Reaktionen auf die Empfehlung der EU-Kommission zur Aufnahme von zehn neuen Mitgliedsstaaten

Die Woche geht langsam zu Ende - und wie immer um diese Zeit laden wir Sie jetzt ein, "Im Spiegel der Medien" mit uns noch einmal einige ihrer wichtigsten Ereignisse aus der Sicht tschechischer Kommentatoren Revue passieren lassen.

Im Mittelpunkt unserer heutigen Sendung steht ein Ereignis, dem in den vergangenen Tagen nicht nur die tschechischen Medien zahlreiche Kommentare widmeten, sondern das europaweit als historischer Einschnitt wahrgenommen wurde - die am Mittwoch von der EU-Kommission veröffentlichte Empfehlung, im Jahr 2004 zehn neue Staaten in die Europäische Union aufzunehmen. Wir möchten Ihnen im Laufe dieser Sendung einige unmittelbare Reaktionen der tschechischen Printmedien darauf vorstellen. Am Mikrophon begrüßen Sie dazu recht herzlich Robert Schuster und Silja Schultheis.

"Bislang wurde die Europäische Kommission in erster Linie als Lehrer wahrgenommen, der den Kandidaten regelmäßig Zeugnisse ausstellte, die von diesen nicht immer als ausreichend objektiv betrachtet wurden. Jetzt wird aus dem Lehrer ein Partner und Verbündeter, der Interesse daran hat, dass aus den Kandidaten gleichwertige Mitgliedsstaaten werden", kommentierte die Zeitung "Lidove noviny" am Donnerstag den letzten Fortschrittsbericht der Europäischen Kommission. Weiter gibt der Kommentator allerdings zu bedenken:

"Hinter den schönen Worten des Berichts verbirgt sich die raue Wahrheit, dass es in den Kandidatenländern nach wie vor eine Reihe ungelöster Probleme gibt, die jetzt im Rahmen der EU-Mitgliedschaft gelöst werden müssen. Die bisherigen Reformen waren bei den Regierungen der Kandidatenländer durch den EU-Beitritt motiviert. Man muss daher jetzt befürchten, dass drängende Fragen nach dem Beitritt schon nicht mehr konsequent genug gelöst werden."

Petr Uhl, Kommentator der Zeitung "Pravo", mit dem wir uns vor der Sendung unterhielten, erhofft sich vom EU-Beitritt umgekehrt eine Katalysator-Wirkung:

"Diese Angelegenheit, die Europäische Union heißt, ist für uns auch die Möglichkeit, unsere inneren Probleme zu lösen."

Zur Illustration führt Uhl, ehemaliger Bürgerrechtler und Regierungsbeauftragte für Menschenrechte, folgendes Beispiel an, dem sich auch die Fortschrittsberichte der Europäischen Kommission wiederholt widmeten:

"Die große Satisfaktion für mich ist natürlich die Roma-Frage, die Frage der Minderheiten. Das ist ein riesiges Problem bei uns. Ich war zweieinhalb Jahre Regierungsbeauftragter für Menschenrechte. Aber die Regierungen damals wie heute geben fast kein Geld für diese Ziele. Es gibt zwar Fortschritte, aber das ist nicht genug. Und meiner Meinung nach ist die Tatsache, dass die Europäische Union darüber spricht, sehr wichtig für uns und die kleine Minderheit bei uns, die die Roma-Situation und die Situation anderer Minderheiten sowie die Menschenrechtssituation verbessern will."

Vorbehalte werden in dem EU-Bericht nicht nur gegen die mangelnde Integration der Roma in die tschechische Gesellschaft, sondern etwa auch gegen die nach wie vor starke Korruption und Wirtschaftskriminalität geäußert. Die ökonomischen Fortschritte sowie die Anpassung tschechischen Rechts an EU-Recht wird in dem Papier hingegen ausdrücklich positiv erwähnt.

