Regionjournal

Herzlich willkommen zu einer weiteren Ausgabe von Regionaljournal, in der wir Sie unter anderem in ein nordmährisches Bergdorf mit schweizerischer Demokratie entführen werden. Die Einwohner bestimmen alles selbst und sind mit dem aktuellen Stand der Dinge zufrieden. Wie es dazu gekommen ist werden Sie mit uns in den folgenden Minuten erfahren sowie auch wie es kommt, dass man in Pardubice statt einen Fahrschein zu entwerten mit dem Lebkuchen für eine fahrt bezahlt. Zu all dem wünscht Ihnen vom Mikrophon gute Unterhaltung Dagmar Keberlova.

Nicht nur Schattenregierung gibt es in der Tschechischen Republik. Jetzt kommt auch eine Schattengemeindevertretung hinzu. Wo, fragen Sie sich? In dem nordmährischen Gebirge Jeseniky/Altvatergebirge, dort existiert derzeit eine Gemeinde, die keine offizielle Gemeindevertretung hat. Das heißt aber nicht, dass in dem Dorf Chaos oder Anarchie herrschen würde. Ganz im Gegenteil, die Menschen bestimmen mit großem Interesse über alles, was im Dorf unternommen wird. Aber vielleicht müssen wir ganz am Anfang dieser Geschichte beginnen, der mit Sommer 2000 datiert ist. Zu dem Zeitpunkt haben nämlich die Bürger des Dorfes Kobyla, dass administrativ zur nahegelegenen Gemeinde Zulova gehörte, erfahren, dass die Prager Regierung die Gründung von kleinen Gemeinden aufheben will. Und tatsächlich ist es gelungen, in die Reform der öffentlichen Staatsverwaltung, die mit dem 1. Januar 2001in Kraft getreten ist, die Änderung durchzusetzen, dass ein neues Dorf nur dann entstehen kann, wenn es mehr als 1000 Einwohner hat. Deshalb begann man in Kobyla rasch zu handeln, weil sie sich von Zulova trennen wollten und nur ca. 500 Einwohner haben. Über die Trennung haben sie jahrelang überlegt, weil sie zu Zulova eigentlich nur durch den Entscheid der kommunistischen Machthaber im Jahre 1985 zugeordnet wurden. Über die Gründe, die die Einwohner von Kobyla zur Trennung geführt haben, erzählt der derzeitige sagen wir Schattenbürgermeister Bohumil Poulicek:

"Der Hauptgrund zur Trennung war der, dass unsere ca. 500 Bürger in der Gemeindeverwaltung in Zulova keinen einzigen Vertreter hatte. Und das hat uns nicht gefallen, weil wir nicht mitentscheiden konnten, was hier passieren wird. Noch schlimmer, wir haben es erst nachträglich aus den Kundgebungen der Gemeindeverwaltung erfahren, nach dem über alles entschieden wurde."

Deshalb beschlossen die Menschen in Kobyla, in einem Referendum über die Trennung abzustimmen. Ein Team von Freiwilligen hat das Referendum organisiert. Das Ergebnis: 85 Prozent aller Einwohner haben für die Selbstständigkeit von Kobyla gestimmt. Der Antrag auf die Trennung musste schnell eingebracht werden, da die Frist mit Ende September um war. All die notwendigen Dokumente wurden in Prag im letzten Moment eingebracht und die Trennung wurde tatsächlich bewilligt. Doch damit war noch nicht gewonnen. Gestolpert ist die ganze Aktion darauf, dass die Abgeordneten das Gesetz über Gemeindewahlen nicht verabschiedet haben. So wird die Gemeinde Kobyla provisorisch von dieser Schattenvertretung regiert und offiziell wird das Dorf von einem Vertreter des Bezirksamts geleitet, der jeden Montag in das Dorf kommt. Wie man in diesen Bedingungen über ernste Dinge entscheiden kann? Wunderbar, bei direkten Abstimmungen aller Bürger, bestätigte uns der provisorische Bürgermeister Bohumil Poulicek:

"Durch öffentliche Versammlungen ersetzen wir eigentlich die Entscheidungen des Gemeinderates. Damit die Bürger nicht glauben, dass über sie eine Gruppe von Menschen entschieden hatte, die keine Rechtsmacht und Entscheidungskraft hat, laden wir immer alle ein, um gemeinsam zu entscheiden. Jetzt beispielsweise war es die Wasserleitung. Wir haben den Menschen die Problematik erklärt und dann ein kleines Referendum gemacht, wo sie sich dafür ausgesprochen haben. Mit dem Bau der Wasserleitung verschuldet sich das Dorf mit 5,6 Millionen Kronen und so haben wir die Zustimmung aller und in der Zukunft kann uns nicht vorgeworfen werden, wir hätten willkürlich über etwas entschieden."

