Renaissance-Schloss in Litomyšl
Litomysl/Leitomischl war seit jeher ein bedeutendes Zentrum der Bildung und Kultur. Im Bewusstsein der Musikliebhaber hat es sich besonders als Geburtsstadt des Komponisten Bedrich Smetana etabliert, bei Lesern ist es als Spielort der Erzählung "Philosophengeschichte" von Alois Jirasek bekannt. Doch im Zentrum unseres Interesses liegt diesmal nicht die eigentliche Stadt, sondern ihre Dominante - das Renaissanceschloss, dass seit 1999 im UNESCO-Verzeichnis des Weltkulturerbes steht. Durch die Sendung führen Sie Silja Schultheis und Markéta Maurová.
1567 erhielt der Sohn des mährischen Hauptmanns Vratislav von Pernstein die Herrschaft Leitomischl mit der Burg als Lehen von Kaiser Ferdinand. In den folgenden Jahren ließ er es zum Sitz für sich und seine spanische Gattin Maria Manrique de Lara, eine Hoffrau der Kaiserin Maria, errichten. Am Bau beteiligte sich als Architekt und Baumeister u.a. der Italiener Giovanni Battista Aostalli, der auch am Bau des bekannten Belvederes in Prag wirkte. In Leitomischl entstand bis 1581 ein einzigartiges Werk der Hochrenaissance. Unsere Besichtigung des Komplexes, bei der uns Helena Slepickova begleitet hat, beginnen wir in der Schlosskapelle:
"Dies ist der jüngste Raum des Renaissance-Baus. Die Renaissance-Baumeister, die das Haus gebaut haben, die Aostallis, nutzten gerade hier, beim Bau des Gotteshauses, die Überreste des alten gotischen Palastes, der hier zur Zeit Karls IV. und des Bistums in Leitomischl stand. Sie knüpften an die alte Gotik an und errichteten hohe Spitzbogenfenster. Das war zur Zeit der Renaissance eigenartig."
Das Schloss wurde für die spanische Prinzessin errichtet und diesem Anliegen wurde auch der spanische Stil seines Interieurs angepasst. Die Zimmer erhielten hölzerne Kassettendecken, die Einrichtung war spanisch und es wurden auch spanische Gemäldesammlungen hierher gebracht. Maria Manrique de Lara ist als jene Dame in die Geschichte eingegangen, die die bekannte Statue des Prager Jesuskinds, Bambino di Praga, in das Königreich Böhmen brachte. Während ihrer Ehe mit Vratislav von Pernstein gebar sie 20 Kinder, von denen acht das Erwachsenenalter erreichten. Und die Pernsteiner Töchter wurden eben gerade in Leitomischl erzogen. Das wichtigste Element, das an die Pernsteins heute in Leitomischl erinnert, ist die Sgraffito-Ausschmückung des Innenhofs und der Fassade:
"Vratislav von Pernstein ließ am Ende des 16. Jahrhunderts sein Haus mit diesen Bildern verzieren. Hier von den Arkaden hat man einen schönen Blick auf die figuralen Sgraffiti, die vom italienischen Meister Simon geschaffen wurden. In der ersten Reihe oben zwischen den Fenstern stellte er antike, mythologische Szenen dar, wie etwa die Entführung der Schönen Helena und den Beginn des Trojaner-Krieges. Die breiten Sgraffito-Bilder erinnern an Reitkämpfe in Rom und wurden nach Gravierungen von Leonardo da Vinci gemacht. Und in der dritten Reihe unten zwischen den Fenstern entwickelt sich die biblische Geschichte aus dem Alten Testament über Samson und Dalila.Rund um das Haus, an der Fassade, befinden sich kleine Brief-Sgraffiti. Ihre Anzahl erreicht mehr als 8 Tausend und jedes Bild ist individuell. Sie finden dort keine zwei identischen Bilder."
Hätten Sie jedoch Leitomischl vor 100 oder 200 Jahren besucht, würden Sie dort keinem Sgraffito begegnen. Bereits in der Barockzeit, in der Ära der zweiten Besitzer, der Trautmannsdorfs war es unzulässig, sich das Haus mit Bildern ausschmücken zu lassen, die Motive aus Ovidius´ Metamorphosen zeigen oder Liebesszenen darstellen. Die barocken Hausbesitzer beauftragten daher ihren Hofbaumeister, Franz Maxmilian Kanka, mit den Sgraffiti etwas zu tun. Und dieser Künstler hat sie glücklicherweise nicht vernichtet, sondern nur unter einem Verputz verborgen. Erst 1974 begann man die Sgraffiti wieder zu entdecken, zu restaurieren und zu reinigen. Der tschechische Bildhauer Olbram Zoubek, dem auch weitere Künstler halfen, hat 17 Jahre daran verbracht.
