Prag setzt Signal mit Picknick auf der Karlsbrücke
Brücken verbinden – die beiden Ufer eines Flusses, das Festland oberhalb einer Schlucht, aber auch Menschen. Letzterer Aspekt ist auch der Nährboden für die Idee, die der Prager Kaffeehausbesitzer Ondřej Kobza hatte. Der von dem Kleinkunstkünstler gegründete Verein „Piano auf der Straße“ und das Rathaus des ersten Prager Stadtbezirks setzten diese Idee gemeinsam am Dienstag um. Unter dem Namen „Gedeckter Tisch“ ließen sie auf der berühmten Karlsbrücke eine exakt 515 Meter lange Tafel festlich eindecken, mit Hilfe der spontanen Gäste, die einem medialen Aufruf vom Dienstagmorgen gefolgt waren.
In der Zeit von 18 bis 22 Uhr saßen dann tatsächlich etwa 1500 Menschen an dieser Tafel, um fröhlich miteinander zu plauschen, zu speisen und symbolisch die graue Zeit der Corona-Pandemie zu verabschieden. Ideengeber Ondřej Kobza:
„Die Brücke ist auch ein Symbol für eine Verbindung zwischen Menschen. Man kann sich auf ihr vereinigen, und jeder der kommt, bringt etwas von zu Hause mit. Seine Speisen oder Getränke bietet er hier dann seinem Nachbarn an, auch wenn er ihn vorher vielleicht nicht kannte. Die Aktion ist zugleich ein Bild, das wir in die Welt hinausschicken wollen mit der Aussage: Man kann sich auch in dieser Zeit auf der Karlsbrücke treffen, Mut zeigen und keine Angst haben.“
Das Interesse an dieser Aktion war riesig: Rund 150 Eintrittskarten waren im Internet binnen einer Minute vergeben, und weitere Leute versuchten es auch ohne Registrierung. Und so war die Karlsbrücke schon weit vor dem offiziellen Beginn der Aktion voller Kostgänger. Und man konnte ihre große Vorfreude förmlich spüren:
„Man sei von der Aktion begeistert – dies sei eine tolle Idee, die man unterstützen müsse – oder aber: es sei ein Problem gewesen, sich dafür anzumelden, weil das Interesse so groß war“, so und ähnlich waren die Reaktionen der angemeldeten und spontanen Gäste, die sich an der von ihnen selbst gedeckten Tafel platzieren durften. Und bei dem großen Picknick im Herzen Prags wurde nicht nur angeregt geplauscht, sondern auch fröhlich gesungen:
In der Vergangenheit haben sich schon viele Firmen und Gesellschaften darum bemüht, Veranstaltungen aller Couleur auf der Karlsbrücke auszurichten. Die Stadtväter von Prag 1 aber haben bisher noch jeden Antrag abgewiesen. Dazu erklärt der Bürgermeister des Stadtbezirks, Petr Hejma (Stan):
„Die Karlsbrücke hüten wir wie unseren Augapfel und lassen daher dort keine kommerziellen Aktivitäten zu. Denn die Brücke gehört zusammen mit dem Veitsdom zu den schönsten Baudenkmälern in Prag. Doch weil in diesen Tagen für die Bürger Tschechiens in gewisser Weise die Zeit des Coronavirus zu Ende geht, und die Karlsbrücke wegen der langzeitigen Maßnahmen gegen die Pandemie noch längst nicht so stark besucht ist wie sonst, haben wir uns gesagt: Das ist doch keine schlechte Idee. Zudem kann diese Aktion ein starkes Symbol dafür sein, dass das Zentrum von Prag erneut auflebt und dass wir uns auf alle anständigen Touristen freuen.“
Im fast gleichen Atemzug aber ergänzt Hejma, dass diese Veranstaltung auf der Karlsbrücke wohl die Ausnahme bleiben wird:
„Das war das erste und das letzte Mal. Denn wir hoffen, dass uns erstmals und auch letztmals eine vom Coronavirus geprägte Periode heimgesucht hat. Und das uns zum ersten wie auch letzten Male das Prager Stadtzentrum so leergefegt wurde.“
Die Teilnehmer der Aktion „Gedeckter Tisch auf der Karlsbrücke“ sind somit doppelt froh, dass sie das einmalige Erlebnis an traditionsreicher Stätte genießen durften. Cheforganisator Ondřej Kobza hofft dagegen, dass sich nun auch andere Städte in Tschechien oder weitere Stadtteile der Hauptstadt von dieser Veranstaltung zu ähnlichen Aktionen inspirieren lassen.