Pressestimmen zum Irak-Konflikt, zum Amtsantritt von Vaclav Klaus und zum Mord an Zoran Djindic
Herzlich willkommen nun, meine Damen und Herren, bei Radio Prag zum wöchentlichen Blick in die tschechische Medienlandschaft, heute mit Pressestimmen zur Irak-Krise, zum Amtsantritt des neuen tschechischen Präsidenten Vaclav Klaus sowie zur Ermordung des serbischen Ministerpräsidenten Zoran Djindic. Aus dem Prager Studio begrüßen Sie dazu Gerald Schubert und Silja Schultheis.
"Das von den USA angestrebte Ultimatum an Bagdad hat vor allem eins zum Ziel: es soll in den Augen der Weltöffentlichkeit einen Krieg gegen den Irak rechtfertigen - notfalls ohne neue UN-Resolution. Neben den USA kämpft aber auch Frankreich um das Votum der noch unentschlossenen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat. Der Sicherheitsrat trägt große Verantwortung - vor der gesamten Menschheit. Und es ist nur gut, dass die Tschechische Republik jetzt kein Mitglied dieses Rates ist, denn nach der Haltung der tschechischen Regierung zu urteilen, müssten wir befürchten, dass sie Bush's Position unterstützt, ähnlich wie Bulgarien.""
Mit der Position der tschechischen politischen Führung vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um eine neue UN-Resolution beschäftigt sich auch die Zeitung Mlada fronta dnes in ihrer Ausgabe vom 10. März:
"Präsident Klaus und die Regierung werden ihre uneindeutige Haltung aufgeben müssen und sich klar äußern, ob sie einen Krieg gegen den Irak auch ohne Absegnung durch den UN-Sicherheitsrat unterstützen werden. Das ist keine leichte Entscheidung, zumal einige hundert tschechische Soldaten bereits unmittelbar in der Konfliktregion im Einsatz sind. Bislang konnten sich unsere Politiker dahinter verstecken, dass die UNO noch nicht definitiv entschieden hat. Wenn jedoch in einer neuen UN-Resolution der Krieg abgelehnt wird, werden sie sich klar positionieren müssen." Die Zeitung Lidove noviny lenkt in ihrer Dienstags-Ausgabe (11.3.) das Augenmerk auf die Haltung der tschechischen Bevölkerung zum Irak-Konflikt:"Während im Westen der Widerstand gegen einen Irak-Krieg wächst und dies auch auf den Straßen sichtbar ist, ist es bei uns eher still auf den Bürgersteigen. Dennoch sind Meinungsumfragen zufolge fast 70% der Tschechen gegen den Krieg. Eine Erklärung für diesen Widerspruch ist etwa der Zweifel der Bürger, dass es irgendeinen Sinn hat, seine Meinung öffentlich zum Ausdruck zu bringen. Der Grund kann aber auch einfacher sein. Der Irak-Krieg ist in Tschechien nach wie vor nur ein virtuelles TV-Ereignis. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass in ihm auch tschechische Soldaten unmittelbar zum Einsatz kommen werden."
Zu unserem zweiten Thema. Am vergangenen Freitag fand auf der Prager Burg die feierliche Inauguration des neuen tschechischen Präsidenten Vaclav Klaus statt. Die Zeitschrift Respekt nahm dies in ihrer jüngsten Ausgabe zum Anlass für folgende Überlegung:"Es ist zweifelsohne deprimierend, dass hier mindestens für die nächsten fünf Jahre das Gesicht eines Mannes umherspuken wird, der im Dezember 1989 in die Regierungslimousine gestiegen ist und sie im Grunde seit dieser Zeit nicht verlassen hat. Die politischen Eliten in ganz Mitteleuropa haben sich bereits mehrfach erneuert. Nur in Tschechien werden wir noch im Jahr 2008 - zwanzig Jahre nach der politischen Wende - einen Mann an der Spitze haben, der von Beginn an dort war."
