Rentenreform: „Niemand wird von diesem System profitieren“
Die Diskussion um die Rentenreform, wie sie von der Regierung vorgeschlagen wurde, ist schon heiß entbrannt. Da das ganze mit einer saftigen Mehrwertsteuererhöhung verbunden sein soll – der untere Satz soll auch auf 20 Prozent angehoben werden – gab es auch schon Streit innerhalb der Koalition. Der wurde am Mittwoch beigelegt, alles bleibt wie geplant: Private Rentenfonds sollen das staatliche System auffangen und stützen. Christian Rühmkorf fragte beim Experten für Sozialpolitik, Petr Víšek, nach, wer eigentlich der Gewinner dieser Reform sein wird.
„Jedes System braucht von Zeit zu Zeit eine Reform. Und unser Rentensystem ist nicht in Ordnung. Darauf hat auch das Verfassungsgericht aufmerksam gemacht. Es hat die Schieflage kritisiert, dass Menschen, die viel in die Rentenkasse eingezahlt haben, also ein höheres Gehalt hatten, am Ende eine relativ niedrige Rente bekommen, und so weiter und so fort. Aber die jetzige Reform, deren Maßnahmen angeblich unerlässlich sind, geht von falschen Standpunkten und Argumenten aus. Es ist nicht vollständig richtig, dass das jetzige System in einem kritischen Zustand ist. Es gibt ein bestimmtes Defizit. Und das Rentensystem steht am Ende zweier anderer Faktoren. Erstens der Geburtenraten, zweitens der Arbeitslosigkeit. Wenn es wenige Kinder gibt und zugleich eine hohe Arbeitslosigkeit, dann fließt auch weniger Geld in die Rentenkassen. Also: Ja, gewisse Transformationsschritte müssen unternommen werden. Aber das, was heute als Reform bezeichnet wird, das ist nicht erforderlich, das ist eine falsche Richtung, meiner Ansicht nach.“
Die Reform sieht Folgendes vor: Der Staat macht pro Bürger 3 Prozent aus den Abgaben für die Sozialversicherung frei, wenn der Bürger noch 2 Prozent dazu gibt und alles in einen privaten Rentenfonds einzahlt. Wer profitiert von dieser Reform? Auf alle Fälle die privaten Rentenfonds – das ist so sicher wie der Tod. Wer aber profitiert außerdem – der Staat oder die Bürger?„Die Antwort auf diese Frage muss eigentlich lauten: wahrscheinlich niemand. Eben nur die neuen privaten Rentenfonds, das ist wohl das Einzige. Denn wenn wir einen Teil des Geldes aus dem bisherigen staatlichen System abziehen, dann sinken damit die Einnahmen des Staates, paradoxerweise. Auch der Bürger wird nur schwer einen Vorteil davon haben, wenn wir uns die derzeitige Verzinsung bei den Privaten anschauen. Zumal in Zeiten der Verunsicherung, die wir während der Wirtschaftskrise erlebt haben, als die Aktien fielen. Und wenn der Staat argumentiert, er könne den privaten Rentenversicherungen vorschreiben, wie sie ohne Risiko wirtschaften, zum Beispiel indem sie nur staatliche Pfandbriefe kaufen dürfen, dann müssen wir uns vor Augen führen, dass auch der Staat bankrott gehen kann. Das zeigt sich ja jetzt in Europa. Ich befürchte also, dass niemand von diesem System profitieren wird.“
Warum muss für diese Reform die Mehrwertsteuer erhöht werden?
„Ich glaube, dass die Erhöhung der Mehrwertsteuer mit dieser Reform überhaupt nichts zu tun hat. Bei uns gilt nämlich eine Anomalität: Die Rentenbeiträge der Bürger sind als Einnahmen des Staates definiert, und aus dem Staathaushalt werden die Rentner bezahlt. In Zeiten, als das System gewinnbringend funktionierte und der Staat 40 bis 60 Milliarden Kronen mehr einnahm als er an die Rentner auszahlte, da hat er alles bei sich behalten. Und in dem Moment, wo der Staat draufzahlen müsste, denkt er sich irgendeinen Mechanismus aus oder erhöht die Steuern. Die Erhöhung und Vereinheitlichung der Mehrwertsteuer wird als Wundermittel angesehen. Aber in einer Reihe von europäischen Ländern gibt es zwei, drei oder sogar fünf Mehrwertsteuersätze, die auf bestimmte Umstände reagieren. Ich glaube, die Erhöhung der Mehrwertsteuer hat nichts mit der Rentenreform zu tun. Es handelt sich im Grunde um eine Erhöhung der Verbrauchssteuer und die Regierung stellt das in einen falschen Zusammenhang.“
Für die Rente sparen muss jeder. Welche Art würden Sie vorziehen?„Auch viele Finanzexperten wissen nicht genau, worin man investieren soll. Sie empfehlen oft, Land zu kaufen, das ja nicht verloren gehen kann. Meiner Ansicht nach ist das Beste eine sichere, bekannte und solide Bank mit keiner besonders hohen, aber sicheren Verzinsung. Die andere, strategischere Art vorzusorgen, ist, viele Kinder zu haben. Was ein wenig paradox ist, denn Kinder sind bei uns und überhaupt eine teure Angelegenheit. Aber Kinder sind eine gewisse Sicherheit, dass der Staat sich so entwickelt, dass er keine Probleme mit der Rentenreform haben wird.“
Wie viele Kinder haben Sie?
„Drei Kinder.“
Ich gratuliere. Petr Víšek, herzlichen Dank für das Gespräch.