Redakteur Rühmkorf: Tolles Gefühl, wenn man den Isergebirgslauf geschafft hat
Am vergangenen Sonntag wurde rund um das nordböhmische Bedřichov zum 43. Male der traditionelle Skimarathon „Jizerská 50“ ausgetragen. Unter den knapp 4000 Teilnehmern dieses Massenlaufs war auch Radio-Prag-Redakteur Christian Rühmkorf. Er feierte ein beachtliches Debüt, das ihm nachhaltig in Erinnerung bleibt. Über seine Eindrücke und Erkenntnisse von diesem Rennen hat Lothar Martin mit ihm gesprochen.
„Ich muss zu Anfang sagen, dass es natürlich genügend ‚Flachland-Tiroler’ gibt, die häufiger Ski fahren. Ich zum Beispiel habe damit schon als Kind angefangen. 2005 habe ich unter anderem in Liberec / Reichenberg gewohnt und gearbeitet. Dort habe ich mir dann Langlaufskier gekauft. Bedřichov liegt ja nur 30 Autobus-Minuten von Liberec entfernt, also konnte ich nun auch häufiger auf die Skier steigen. Wie ich vom Isergebirgslauf gehört habe? Wer in Tschechien lebt, der kennt einfach diesen Volksmarathon auf Skiern. Er ist einfach sehr bekannt und es ist jedes Mal, wie du schon sagst, ein großes Sportevent.“
Du wolltest also auch einmal bei diesem Event dabei sein. Aber 50 Kilometer lang auf zwei kleinen Schneebrettern zu stehen, das macht man nicht so einfach aus der Hüfte. Wie ist denn in dir die Idee gereift, es doch zu wagen? Und wie hast du dich auf dieses Wagnis vorbereitet?
„Früher fand ich eigentlich, dass Skilanglauf lächerlich aussieht. Es sah für mich so aus, als ob die Sportler wie Pinguine den Berg hinaufwatscheln. Ich habe dann aber festgestellt, dass Skilanglauf ein ziemlich idealer Sport ist. Denn man bewegt jeden Muskel – in den Beinen wie im Oberkörper. Man entdeckt dann sogar am nächsten Tag beim Muskelkater noch Muskeln, von deren Existenz man vorher gar nichts geahnt hatte. Und die Gelenke werden geschont. Deshalb ist Skilanglauf eine tolle Sache. Was den Isergebirgslauf betrifft, muss ich gestehen, dass ich wieder einmal eine Herausforderung brauchte. Denn man sitzt hier im Radio täglich fast nur auf seinem Redaktionssessel. Als dann im Dezember der Schnee kam, dachte ich mir: So, jetzt versuche ich es einfach! Ich konnte vorher wenigstens noch dreimal trainieren.“
Kommen wir zum Lauf selbst. Wie kann man sich das vorstellen, wenn bis zu 4000 Menschen auf einmal zusammen kommen, um Ski zu laufen? Wie wird das Ganze organisiert, was ist da vor dem Rennen alles abgelaufen?
„Man meldet sich über das Internet an und muss eine Teilnehmergebühr überweisen. Wenn man das Ganze schon im September plant, was viele tun, weil sie jedes Jahr bei diesem Volksmarathon starten, dann kostest es entschieden weniger. Die Gebühr liegt dann, glaube ich, bei 900 Tschechischen Kronen. Wenn man sich aber erst kurz vor dem Rennen anmeldet wie alle Kurzentschlossenen, kostet es 1600 Tschechische Kronen. Zwei Tage vor dem Wettkampf kann man sich in Liberec seine Startnummer abholen – und dann muss man nur noch am Renntag an den Start gehen. Organisiert ist es so, dass nacheinander in acht Wellen gestartet wird. In der ersten Startwelle sind die Profis vertreten, in der achten und letzten Startwelle, in der auch ich war, sind die Neulinge. Sie laufen eine Zeit von etwa sechs Stunden. Alles ist also zeitlich gestaffelt nach Profis und nach Anfängern. Ansonsten ist man ziemlich nervös, wenn tausende Leute durcheinander reden, die natürlich auch alle nervös sind. Man weiß, dass man mit all diesen Menschen gleich auf einer Strecke sein wird und diese Strecke ist relativ schmal. Es handelt sich um Waldwanderwege, auf denen drei bis vier Loipen nebeneinander gespurt sind.“
Die Neulinge mussten sich also hinten anstellen und den Profis von Anfang an hinterher laufen. Wie verlief denn der Wettstreit unter euch, den so genannten Breitensportlern? Wurde auch der Ellenbogen eingesetzt?„Es gibt bei diesen Breitensportlern natürlich auch sehr, sehr ambitionierte Leute, die manchmal von hinten angeschossen kommen und für nichts anderes Augen haben, als für das Ziel. Ich hatte auch meine ein bis zwei Kollisionen. Die liefen noch glimpflich ab. Man krallt sich dann ineinander und versucht die Skier während der Fahrt wieder zu entwirren. Meistens geht alles gut. Man lächelt sich nachher einander an und sagt noch ´Gute Reise´. Und dann geht es weiter. Man merkt also schon, dass die Leute angespannt und nervös sind. Aber sie bemühen sich dennoch, das Ganze als Volkslauf aufzufassen.“
Wie waren denn die Bedingungen? War die Strecke gut präpariert und ausgewiesen? Wie war der Kurs überhaupt?