Dabei sei jedoch eine Sache ein wenig übersehen worden, findet der ehemalige Bürgerrechtler Petr Uhl:

"Meine Sorge ist, dass es wenig Anmerkungen zur tschechischen Justiz. Natürlich wurde diese kritisiert. Aber die tschechische Justiz ist wesentlich kranker, als es die Kommission beurteilte. Wir hatten vor kurzem ein riesiges Problem mit dem Gesetz über die Gerichte und Richter. Wenn hier nicht bald ein neues Gesetz verabschiedet wird, steht die Justiz hierzulande vor einem Kollaps. Das ist ein Problem, dem die Europäische Kommission zu wenig Aufmerksamkeit widmet."

Kommen wir zu einem weiteren Aspekt, der in Zusammenhang mit dem Fortschrittsbericht und der bevorstehenden EU-Erweiterung vielfach diskutiert wurde. Die Zeitung "Pravo" spricht ihn an:

"Das, was die Erweiterung der Europäischen Union zum gegenwärtigen Zeitpunkt am meisten bedroht, ist nicht der Mangel an Fortschritten bei den Kandidatenländern oder die Laxheit der Mitgliedsstaaten bei der Lösung brennender Fragen - wie der Zahlung landwirtschaftlicher Direktzahlungen aus dem EU-Haushalt an die Kandidaten. Die große Unbekannte ist das irische Referendum über den Vertrag von Nizza am 19. Oktober. Ein weiteres irisches Nein' käme einer beispiellosen Krise gleich",

Auch die Zeitung "Hospodarske noviny" misst dem irischen Referendum ein großes Gewicht bei. Darüber hinaus betrachtet sie jedoch die irischen Zweifel an der EU-Erweiterung weniger als Trotzverhalten eines einzigen Mitgliedstaates, sondern vielmehr als exemplarisch für ähnliche Bedenken auch in anderen EU-Ländern:

"Die Unsicherheit, die das irische Referendum begleitet, zeugt davon, dass die Union ihre eigene Vorbereitung unterschätzt hat. Dies lässt sich übrigens anhand unzähliger Beispiele aus den Mitgliedsstaaten belegen, deren gemeinsamer Nenner die Furcht vor Konkurrenz und vor "hungrigen Mündern" aus dem Osten ist. Die EU hat zwar nach dem Fall des Eisernen Vorhangs gegenüber denjenigen, die Interesse an einer Mitgliedschaft haben, eine politische Geste gemacht. Eine tatsächliche Partnerschaft hat sie ihnen aber immer noch nicht angeboten. Und so spaltet sich der Kontinent in diejenigen, die die Bedingungen diktieren, und diejenigen, die zwar darüber diskutieren können, sie aber annehmen müssen."

Nicht nur die Iren werden in einem Referendum über die EU-Erweiterung abstimmen. Auch in der Tschechischen Republik werden im kommenden Jahr die Bürger in einem Referendum über den Beitritt ihres Landes zur Europäischen Union entscheiden. Die Zeitung "Mlada fronta dnes" blickt mit Skepsis auf dieses Ereignis:

"Jetzt stehen wir bereits mit einem Bein in der Tür zur Europäischen Union. Die mühseligen Anfänge mit der EU neigen sich ihrem Ende zu. Es ist dies jedoch erst das Ende des Anfangs. Die Fortsetzung wird ebenfalls anspruchsvoll. Die Europäische Union ist bekanntlich nicht der Himmel auf Erden. Viele von uns sehen sie eher umgekehrt und fürchten, dass der Beitritt nur Komplikationen mit sich bringt."

Damit spielen "Lidove noviny" auf die noch ausstehende tschechische Volksbefragung zum EU-Beitritt an. Umfragen zufolge ist die Unterstützung für den Beitritt in der Tschechischen Republik nach wie vor wesentlich geringer als etwa in Ungarn oder Polen. Manch einer befürchtet daher, dass die Aufnahme daher letztlich an den Tschechen selbst scheitert.

Petr Uhl ist optimistischer, was das tschechische Referendum zum EU-Beitritt anbelangt:

"Da hab ich keine Sorge. Ich glaube, dass sich 60-70% der Menschen an dem Referendum beteiligen werden. Und das werden hauptsächlich diejenigen sein, die dafür sind. Und die, die sich nicht interessieren oder frustriert sind, werden einfach gar nicht zu dem Referendum kommen. Und daher wird diese qualifizierte Minderheit zur Mehrheit werden."