutzkleidung.“