„Die Wetterbedingungen waren nicht ganz leicht. Man kann sich in Bedřichov die Skier von Profis wachsen lassen. Man braucht ja einen bestimmten Wachs an den Skiern, damit man die Berge auch hinaufkommt und nicht nur hinunter. Diese Menschen waren am Morgen recht verzweifelt, denn sie wussten nicht, wie sie wachsen sollten. Das Wachsen richtet sich ja nach der Temperatur sowie nach Art und Beschaffenheit des Schnees. An jenem Tag war das schwer einzuschätzen, denn es schneite schon am Morgen und die Schneeflocken wechselten sehr stark. Es ließ sich dennoch ganz gut laufen. Die Sonne hat zwar nicht geschienen, aber das Wetter ist einigermaßen konstant geblieben. Nur ganz am Ende, auf den letzten zehn Kilometern, fing noch ein dichtes Schneetreiben an, sodass ich die Abfahrten nicht mehr so richtig überblicken konnte. Ansonsten ist die Strecke wunderschön. Sie führt in Form einer Acht durch das gesamte Isergebirge. Und am äußersten Punkt, beim Ort Jizerka, ist man schon fast im Riesengebirge. Man fährt also nur ganz selten eine Strecke doppelt.“
Eine tolle Landschaft also. Konntest du sie auch genießen oder hast du alles nur dem einen Ziel untergeordnet: Hauptsache durchhalten und ankommen?
„Ich muss zugeben, dass ich die Landschaft nicht genossen habe. Ich habe auf die Skier und die Skischuhe meines jeweiligen Vordermannes geachtet, auf meinen Rhythmus und auf das Atmen. Es bleibt nicht viel Zeit, auf die Landschaft zu achten. Man muss sich darauf konzentrieren, nicht hinzufallen, denn bei Überholaktionen muss man natürlich auch die Spur wechseln. Das heißt, in diesen fünf Stunden muss man voll konzentriert sein. Die Landschaft nimmt man daher nicht wahr. Das macht man beim Training vorher.“
Also muss doch das Schönste bei diesem Lauf sein, wenn man im Ziel ankommt. Wie war denn das Gefühl bei dir, nach 50 Kilometern endlich im Ziel zu sein? Was waren deine ersten Gedanken?
„Ich habe mir noch einen kleinen Kampf mit einem Mitstreiter geliefert. Das war spannend, aber natürlich nicht ganz ernst gemeint. Ich dachte mir nur: Wenn es noch irgendwie geht, dann lege ich jetzt noch einmal eine Schippe drauf! Direkt nach dem Zieleinlauf spürt man nicht mehr viel. Man ist angekommen, die Leute jubeln einem freundlicherweise noch ein wenig zu und 15 Minuten lang habe ich erst einmal gar nichts gedacht und gespürt. Erst dann ging es mir langsam auf, dass ich gerade zum ersten Mal einen Skilanglauf-Marathon bewältigt habe und das auch noch in einer halbwegs guten Zeit.“
Wie lange hast du für das Rennen gebraucht?„Insgesamt war ich 4:44 Stunden unterwegs.“
Eine gute Zeit, und dann noch eine mit einer Schnapszahl…
„…ja, den Schnaps habe ich mir dann am Abend auch noch gegönnt. Es ist aber auch ein tolles Gefühl, wenn man solch einen Marathon geschafft hat.“