Und so funktioniert es bei jeder Entscheidung. Die hohe Beteiligung bei den Versammlungen signalisiert, dass die Menschen wirklich an dem Geschehen im Dorf interessiert sind. Dabei bringen sie auch ihre Ideen und die Schattenvertretung nimmt sie in die Diskussion mit. Überraschendes Interesse möchte man sagen, die Menschen bieten sogar ihre Hilfe an, führt Herr Poulicek weiter aus:

"Bei uns geht es sogar so weit, dass die Leute kommen und uns sagen, wir sollen eine geplante Aktion auf das Wochenende verschieben, denn da haben sie Zeit und können mit eigenen Händen etwas dazu leisten. Alle sagen, dass wir zeigen müssen, dass wir nicht nur über uns selbst bestimmen können, sondern auch selbst was weiterbringen können."

Aktiv zu sein heißt die Devise des Herrn Poulicek und so handeln sie auch. In Kobyla versucht man, den Postbetrieb sowie auch die Schule zu erhalten. Auch sind sie gerade dabei, den Rundfunk einzuleiten. Hauptsache ist dem Schattenbürgermeister Poulicek zufolge, Erfolg zu haben, so dass die Menschen zufrieden sind und sehen, dass diese Entscheidung die richtige war.

Und wann alles offiziell sein könnte? Und der Schattenbürgermeister vielleicht zu einem regelrecht gewählten und auch in der Verwaltung offiziell auftretendem? Erst wenn die Politiker das notwendige Gesetz verabschieden. Bis dahin wird weiterhin das fabelhafte Beispiel der Schweizer Demokratie umgesetzt, anscheinend mit großem Erfolg.


In Tschechien scheint die Republik aus der Mode zu kommen und dafür die Königreiche große Popularität zu gewinnen. In dieser Sendereihe informierten wir Sie bereits über das fiktive Wallachische Königreich und das vor kurzem entstandene Altvaterland. Heute bringen wir Ihnen zwar nicht die Nachricht über ein neues Königreich, dafür aber über eine frisch gebackene Königin. Zu der Königin des Lebkuchenkönigreiches wurde Anfang Mai Jana Syreckova im ostböhmischen Pardubice gewählt.

Mit der Krönung der besten Lebkuchenbäckerin und mit der Vergabe der Urkunden wurden die ersten Festlichkeiten des Lebkuchens in Pardubice beendet. Die Urkunden berechtigen ihren Besitzer zum Backen von Lebkuchen das ganze kommende Jahr. Eines der Motive, warum man diese neue Tradition sich einfallen lies, ist den Organisatoren zufolge der Willen, den Fremdenverkehr in Pardubice anzukurbeln, die durch ihre Lebkuchenbäcker berühmt sind. Das Interesse um diese Aktion war einem der Veranstalter zufolge groß und für die Zukunft wolle man diese Veranstaltung so gestalten, dass Pardubice dann auch das ganze Jahr durch als Zentrum des Lebkuchenkönigreiches präsentiert werden. Und wie so ein Tag ausgesehen hatte, an dem die Lebkuchenkönigin gekrönt wurde?

Das Lebkuchenfest begann in der Früh, wo in einer Kutsche die Krönungsreliquien ins Schloss gebracht wurden. Dort hatten die Veranstalter verschiedene Musikvorstellungen vorbereitet, sowie Märchenaufführungen für Kinder. Gefehlt haben nicht ein Wettbewerb im Essen von Lebkuchen sowie Musterbacken und Verzieren von dieser leckeren Mehlspeise. Höhepunkt des Tages war dann die Wahl der Königin, zu der sich 22 Bäckerinnen aus ganz Tschechien präsentiert haben. Jede von ihnen haben ein Lebkuchenherz vorbereitet. Über das schönste Herz, auf dem das Relief des Pardubitzer Schlosses zu sehen war, haben dann die Besucher der Veranstaltung entschieden. Lebkuchen herrschte in der ganzen Stadt und man konnte sich für ein Stück Lebkuchen auch mit dem historischen O-Bus fortbewegen. Dieser musste allerdings nicht abgegeben werden, man musste ihn nur während der Fahrt bei sich haben. Und wenn sie zur gewünschten Station angekommen sind, konnten sie dann beim Aussteigen in das famose Pardubitzer Gold rein beißen.