Quo vadis, tschechische Landwirtschaft?
Eine konsequent flächendeckend durchgeführte Zwangskollektivierung auf dem Lande war einst in der damaligen Tschechoslowakei die Ausgangsbasis für eine jahrzehntelang einseitig auf Produktionssteigerung ausgerichtete Agrarwirtschaft, die das Gebot der Kommandowirtschaft " die Landwirte gewährleisten die Ernährung der Nation" zu befolgen hatte. Und wie sieht es heute mit der tschechischen Landwirtschaft aus - fast 12 Jahre nach der Wende. Dazu mehr im folgenden Beitrag von Jitka Mladkova.
Erst vor zwei Wochen hat der sozialdemokratische Regierungschef Milos Zeman der Nation verkündet: die tschechische Landwirtschaft sei aus der Bredouille heraus und habe obendrein nach mehreren Jahren wieder einmal schwarze Zahlen geschrieben. Endlich eine gute Nachricht, müsste man sagen, doch die Realität bietet nicht viel Anlass zur Freude. Die tschechische Landwirtschaft hat mittlerweile elf Jahre schleppender Transformation sowie schmerzlichen Strukturwandels hinter sich. Auch nach dieser Zeit ist sie maßgeblich von den Produktionsverfahren der konventionellen Agrarwirtschaft, schwacher Leistungs- und Konkurrenzfähigkeit, Überschuldung und vielen anderen Problemen gezeichnet. Und noch etwas: sie tappt nach wie vor im Dunkeln - ohne Zukunftsvisionen! Im zurückliegenden Zeitraum haben über
300 Tausend in der Landwirtschaft Beschäftigte ihre Arbeit verloren. Das Ressort selbst steht somit vor der Grundaufgabe, nicht nur die ökonomische, sondern auch die soziale Talfahrt der Landbevölkerung zu stoppen. So hat man hierzulande sozusagen "andere Sorgen", Themen wie "Rückkehr zur Natur" werden nicht groß geschrieben, eine Debatte zur notwendigen Agrarwende zugunsten des Ökolandbaus findet nicht statt. Und doch war es einst auch anders, als sich die Planungsstäbe in den Ministerialetagen, sogar mit Hilfe von ausländischen Fachberatern, den Kopf über eine schnelle Einführung der Ökolandwirtschaft zerbrachen. Das war 1990, sprich im Jahre Null, als man sich in Tschechien weder auf Erfahrungen noch auf Forschung, ja noch nicht einmal auf tschechische Fachliteratur in diesem Bereich stützen konnte. In den ersten zwei - drei Jahren wurde den mutigen Öko-Landbau-Pionieren finanziell stark unter die Arme gegriffen. Doch schon drei Jahre später waren die Geldquellen zum Großteil versiegt. Die derzeit über zwei Hundert überlebenden Ökobauern sind zu einem Nischendasein verurteilt. Jährlich erhalten sie vom Staat 100 Mio Kronen, die Subventionen in die konventionelle Landwirtschaft belaufen sich hingegen auf 3,2 Milliarden Kronen. Sie werden zunehmend mit dem Problem konfrontiert, ihre teuer angebauten Bio-Produkte zu vermarkten, vor allem, weil es an Verbrauchern fehlt, die bereit sind, angemessene Preise zu zahlen.
Quo vadis, tschechische Landwirtschaft, fragen nun nicht nur die Öko-, sondern wohl alle Landwirte in Tschechien. Und nicht nur sie. Wie stelle sich Tschechien seine Agrarpolitik bis zum Jahr 2014 vor, wolle man auch in der EU wissen, informierte dieser Tage der Vize-Landwirtschaftsminister Tomas Zidek vor Journalisten. Hierzu gestand er lakonisch: Tschechien habe keine Antwort auf diese Frage parat! In einem Telefongespräch mit Radio Prag relativierte er diese Worte mit der Feststellung, dass eine auf den Öko-Landbau ausgerichtete Diskussion bereits stattfinde. Hierzu sagte er:
"Für die Festlegung einer Vision ist noch eine weitere öffentliche Diskussion von Bedeutung. Das heißt eine Diskussion mit den Landwirten, aber vor allem mit den Verarbeitern - mit der Nahrungsmittelindustrie. Wir müssen auch darüber nachdenken, wie die künftige Position der tschechischen Landwirtschaft im gesamteuropäischen Rahmen sein wird."
Also Fragen über Fragen, zu ihrer Beantwortung wird wohl ein langer Weg führen.