Prager Regierung: Normalverdiener sollen ab 2006 Steuern sparen können

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"Ist denn heut schon Weihnachten?", mag in den zurückliegenden Stunden so mancher Tscheche erstaunt gefragt haben, als er via TV oder aus der Presse von den auf der Kabinettssitzung am Mittwoch gefassten Beschlüssen der Prager Regierung erfahren hat. Denn nach diesen soll sich für die hohe Anzahl von Niedrig- und Durchschnittsverdienern im Lande mit Beginn des nächsten Jahres die Einkommenssteuer verringern. Gleichzeitig sollen Firmen ihren Arbeitnehmern dann auch wieder die Fahrtkosten zur Arbeit ersetzen, diese Mehrausgaben jedoch von der Steuer absetzen können. Über Reaktionen und die möglichen Auswirkungen dieser Steuersenkungen informiert Sie Lothar Martin.

In einigen Demokratien Mittel- und Westeuropas wird die Rolle der für soziale Gerechtigkeit streitenden Sozialdemokraten gegenwärtig angezweifelt, da sie sich im Zuge der Globalisierung anscheinend schon zu sehr auf die marktwirtschaftlichen Mechanismen eingelassen haben. In Tschechien jedoch sind sie drauf und dran, bei ihrer Wählerschaft wieder kräftig Pluspunkte zu sammeln. Nicht zuletzt durch den am Mittwoch von Finanzminister Bohuslav Sobotka eingebrachten und vom Kabinett bewilligten Entwurf eines Gesetzes zur Senkung der Einkommenssteuer im niedrigen und durchschnittlichen Lohnbereich. Diesem Entwurf zufolge werden mit Beginn des nächsten Jahres alle Beschäftigten mit einem Monatsverdienst von bis zu 30.000 Kronen (ca. 1000 Euro) weniger Steuern zahlen, so dass sie im Jahr zwischen 3000 und 4000 Kronen mehr im Portemonnaie haben werden. Die höhere Ersparnis käme den Monatsverdienern von bis zu 20.000 Kronen zugute, da sich deren Einkommenssteuer von 15 auf 12 Prozent senken soll. Rund 3000 Kronen mehr im Jahr würden den Monatsverdienern von bis zu 30.000 Kronen verbleiben, da sich ihre Steuer von 20 auf 19 Prozent verringern soll. Kein Wunder, dass Finanzminister Sobotka in diesem Zusammenhang davon spricht:

"Ich will sagen, dass es sich um die bedeutendste Senkung der Einkommenssteuer der letzten zehn Jahre handelt. Dies ist eine Maßnahme, von der 90 Prozent der Einwohner der Tschechischen Republik profitieren, und zwar diejenigen, die eine Einkommenssteuer entweder als Arbeitnehmer oder als Unternehmer entrichten."

Foto: Štěpánka Budková,  Radio Prague International
Die Steuerersparnisse der Bürger haben auf der anderen Seite jedoch zur Folge, dass der Staatshaushalt dadurch jährlich Mindereinnahmen von zehn bis 15 Milliarden Kronen (bis zu 500 Millionen Euro) aufweisen wird. Sobotka hat aber auch dies berücksichtigt und weiß, wie er diesen Verlust ausgleichen will:

"Der Verlust im Staatshaushalt wird zu einem großen Teil durch die bereits abgesegneten Änderungen bei den indirekten Steuern kompensiert. Diese Änderungen beinhalten zum Beispiel die Erhöhung der Tabaksteuer und weiterer Verbrauchersteuern, die bereits vom Parlament verabschiedet worden sind. Sie werden in Kraft treten im Kontext unserer Verpflichtungen innerhalb der Europäischen Union. Kurzum: Zu großen Teilen werden die Einnahmenverluste im Staatshaushalt in den nächsten Jahren gerade in diesem Bereich kompensiert."

Mit diesem Vorschlag wollte Finanzminister Sobotka ganz offensichtlich dem Steuerentwurf der oppositionellen Bürgerdemokraten (ODS) entgegentreten, die eine einheitliche Einkommenssteuer von 15 Prozent favorisieren. Entsprechend unzufrieden und ablehnend waren die Reaktionen aus den Reihen der ODS auf den Vorstoß Sobotkas. Im Parlament hat die Opposition aber noch die Gelegenheit, den Regierungsvorschlag abzuschmettern. Premier Paroubek und Finanzchef Sobotka wissen jedoch in dieser Frage die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich.