"Professor Bernhardi" eröffnet Prager Theaterfestival deutscher Sprache

In der Prager Staatsoper begann am Samstag der fünfte Jahrgang des Prager Theaterfestivals deutscher Sprache, bei dem tschechische Theaterliebhaber sich mit aussergewöhnlichen Theaterinszenierungen aus dem deutschsprachigen Raum vertraut machen können. Als erstes stand eine Inszenierung des Wiener Burgtheaters auf dem Programm. Marcela Pozarek berichtet von dem eindrücklichen Theaterabend.

Arthur Schnitzler nimmt in seinem Stück "Professor Bernhardi" in punkto Gesellschaftskritik kein Blatt vor den Mund. Anhand der Figur des Internisten Bernhardi der einem Geistlichen verweigert einer Patientin, die ihren nahen Tod nicht ahnt, die letzte Ölung zu verbreichen, entzündet sich ein kompliziertes Geflecht von Verleumdungen, politischen Manövern und nicht zu letzt antisemitischer Hetze, die in der Entstehungszeit des Stückes um das Jahr 1910 hoch im Kurs waren. Im Jahre 1919 feierte, das lange wegen seiner politischen Brisanz verbotene Stück "Professor Bernhardi" in Prag im Neuen Deutschen Theater, der heutigen Staatsoper seine tschechische Premiere. Das Prager Tagblatt schrieb damals:

"Die erste Aufführung von Schnitzlers Komödie fand eines Stimmung vor, als hätte die Vorstellung gegen den Einspruch eines Erzherzogs, eines Bischofs oder zumindest eines Staatsanwaltes durchgesetzt werden müssen. Das Publikum war so interessiert, als ob man noch mitten im Kampf gegen dunkle Mächte der Reaktion stünde. Oder sollte hier ein tieferer Instinkt gewaltet haben?"

Auch heute noch 81 Jahre nach der Prager Erstaufführung verfehlte Schnitzlers Drama seine Wirkung nicht, stellte doch der Theaterkritiker Zdenek Horinek in der Montagsausgabe der "Lidove noviny" fest:

"Schnitzler war Arzt und sein Blick auf das Ambiente von Ärzten und der Bürokratie ist der Blick eines Analytikers und Diagnostikers, der mit emotionaler Zurückhaltung und seltener Objektivität das für und wider in den Menschen und Argumenten untersucht."

Die spannende Schnitzler`sche Mischung aus kluger Beobachtungsgabe und ironischer Entlarvung wusste auch der tschechische Publizist Vladimir Just an der Inszenierung des Burgtheaters zu schätzen.

"Das alles erschien mir plötzlich, als wenn Schnitzler mein Zeitgenosse wäre, als wenn es sich um ein ganz aktuelles Gegenwartsstück handeln würde, das deckungsgleich mit dem ist, was ich tagtäglich in der tschechischen Politik erlebe. Ich habe da all diese verschiedenen Sitzungen, Beratungen und Probleme vor Augen, die von allen Seiten auf mich nieder prasseln. Das Stück zeigt deutlich wie eine Sache manipuliert werden kann, wie die Protagonisten eines Ereignisses ein mediales Bild schaffen das zur Wahrheit wird und niemand fragt mehr, was wirklich geschehen ist, dass sind Themen die äusserst aktuell sind. Der österreichische Zuschauer in Wien erkennt sich darin genauso wieder wie der tschechische in Prag und darin ist das Stück zeitlos und hat Modellcharakter."

"Professor Bernhardi" behandelt die schrittweise Verunglimpfung eines Menschen der nach seiner inneren Überzeugung gehandelt hat. Der Glaube an das Ethos im Menschen bringt " Professor Bernhardi" schliesslich zu Fall. Ein Phänomen das auch in Tschechien keinesfalls unbekannt ist, wie Vladimir Just im Gespräch erwähnte:

"Es wirkt wirklich nicht nur als Theaterstück über Korruption und Opportunismus in der Österreichisch - Ungarischen Monarchie. Ich habe mich in der Pause mit ein paar Leuten unterhalten, die mir erzählten, genauso sei es hier während der Normalisierungsära zu und her gegangen. All diese kollektiven Auftritte, wo man sich von Mitarbeitern distanzierte - um der guten Parteisache willen, musste man sich gewisser Leute entledigen. Ich sah darin aber auch absolut zeitgenössische Sachen, da das Stück ja grundlegend ethische Fragen thematisiert und solche Dramen gibt es hier wenige und überhaupt ist diese gesellschaftskritische Thematik in Tschechien nicht gerade en vogue. Es ist halt nicht angenehm, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen oder sich mit ethischen Problemen rumzuschlagen."

Autor: Marcela Pozarek
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