Reaktionen auf das tschechische EU-Referendum

Ex-Regierungschef Milos Zeman, Foto: CTK

Sie haben es bereits in den Nachrichten gehört, meine Damen und Herren: das zweitägige Referendum - das erste in der tschechischen Geschichte - ist vorbei, die Ergebnisse stehen fest: Die Tschechen haben sich mit großer Mehrheit für den Beitritt ihres Landes zur Europäischen Union ausgesprochen. 77% der Wähler stimmten dafür, 23% dagegen. Die Wahlbeteiligung lag bei über 55%. Aus aktuellem Anlass ist diese Sendung daher ausschließlich dem Referendum gewidmet. Sie hören in den folgenden Minuten bei uns Reaktionen tschechischer Spitzenpolitiker auf das Ergebnis des Volksentscheids, außerdem sprachen wir mit der Hauptorganisatorin der EU-Kampagne, die dem Referendum in den letzten Wochen vorausging. Im anschließenden Regionaljournal laden wir Sie zu einem Ausflug in das nordböhmische Nymburk ein, wo wir die dortigen Bewohner nach ihrer Meinung zum tschechischen EU-Beitritt befragten. Doch nun zunächst nach Prag.

Vladimir Spidla,  Foto: CTK
Den Volksentscheid über den EU-Beitritt Tschechiens hat zwar keine große Euphorie begleitet, immerhin die Beteiligung der Tschechen am Referendum reichte für ein positives Resultat. Ob er damit zufrieden ist oder sich eine besseres Ergebnis gewünscht hat, fragten wir Premier Vladimir Spidla:

" Ich bin ganz zufrieden, weil die Wahlbeteiligung um die 55 Prozent relativ hoch ist und sehr wenige haben es erwartet."

Beim Gespräch mit dem tschechischen Ministerpräsidenten baten wir ihn, unseren Hörern in den deutschsprachigen Ländern zu sagen, was die Tschechen seiner Meinung nach mit in die Europäische Union bringen werden. Hier ist seine Antwort:

"Das ist doch ganz klar. Die Tschechen sind ein sehr zivilisiertes Volk mit einer alten und großen Geschichte. Wir haben unsere eigene Stärke. Also Europa wird reicher und stärker."

Zufrieden und erleichtert zeigte sich auch Vize-Premierminister Pavel Rychetsky in seiner Reaktion auf den Ausgang des Referendums:

"Die Tschechische Republik ist wirklich im Herzen Europas, und es wäre absurd, wenn sie in der Europäischen Union kein gleichberechtigtes Mitglied wäre. Ich muss sagen, dass es uns in den letzten fünf Jahren außergewöhnliche Anstrengungen gekostet hat, die Rechtsordnungen anzugleichen. Die ökonomischen Reformen haben zu einem Ergebnis geführt, und ich denke, dass sich die Tschechische Republik in der Europäischen Union nicht verliert."

Erfreut über den Ausgang des Referendums war auch der EU-Botschafter in Tschechien, Ramiro Cibrian. Zum einen, weil das Volk selber über den Beitritt zur Europäischen Union entschieden habe. Und zum anderen, so Cibrian:

"deutet das hohe Niveau der Wahlbeteiligung darauf hin, dass es im Land einen großen Konsens hinsichtlich der Mitgliedschaft in der Europäischen Union gibt. Und dies ist die beste Grundlage für eine erfolgreiche Vertretung der Tschechen in der Europäischen Union und deren Institutionen."

Was sich nun durch die eindeutige Entscheidung der Tschechen für Europa in nächster Zeit hierzulande konkret ändern wird, fragten wir Karel Kühnl, Vorsitzenden der an der Regierung beteiligten Freiheitsunion:

"Dramatisch wird sich nichts ändern. Wir werden unser Rechtssystem weiter harmonisieren mit dem Systém der Europäischen Union und dann werden wir am 1. Mai der Union beitreten, wenn das Referendum positiv ausgeht. Auch dann ändert sich nichts abrupt, aber es ändert sich etwas historisch. Die Tschechische Republik wird wieder dort sein, wo sie hingehört."

Jiri Dienstbier
Zuversicht und Zufriedenheit mit dem Wahlverhalten seiner Landsleute auch bei dem ehemaligen tschechoslowakischen Außenminister Jiri Dienstbier. Die Wahlbeteiligung von 57%, so meinte er, sei in der heutigen Zeit für demokratische Staaten das Höchste der Gefühle. Positiv überrascht war Dienstbier vor allem von der hohen Zustimmungsrate:

"Ich hätte so um die 70% Ja-Stimmen erwartet. Jetzt wo es über 80% sind, bin ich natürlich noch weit zufriedener. Im übrigen bin ich nicht davon ausgegangen, dass das tschechische Volk ein Volk von Verrückten ist, das sich aus dem Prozess der Integration selbst ausschließt und zu einer rückständigen Insel mitten in Europa wird."

Äußerst positiv bewertete auch die Leiterin der EU-Kampagne, die dem Referendum voraus ging, Jana Adamcova aus der Kommunikationsabteilung des tschechischen Außenministeriums, die Wahlbeteiligung:

"Es ist nicht besonders normal in der Tschechischen Republik, dass so viele Menschen wählen gehen. Normalerweise haben wir um die 20-30%. Heute liegen wir über 50%, was wirklich eine sehr sehr schöne Zahl ist. Ich bin sehr froh, dass ich an dieser Kampagne arbeiten konnte. Ich denke, mit dieser Kampagne habe ich meinen Eltern etwas zurückgegeben, die unter dem kommunistischen Regime gelitten haben, und ich bin sehr froh, dass ich für die EU arbeiten konnte."

Vaclav Klaus
Besonders Anhänger der liberalen Freiheitsunion sowie der Demokratischen Bürgerpartei ODS sprachen im Referendum mit großer Mehrheit - über 90% - für den tschechischen EU-Beitritt aus. Und das trotz der Gespaltenheit der ODS in dieser Frage. So hatte der langjährige Vorsitzende der ODS, Präsident Vaclav Klaus, zwar einige Tage vor dem Referendum die Bürger noch aufgerufen, sich an der Abstimmung zu beteiligen. Er hatte sich jedoch nie klar für den EU-Beitritt ausgesprochen - im Gegensatz etwa zu seinem Vorgänger Vaclav Havel. Auf die Frage, wofür er bei dem Volksentscheid stimmen werde, hielt sich Klaus noch am Freitag im Wahllokal bedeckt:

"Ich sage Ihnen eine einzige Sache: Ich habe ganz sicher richtig gewählt. Das ist wohl die entscheidende Nachricht, die ich Ihnen hier mitteile."

Milos Zeman,  Foto: CTK
Ex-Regierungschef Milos Zeman - mittlerweile Polit-Rentner - war eigens von seiner Datsche auf der böhmisch-mährischen Höhe nach Prag gekommen, um zu wählen. Zuvor verriet er vor Journalisten, er werde trotz der stupiden Medien-Kampagne, die das Referendum begleitete, für den EU-Beitritt Tschechiens stimmen:

"Wenn ich über die EU nur das wissen würde, was mir die Fernseh-Propaganda-Kampagne mit ihrer Gehirnwäsche und ihrer Unterschätzung der Bürger vermittelt hätte, hätte ich ganz sicher mit Nein gestimmt. Allein schon aus Protest gegen die Stupidität der Kampagne. Aber da ich zum Glück etwas über die Europäische Union weiß, werde ich mit Ja stimmen."