Rudolf Jindrak, neuer tschechischer Botschafter in Wien

Rudolf Jindrak (Foto: David Reznicek, www.czechembassy.org)

Vielleicht haben einige von Ihnen am Sonntag unser Magazin "Schauplatz" gehört, das ganz dem Wechsel an der Spitze der Tschechischen Botschaft in Wien gewidmet war. In der nun folgenden neuen Ausgabe der Sendereihe "Heute am Mikrophon" können Sie ein ausführlicheres Interview mit dem neuen Botschafter hören. Das Gespräch mit Rudolf Jindrak hat Gerald Schubert geführt:

Herr Doktor Jindrak, am ersten Mai tritt die Tschechische Republik gemeinsam mit neun anderen Staaten der Europäischen Union bei. Diese Erweiterung hat natürlich in politischer und auch in ökonomischer Hinsicht große Bedeutung. Hat sie für den Diplomaten auch eine technische Bedeutung? Wird sich Ihr Amt von dem Ihres Vorgängers Jiri Grusa unterscheiden, weil Sie Botschafter innerhalb der gemeinsamen EU sein werden?

"Das ist wirklich eine neue Situation. Nicht nur ganz allgemein für die Bevölkerung oder die Staatsverwaltung, sondern auch für mich persönlich. Denn der EU-Beitritt, respektive die EU-Mitgliedschaft, ist für meine Generation - ich bin jetzt vierzig - wirklich eine Beendigung dieses Prozesses der Rückkehr nach Europa. Was ändert sich für mich persönlich in meinem neuen Amt? Nun, selbstverständlich werden wir unter neuen Bedingungen arbeiten. Die EU-Mitgliedschaft bietet viele große Möglichkeiten für eine ganz konkrete Zusammenarbeit auf verschiedenen Ebenen - von der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik bis hin zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Österreich ist ja der drittgrößte Handelspartner der Tschechischen Republik. Und ich bin wirklich überzeugt, dass die gemeinsame Mitgliedschaft in der Europäischen Union weitere Möglichkeiten für eine noch engere Zusammenarbeit mit unseren österreichischen und deutschen Nachbarn und auch mit anderen EU-Mitgliedern bietet."

Sie haben an der Formulierung der Deutsch-tschechischen Erklärung mitgearbeitet und haben das einmal als eine sehr interessante Erfahrung bezeichnet. Was war das besonders Interessante an dieser Erfahrung, was waren die Herausforderungen, was war der besondere Sinn dieser Erklärung?

"Sie ist ein Teil von meinem Leben. Ich sage oft zu meinen Kollegen, diese Erklärung hat mich zwei Jahre von meinem Leben gekostet. Die Arbeit war wirklich sehr interessant, aber auch sehr schwierig. Die ganze Debatte hat eben mehr als zwei Jahre gedauert, wir haben uns mit unseren deutschen Partnern elfmal getroffen. Und wir fanden Formulierungen über die Vergangenheit, über das tschechische Bedauern und selbstverständlich auch das deutsche. Die Deutsch-tschechische Erklärung ist heute wirklich ein Grundstein der bilateralen Beziehungen. Ich denke, wir haben darin einen Kompromiss gefunden, in dem die Vergangenheit und die Zukunft aufeinander treffen. Für mich persönlich hat sie also eine große Bedeutung. Und nicht zu vergessen: Der tschechische Ministerpräsident Vladimir Spidla hat sich im Sommer 2003 bei der so genannten Wachauer Rede auch zu den tschechisch-österreichischen Beziehungen geäußert. Spidla hat dort gesagt, diese Erklärung bezieht sich auch auf unsere Beziehung zu Österreich. Das war sehr deutlich, und ich meine, dass auch die Resonanz von Österreichischer Seite sehr positiv war."

Gibt es irgendetwas, was Ihnen persönlich besonders am Herzen liegt? Etwas, das Sie als Botschafter gerne bewirken würden?

"Eine große Aufgabe in meinen Augen ist die grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Gerade an den Grenzen gibt es viele nachbarschaftliche Kontakte. An dieser Zusammenarbeit bin ich wirklich sehr interessiert, weil es sich hier um die sehr konkreten täglichen Begegnungen handelt. Eine zweite Priorität ist die Zusammenarbeit auf Nicht-Regierungsebene. Also etwa Partnerschaften zwischen Städten, Vereinen, etc. Auf dieser Bürgerebene sehe ich wirklich sehr viele Möglichkeiten. Und eine weitere Priorität für mich ist die tschechische Minderheit in Österreich und besonders in Wien. Das ist glaube ich ein wichtiges Thema für alle tschechischen Botschafter nach 1989. Etwa die Komensky-Schule in Wien, die ist wirklich ein Wunder. Sie ist im Ausland mit sonst nichts zu vergleichen und wirklich sehr wichtig. So etwas bringt viel Gutes für die Zukunft, und ich hoffe, dass auch meine Kinder einmal in diese Schule gehen werden."

Wie viele Kinder haben Sie, und in welchem Alter?

"Ich habe zwei Töchter. Eine ist sieben Monate alt, die andere drei Jahre. Also ich hoffe, dass wenigstens meine ältere Tochter noch in Wien zur Schule gehen wird. Und freue mich, dass sie nicht nur tschechisch, sondern auch deutsch lernen kann."

Ihr Amtsvorgänger Jiri Grusa ist ein sehr bekannter Mann. Er hat aber auch eine ganz andere Geschichte als Sie: Grusa ist in erster Linie Schriftsteller und wurde dann erst zum Diplomaten. Wie glauben Sie, wird das Ihre zukünftige Arbeit beeinflussen? Gibt es Ihnen gegenüber besondere Erwartungshaltungen?

"Jiri Grusa ist auch in der tschechischen Diplomatie ein Phänomen. Er war fast sieben Jahre Botschafter in Deutschland, und jetzt fast sechs Jahre in Österreich. Ich denke, das ist auch für mich eine Herausforderung. Aber ich bin mit dem Herrn Präsidenten Grusa - er ist ja im Moment Präsident des Internationalen PEN-Clubs - sehr gut befreundet. Wir arbeiten ja schon dreizehn Jahre zusammen. Und ich denke: Bei mir wird es vielleicht umgekehrt: Ich fange als Botschafter, als Diplomat an - und werde vielleicht als Schriftsteller enden. Ich habe ja auch schon ein Buch geschrieben. Aber ich bin promovierter Jurist, also ist das keine Prosa und keine Lyrik, sondern ich habe über das Internationale Recht geschrieben. Und ich hoffe, dass das auch in Zukunft ein interessantes Thema für mich sein wird. Also: Vielleicht mache ich das umgekehrt wie Herr Grusa."