Problematik der Kinderprostitution in Tschechien
Am Freitag endet im japanischen Yokohama die UNICEF-Konferenz gegen Kinderprostitution. Auch die tschechische Republik wird häufig mit dem Problem in Zusammenhang gebracht. Insbesondere an den Grenzstreifen zu Deutschland und Österreich soll Sex mit Kindern von organisierten Banden angeboten werden. Jörn Nuber stellt das Problem dar:
"300 Fälle von Kindesmissbrauch täglich, allein in Cheb." So und ähnlich lauten mitunter die Angaben von sozialen Einrichtungen, die sich mit sogenannten Streetworker-Teams um die Probleme kümmern, die mit der massiven Verbreitung von Prostitution in den Grenzgebieten Tschechiens aufkommen. 300 Fälle täglich- für die Medien eine Zahl, die große Aufmerksamkeit erregt und zugleich nahe legt, insbesondere die tschechischen Behörden als machtlos, beziehungsweise korrumpiert darzustellen. Kein Wunder, dass davon die Rede ist, das ganze Gebiet sei quasi unter Kontrolle organisierter Banden, die also auch an der Prostitution von Kindern verdienen.
Die tschechische Polizei dagegen stellt jedoch nur vereinzelte Fälle von Kinderprostitution fest, die dann auch -so weit wie möglich- strafrechtlich verfolgt werden. Nach Angaben der Polizei kann von organisierter Kriminalität kaum die Rede sein. In der Regel würden die Kinder von Familienangehörigen dazu angetrieben. Die 200 Mark, die angeblich für eine halbe Stunde mit dem Kind verlangt werden, erhöhen den Lebensstandard der Familien in der krisengeschüttelten Region erheblich.
Daß die Polizei nur von Einzelfällen ausgeht, ein Teil der sozialen Organisationen dagegen eine ungeheure Zahl von Missbrauchten Kindern registriert, mag an den unterschiedlichen Maßstäben liegen, die beide Institutionen anlegen. Die Angaben von Seiten mancher sozialer Organisationen beziehen sich auf alle Jugendlichen unter 18 Jahren, während das juristische Mindestalter, mit dem die Behörden arbeiten, weit darunter liegt. Eine niedrige Zahl von Fällen kommt der Erfolgsstatistik der Polizei zugute, eine hohe Zahl wiederum den sozialen Organisationen, die mit größerer Wahrscheinlichkeit mit der weiteren Finanzierung von EU-Staaten rechnen können - und wer würde sich sonst um die Frauen und Jugendlichen kümmern?
Dass man dabei wohl in beiden Fällen der Situation nicht gerecht wird, spektakuläre Medienberichte provoziert und so womöglich noch Werbung für den Prostitutionsstandort Tschechien macht, ist ein unerwünschter Nebeneffekt.
Allgemein wird von tschechischer Seite offenbar nur wenig Anlass dafür gesehen, die Missstände in den Grenzregionen zu beheben. Einerseits kommt ein Großteil der Prostituierten aus dem Ausland, bzw. rekrutiert sich aus der Romabevölkerung, was die Einsicht in den Handlungsbedarf scheinbar beeinträchtigt. Andererseits ist in konservativen Regierungskreisen zu vernehmen, dass sich der Staat mit der gesetzlichen Regulierung von Prostitution zum Zuhälter machen würde. Dies alles blockiert freilich ein effektives Eingreifen und trägt nur noch mehr dazu bei, dass ganze Regionen vom Geschäft rund um die Prostitution leben, gar im Einverständnis mit der Politik. Doch so lange die Politik auf beiden Seiten der Grenze eine strukturell bedingte Dunkelziffer bei Kindesmisshandlungen in den Grenzregionen in Kauf nimmt, so lange muss sie auch in Kauf nehmen, für jede Misshandlung verantwortbar gemacht werden zu können.
Die Konferenz in Yokohama wird vermutlich ohne konkrete Folgen für die Tschechische Republik bleiben. Vielleicht ist aber auch schon viel erreicht, wenn die Öffentlichkeit durch einen sachbezogeneren Umgang mit dem Thema, kontrollierter auf die im vielfachen Sinne grenzüberschreitende Problematik reagiert. Und vielleicht gehen auch einige engagierte Frauen aus Südmähren den richtigen Weg, die ihr Wort an die Frauen jenseits der Grenze richten: Gebt acht auf Eure Männer!