Worauf man in Leitomischl besonders stolz ist, das ist das dortige barocke Schlosstheater. Nur wenige Beispiele von solchen Theatern sind in der Welt bis heute erhalten geblieben - zu nennen seien Drotningsholm und Gripsholm in Schweden, das russische Ostankino, die Barockoper in Bayreuth oder das Schlosstheater im südböhmischen Ceský Krumlov (Krumau).
Es wurde Ende des 18. Jahrhunderts errichtet und war für die Sommerperioden bestimmt, wenn der Adel im Schloss weilte. Die feierliche Eröffnung fand am 23. April 1798 statt. Graf von Waldstein-Wartenberg und die Mitglieder seiner Familie selbst spielten damals moderne Theaterstücke. In den Logen saßen Angehörige der Adelsfamilien aus der Umgebung von Leitomischl, auf den Bänken einige Stadtbürger sowie Schlossbeamte. Bis heute haben sich 16 Variationen der Kulissen und Bühnendekorationen erhalten, eine Sammlung, die ein weltweites Unikum ist.
"Interessant ist, dass die Schauspieler oder Musiker, die hier heute spielen, alte barocke Bühnenbilder nutzen können, die bei uns erhalten geblieben sind. Wir haben zwei ursprüngliche Vorhänge und 16 unterschiedliche Bühnenbilder, die der Hoftheatermaler der Habsburger Joseph Platzer Ende des 18. Jahrhunderts für Graf Waldstein malte. Gerade er war auch Schöpfer der Kulissen für das Nostitz-Theater in Prag, z.B. für die Uraufführung von Don Giovanni, sowie der Kulissen für das Wiener Burgtheater."
Zur Bedienung der Bühne und beim Wechsel von Bühnendekorationen während der Vorstellung wurde eine sinnreiche Einrichtung geschaffen, die aus der Werkstatt des Tischlermeisters Vaclav Bonaventura aus Leitomischl stammt und bis heute Ansehen und Begeisterung bei Experten weckt. In der nächsten Zukunft plant man eine Renovierung dieser Maschinerie, damit sie - so wie es in Krumau der Fall ist - beim Theaterbetrieb wieder genutzt werden kann.
In dem Theaterchen, das etwa 100 Zuschauer fasst, veranstaltet man heute verschiedene Konzerte und Theatervorstellungen, und zwar besonders im Rahmen der Opernfestspiele "Smetanas Leitomischl". Im Repertoire steht u.a. das ursprüngliche Barockspiel "Liebhaber und Rivale in einer Person", das anlässlich des 200. Jahrestags des Theaters wiederaufgeführt wurde.
Neben dem Theater kann man auch die eigentlichen Innenräume besichtigen."Obwohl die Besucher hier bei den Rundgängen ein 500 Jahre altes Gebäude durchschreiten, sind die Sammlungen, die wir anbieten, und das Schlossinterieur jünger, diese sind nur 200 Jahre alt. Sie erinnern nicht an die Begründer, die Pernsteiner, sondern an die dritten Besitzer, die Waldstein-Wartenbergs."
In der ersten Schlossetage wurden 27 Räume zugänglich gemacht. Damit ist aber nicht alles ausgeschöpft, was hier die Besucher sehen können. Wenn sie das eingerichtete Schlossinterieur verlassen, können sie noch das zweite Stockwerk besuchen, in dem sich im Sommer eine Stadtgalerie sowie verschiedene Kunstausstellungen befinden. An den Besuch im Schloss kann noch mit einer Besichtigung des Geburtshauses von Bedrich Smetana gleich gegenüber oder des Antiken Museums angeknüpft werden.
Soweit, liebe Hörerinnen und Hörer, unsere Einladung nach Leitomischl. Als die beste Empfehlung kann Ihnen dienen, dass das Schloss in seiner jüngsten Geschichte die vornehmsten Gäste begrüßte: 1994 trafen sich dort sieben mitteleuropäische Staatspräsidenten und ein Jahr später besuchte das spanische Königspaar dieses Schloss, das doch mit der spanischen Geschichte eng verbunden war. Aus dem Studio verabschieden sich von Ihnen Silja Schultheis und Markéta Maurová.