Reaktionen auf Regierungskrise in Österreich in der tschechischen Presse

Jörg Haider (Foto: CTK)

Eine Regierungskrise ist freilich in erster Linie eine innenpolitische Angelegenheit. Dass sie aber auch anderswo reflektiert wird, das liegt ebenso auf der Hand. In Österreich wird es nach den jüngsten Zerwürfnissen in der Regierungspartei FPÖ zur vorzeitigen Auflösung des Parlaments und, vermutlich im November, zu Neuwahlen kommen. Tschechien nimmt dabei eine besonders interessierte Beobachterposition ein. Und das nicht nur deshalb, weil es sich bei Österreich um ein Nachbarland handelt. Über erste Reaktionen aus Prag berichtet Gerald Schubert.

Wolfgang Schüssel
Einstweilen klaffen Form und Inhalt der tschechischen Reaktionen auf die momentane Regierungskrise in Österreich noch eigentümlich auseinander. Die meisten tschechischen Tageszeitungen berichten viel und ausführlich, andererseits aber lassen offizielle Reaktionen aus der tschechischen Politik vorerst noch auf sich warten. Und das ist auch gar nicht verwunderlich. Zu sensibel hat sich in den letzten Wochen und Monaten das Verhältnis zwischen den beiden Ländern gestaltet. Nun wird in Prag erst einmal abgewartet, wie sich die Situation im Nachbarland weiter entwickelt.

Doch ein erster Blick in die tschechische Presse gibt einen ungefähren Eindruck davon, aus welcher Perspektive die unmittelbare politische Zukunft in Österreich hierzulande beurteilt wird.

Jörg Haider  (Foto: CTK)
So schreibt etwa die auflagenstarke Tageszeitung Mlada Fronta Dnes auf Seite 1:

"Am Rande des Zerfalls befand sich die Regierung beispielsweise schon heuer im Januar, als wegen der Zweifel bezüglich des Kernkraftwerks Temelin zwischen den Koalitionspartnern ein Streit über ein etwaiges Veto gegen Tschechiens Beitritt zur Europäischen Union entbrannte."

Der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider, der allgemein auch als "graue Eminenz" und eigentlicher Tonangeber in der FPÖ angesehen wird, drohe, so Mlada Fronta Dnes, nun den Tschechen erneut:

"Zum wiederholten Mal forderte er, aus der Aufhebung der Benes-Dekrete eine Bedingung für den tschechischen EU-Beitritt zu machen."

Die Tageszeitung "Lidove Noviny" wagt eine erste vorsichtige Prognose. Das Kalkül Haiders, nach dem Bruch in der FPÖ seine eigenen Bestrebungen nun als positiv und die Leistungen der Regierungsriege seiner Partei als weitgehend negativ zu verkaufen, sei zwar taktisch nicht unklug, jedoch:

Susanne Riess-Passer,  FPÖ  (Foto: CTK)
"Der Populist Haider müsste mit einer völlig neuen Vorstellung aufwarten, um die nun pessimistischen Wähler wieder ins wanken zu bringen. Und das wird in den zwei Monaten vor den Wahlen sehr schwer sein."

Die Tageszeitung "Pravo" titelt hingegen:

"Österreichische Regierung fällt, Haider jubelt."

Haider wird also auch hier als Sieger des innerparteilichen Streits in der FPÖ gesehen. Was das aber für die nun anstehenden Neuwahlen bedeutet, das ist noch zu unklar, um jetzt schon kommentiert zu werden. Sicher scheint nur eines: Nämlich dass viele hier fürchten, dass aufgrund der momentanen politischen Konstellation die Tschechische Republik ein österreichisches Wahlkampfthema werden könnte, und dass sich dadurch die Beziehungen zwischen den beiden Nachbarn verschlechtern könnten. Dies jedoch ist gewiss weder im Interesse des einen, noch des anderen Staates.