Sängerin Helena Vondráčková: „In Deutschland habe ich gelernt, perfekt zu sein“
Die Schlagersängerin Helena Vondráčková war neben Karel Gott der in Deutschland bekannteste tschechische Star. In den 1970er und 1980er Jahren war sie unter anderem Stammgast bei der DDR-Unterhaltungsshow „Ein Kessel Buntes“, eine Ausgabe hat sie sogar auf Deutsch auch moderiert. Nach der Wende wurden ihre Auftritte im Nachbarland zwar seltener, Vondráčková war aber weiterhin öfters im deutschsprachigen Fernsehen präsent. 2019 erhielt sie den deutschen Smago-Award für ihre Leistungen für die deutsche Popmusik. Die Sängerin feiert am kommenden Freitag, 24. Juni, ihren 75. Geburtstag.
Frau Vondráčková, wir treffen uns kurz vor Ihrem runden Geburtstag. Als Sängerin können Sie diesen nicht anders als mit Konzerten feiern. Was planen Sie zu diesem Anlass?
„Ich plane für dieses Jahr eine Tournee in Tschechien und der Slowakei. Es sind zirka 30 Konzerte. Wir haben schon im Frühjahr angefangen. Und wegen Corona gab es zunächst Probleme, weil die Leute selbstverständlich ein bisschen Angst hatten, zu den Konzerten zu kommen und überhaupt Kulturveranstaltungen zu besuchen. Aber zum Glück ist die Angst vorbei, die Konzerte sind voll, und wir haben damit großen Erfolg. Das freut mich unheimlich. Diese Woche, am Samstag, haben wir ein großes Konzert im Lucerna-Saal. Das ist die berühmteste Konzerthalle bei uns, in einem alten Gebäude in Prags Mitte. Da habe ich auch angenehme Gäste, Sänger und einen Stepptänzer. Es wird selbstverständlich live gesungen, mit meiner Band, der Charlie-Band aus wunderbaren Musikern. Der Tschechische Rundfunk und das Tschechische Fernsehen sind auch dabei.“
„Ich plane für dieses Jahr eine Tournee in Tschechien und der Slowakei. Es sind zirka 30 Konzerte.“
Vor drei Jahren haben Sie den Smago-Award Ihren für Ihr Lebenswerk und Ihren Beitrag für die deutsche Popmusik erhalten. In wie weit ist Ihr Lebenswerk mit Deutschland verbunden?
„Zunächst: Dieser Smago-Award hat mir große Freude gemacht, ich habe mich unheimlich gefreut. Es war ein sehr angenehmer Abend, weil ich die Möglichkeit hatte, ein Lied live zu singen. In Deutsch selbstverständlich. Das ist nach langer Zeit wieder passiert. Zuvor habe ich wenn überhaupt, dann mehr Fernsehen in Deutschland gemacht, als dort öffentliche Konzerte gegeben. Na ja, es war prima.“
Können Sie sich an Ihre Anfänge in Deutschland erinnern? Wie kam es dazu, dass Sie dort gesungen haben? Es war je sehr früh in Ihrer Karriere…
„Das stimmt. Das war 1965. Nach dem Abitur bin ich nach Prag gekommen und erhielt ein Engagement im Theater Rokoko – einem kleinen Theater am Wenzelsplatz, das es immer noch gibt. Mit den Kollegen aus diesem Theater bin ich sehr oft nach Deutschland gefahren. Wir sind damals meist in Westdeutschland aufgetreten, weil unser Theater eine Partnerschaft mit dem Norddeutschen Rundfunk hatte. Ich erinnere mich, dass wir das erste Mal in Köln am Rhein waren und danach in Bremen. Es war eine sehr angenehme Zusammenarbeit. Ich hatte Glück, weil ich als Schulmädchen die Möglichkeit hatte, Deutsch zu lernen. Ich konnte dann auch Deutsch singen, und das war mein Vorteil. Außerdem machten wir eine Fernsehsendung in Bitterfeld. Meinen Erinnerungen nach war auch das Spejbl-und-Hurvínek-Theater dabei, es war ein sehr beliebtes Programm. Den Namen der Serie kenne ich nicht mehr, aber wir waren oft dabei.“
„In Deutschland wurde alles ernster genommen. Das Fernsehen und die Konzerte waren großartig konzipiert. Solch große Shows wie in Deutschland waren bei uns nicht üblich.“
Sie haben vor der Wende sowohl in Westdeutschland, als auch in der DDR gesungen. War die Welt der Popmusik dort anders als die in der Tschechoslowakei?