Auf der anderen Seite, so Respekt weiter, habe die Präsidentschaft von Vaclav Klaus auch einen positiven Effekt:
"Bei der Wahl von Petr Pithart, Otakar Motejl oder Jan Sokol zum Präsidenten hätten wir zwar aufgeatmet, der tatickovsky Geist unserer Demokratie hätte sich jedoch fortgesetzt. Havel hat immer wieder diverse fauxpasses tschechischer Politiker ausgebügelt. Dadurch hat er es der tschechischen Politik nicht ermöglicht, ihre Suppe selbst auszulöffeln und aus ihren Fehlern zu lernen. Der Amtsantritt des problematischen Klaus ist daher besser als der eines weiteren Dissidenten-Präsidenten."
Soweit die Zeitschrift Respekt. Am Sonntag, zwei Tage nach seiner feierlichen Inauguration, hat sich der neue tschechische Präsident Vaclav Klaus in einer Rundfunk- und Fernsehansprache an die tschechische Öffentlichkeit gewandt. Hören Sie dazu folgenden Kommentar der Zeitung Hospodarske noviny vom Montag (10. 3.):
"Ein Satz in der Ansprache war wichtiger als anderen zusammen: 'Lassen Sie uns nicht zulassen, dass wir die Zeit mit dem nie endenden Streit über die Interpretation der Vergangenheit und insbesondere des letzten Jahrzehnts zu verschwenden.' Sollte sich der neue Präsident tatsächlich von diesem Vorsatz leiten lassen, könnte man mit der Zeit wirklich glauben, dass Klausens Verwandlung von einem starrsinnigen Parteiführer zu einem Staatspräsidenten möglich ist."
Die Zeitung Lidove noviny hingegen zeigt sich skeptischer und gibt mit Blick auf die Zeit, in der Klaus tschechischer Premier war, zu bedenken:
"Die Worte des neuen Präsidenten könnte man ernst nehmen, wenn es nicht Klaus selber und seine Partei wären, die ständig zur Vergangenheit zurückkehren und erbittert um ein positives Bild der Ära kämpfen, in der sie geherrscht haben. Der Aufruf von Klaus ist daher weniger als Aufruf zur Versöhnung, denn als Apell zum Vergessen zu verstehen.
Bereits jetzt kann man sehen, wie schwer der Prozess der Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit ist."
In ihrer Mittwochs-Ausgabe (12.3.) beschäftigen sich Lidove noviny mit dem Deutschland-Bild des neuen tschechischen Präsidenten:
"In den Beziehungen zu Tschechiens Nachbarländern bewegt sich Klaus gedanklich im vergangenen Jahrhundert. Dort ist seine tiefe Überzeugung verankert, dass man gegenüber dem deutschen Sprachraum stets misstrauisch sein muss. Klaus gehört zu jener Generation, für die bis zur Wende 1989 die Vertreibung der Sudetendeutschen und die Schaffung eines reinen Nationalstaates der erste und letzte tschechische politische Erfolg war. Diese Generation lässt sich nur schwer überzeugen, dass diese 'Säuberung' weder eine angemessene Reaktion auf den Zweiten Weltkrieg, noch ein gerechter Akt war."
Hören Sie abschließend noch einen Kommentar der Zeitung Hospodarske noviny zur Ermordung des serbischen Ministerpräsidenten Zoran Djindic:"Der Verlust, den Serbien durch die Ermordung seines Premiers erlitten hat, wird schwer zu ersetzen sein. Zwar hat Djindic unlängst - nach dem ersten Attentat auf ihn - gesagt, dass es ein Fehler wäre zu vermuten, mit seiner Ermordung würden die Reformen in Serbien gestoppt und das Recht außer Kraft gesetzt. Aber für den Westen war er der Garant dafür, dass in Serbien politische und wirtschaftliche Reformen einsetzen."
Die Ermordung Djindics, so schlussfolgert das Blatt, kann für die politische Entwicklung in Serbien zwei Folgen haben:
"Sie kann Djindics nationalistischen und antiwestlichen Gegner, die Sympathisanten Milosevics, zu dem Versuch ermuntern, in Serbien die Macht zu übernehmen. Sie kann aber auch Djindics Anhänger dazu treiben, sich noch energischer darum zu bemühen, worum sich Djindic bemüht hat - um ein europäisches, demokratisches, prosperierendes Serbien. Sollten seine Anhänger erfolgreich sein, wird das für den Ermordeten zumindest eine postume Genugtuung sein."