Schülerwahlen zur Probe: Piratenpartei als Sieger, auch Rechtsradikale vorne

Foto: ČTK

Die anerkannte Menschenrechtsorganisation Člověk v tísni hat vor zwei Jahren ein Projekt eingeführt, bei dem sich tschechische Schüler mit dem politischen System in ihrem Land vertraut machen. Dabei dürfen die Mädchen und Jungs wählen gehen – und zwar zur Probe. Die Ergebnisse zählen also nicht, aber sie zeigen deutlich die politische Stimmung bei den Jugendlichen. Nun wurden die Kreiswahlen geprobt, die im Oktober stattfinden.

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Insgesamt 180 Schulen haben diesmal an dem Projekt teilgenommen. Erstmals beteiligt war auch das Gymnasium im mittelböhmischen Kladno. Zu den Urnen kamen dort fast alle Wahlberechtigten, das sind Schülerinnen und Schüler über 15 Jahre. Allerdings nahmen sie aus unterschiedlichen Motiven teil:

„Mir wurde gesagt, ich solle wählen, also bin ich wählen gegangen. Ich weiß aber nicht, worum es geht“, sagt einer der Schüler.

„Ich habe teilgenommen, weil ich meine Lieblingspartei unterstützen wollte und weil dies meiner Meinung nach sehr wichtig ist“, sagte ein weiterer Gymnasiast aus Kladno.

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Landesweit gaben rund 22.000 Schülerinnen und Schüler ihre Stimmen ab. Die Ergebnisse wurden am Donnerstagabend bekanntgegeben, und sie bieten mindestens zwei dicke Überraschungen. Mit 20,6 Prozent siegte diesmal nämlich die tschechische Piratenpartei. Vor zwei Jahren hatte noch die liberal-konservative Top 09 von Außenminister Karel Schwarzenberg vorne gelegen, sie erhielt diesmal nur gut 15 Prozent und kam auf Rang zwei. Relativ beunruhigend sind die 10 Prozent Stimmen für die rechtsradikale Partei DSSS.

Jan Hartl  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Die traditionellen Parteien – also die Demokratische Bürgerpartei von Premier Petr Nečas sowie die oppositionellen Sozialdemokraten und Kommunisten – fielen bei den Schülern hingegen durch. Sie erzielten nur einstellige Ergebnisse. Dies trifft auch auf die Grünen zu. Für Jan Hartl, den Leiter des Meinungsforschungsinstituts Stem, sind die Ergebnisse jedoch keine Überraschung:

„Aus den Ergebnissen lässt sich einfach herauslesen, dass die Jugendlichen Alternativen suchen zu den großen etablierten Parteien. Das ist schon immer das Wahlverhalten junger Menschen gewesen, und repräsentative Umfragen bestätigen diesen Trend immer wieder. Es sind also Proteststimmen. Bei den älteren Wählern fallen diese Proteststimmen vor allem der Linken zu, also den Kommunisten. Bei den Jugendlichen richtet sich der Protest gegen die etablierten Parteien. Vor zwei Jahren galt deswegen die Top 09 als heißes Versprechen, das Verhältnis zu ihr hat sich aber schon etwas abgekühlt.“

Karel Strachota
Einige der Jugendlichen, die zur Probe gewählt haben, werden bei den Wahlen im Oktober sogar erstmals an die Urnen gerufen. Für sie war es also eine Generalprobe. Auch deswegen soll das Projekt weitergeführt werden, wie der zuständige Programmleiter Karel Strachota von Člověk v tísni sagt:

„Die Bedeutung der Schülerwahlen sehen wir in der Erziehung junger Menschen zu verantwortungsbewussten Bürgern. Von Anfang an haben wir gesagt, dass wir eine Tradition begründen wollen. Das ist uns mit den zweiten Schülerwahlen vielleicht schon gelungen. Wir planen nun wieder so etwas vor den Präsidentschaftswahlen im Januar.“

Doch zunächst kommt der reguläre Urnengang: Am 12. und 13. Oktober bestimmen die tschechischen Wähler die politische Führung in den 13 tschechischen Kreisen, zugleich entscheiden sie in der ersten Runde über die Neubesetzung von einem Drittel der Senatorensessel. Die zweite Runde der Teilwahlen zum Senat findet dann genau eine Woche später statt.