„Ja, ich muss sagen, in Deutschland wurde alles ernster genommen. Die Tschechen sind so bisschen ‚locker vom Hocker‘, ich meine an erster Stelle die Organisation. Das Fernsehen und die Konzerte waren großartig konzipiert. Solch große Shows wie in Deutschland waren bei uns nicht üblich. Ich war sehr froh, dass ich diese Möglichkeit hatte. In Deutschland habe ich viel gelernt, also etwa perfekt und pünktlich zu sein. Sie hatten damals auch sehr gute Technik sowohl im Fernsehen als auch in den Konzerthallen. Dort hinzufahren hat mir wirklich immer Spaß gemacht. Ich hatte ebenso die Möglichkeit, zusammen mit fantastischen Ballettensembles aufzutreten – ob das das Fernsehballett war oder das Ballett vom Friedrichstadtpalast. In den 1980er Jahren erhielt ich zudem die Möglichkeit, ein ganzes Programm zu moderieren, das war sehr schwer für mich.“
Das war die populäre Fernsehshow „Ein Kessel Buntes“…
„Ein Kessel Buntes, genau. Ich habe vor kurzer Zeit mal durchgezählt: Sieben Mal bin dort im Programm aufgetreten. Das war wirklich sehr lieb. Ich habe das, auch zusammen mit meinem Kollegen Jiří Korn, sehr gerne gemacht.“
Haben Sie eine Stadt, einen Ort oder einen Lieblingssaal in Deutschland, wo Sie besonders gerne aufgetreten sind?
„Der Friedrichstadtpalast war für mich wirklich die größte, schönste und perfekteste Bühne in Deutschland.“
„Der Friedrichstadtpalast war für mich wirklich die größte, schönste und perfekteste Bühne in Deutschland. Ich erinnere mich an meinen ersten Auftritt dort, das war noch der alte Friedrichstadtpalast. Nach ein paar Jahren wurde dieser abgerissen und eine neue, moderne Halle gegenüber gebaut.“
Wir haben am Anfang von Ihren Konzert-Plänen gesprochen. Planen Sie in der nächsten Zeit auch Auftritte in Deutschland? Sie haben gesagt, Sie haben dort längere Zeit nicht konzertiert…
„Ja, weil Corona uns irgendwie davon isoliert hat. Aber ich freue mich, dass ich wieder neue Angebote bekomme. Denn ich habe Deutschland sehr gern und bekomme auch heute noch viele Briefe von deutschen Fans. Hoffentlich klappt das also.“
Frau Vondráčková, Sie sind Sängerin, Ihr Instrument ist Ihre Stimme. Wie pflegen Sie diese? Üben Sie täglich? Oder was machen Sie, damit die Stimme gesund und klar bleibt?
„Sie haben Recht, die Stimmbänder muss man üben, und das mache ich auch. Nicht jeden Tag, aber wenn ich ein Konzert habe, muss ich an dem Tag oder ein paar Tage vorher üben. Ich bin froh, dass meine Stimmbänder in den Händen vieler professioneller Lehrer waren und ich daher mit ihnen umgehen kann. Auch wenn ich etwa erkältet bin, lässt sich dies mit guter Technik irgendwie schaffen.“
Seit dem Frühling dieses Jahres haben Sie eine eigene Sendung im Tschechischen Rundfunk. Sie besteht aus Liedern sowohl von Ihnen als auch von Ihren Kollegen, die Sie vorspielen und mit Ihren Kommentaren und Erinnerungen begleiten. Dies bietet eine Möglichkeit, auf Ihre eigene Karriere zurückzublicken. Wie würden Sie Ihre musikalische Entwicklung in den einzelnen Etappen beschreiben?
„Erst einmal war das ein langer Weg. Ich habe vor vielen Jahren angefangen. 1964 bekam ich beim Konzert ‚Junge Talente‘ den ersten Preis. Und nach meinem Abitur ein Jahr später habe ich zuerst im Theater Rokoko angefangen. Dann nach drei Jahren habe ich mit zwei Kollegen – Václav Neckář, der auch in Deutschland gearbeitet hat, und Marta Kubišová – zusammen in einer Band gesungen. Wir waren ein Trio, aber das hatte nicht lange Bestand. Nach anderthalb Jahren kam der Prager Frühling, und weil Marta sich politisch engagiert hatte, mussten wir aufhören. Das war sehr schade, weil wir wirklich die große Chance hatten, mit unseren Liedern sogar weltberühmt zu werden. Danach arbeitete ich alleine weiter, zunächst mit einer großen Big Band und später mit vielen anderen Gruppen. Dann habe ich angefangen, auch viel zu reisen, ich war überall in der Welt – in Japan, Kanada, ganz Europa, in der damaligen Sowjetunion. Und sehr oft auch in Polen, das dauert bis jetzt an.“
„Der wichtigste Preis für mich war jener, den ich 1977 beim Festival in Sopot in Polen bekommen habe. Ich werde auch die Konzerte mit Karel Gott in der Carnegie Hall in New York nie vergessen.“
Können Sie sagen, was Sie als den größten Erfolg beziehungsweise die größte Freude Ihrer Karriere betrachten?
„Ich bin sehr oft bei verschiedenen Festivals aufgetreten – in Bulgarien, Rumänien, im damaligen Jugoslawien, auch in Japan sowie Brasilien – und habe da viele Preise gewonnen. Der wichtigste Preis, den ich sehr schätze, war jener, den ich 1977 beim Festival in Sopot in Polen bekommen habe. Und dann, vor ein paar Jahren, erstmals 2000 und noch einmal 2005, haben Karel Gott und ich ein Konzert in der Carnegie Hall in New York gegeben. Das war für uns eine tolle Sache. Das Konzert und das Publikum waren so fantastisch, das werde ich nie vergessen.“