Schwarzenberg: Jeder Tag mit Polemik über Temelín vertieft die Kluft

AKW Temelin

Der am vergangenen Dienstag von der Europäischen Kommission veröffentlichte EU-Bericht zum Stand des Erweiterungsprozesses, nach dem auch die Tschechische Republik ein aussichtsreicher Kandidat für einen EU-Beitritt im Jahr 2004 ist, hat die Tschechien-Kritiker und Erweiterungsgegner wieder aufschreien lassen. Vor allem die österreichischen. Denn im Kampf gegen die kommerzielle Inbetriebnahme des südböhmischen Atomkraftwerks Temelín versuchen sie, ihre vermutlich letzten Trumpfkarten zu ziehen: ein Veto gegen den tschechischen Beitritt und ein österreichisches Referendum gegen Temelín. Lothar Martin fasst zusammen.

"Die Verhandlungen der Tschechischen Republik mit der Europäischen Union über das Energiekapitel verlaufen insgesamt gut. Der Abschluss des Kapitels wird nach wie vor blockiert vom noch offenen Melker Prozess, der den langwierigen tschechisch-österreichischen Streit über den Betrieb des AKW´s Temelín lösen soll" - diese Aussagen machte der tschechische Sekretär für europäische Angelegenheiten Pavel Telicka letzte Woche im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des EU-Berichts. Darin eingeschlossen war die positive Beurteilung der Europäischen Kommission zu den Sicherheitsfragen und Umweltstandards des Atommeilers. Doch die österreichischen Bedenken gegen das Kraftwerk sind auch damit offensichtlich noch nicht aus der Welt geschafft. Daher ist seit Sonntag wieder eine von der Internationalen Agentur für Atomenergie in Wien entsandte Expertengruppe in Temelín vor Ort, um noch offene, von Österreich und Deutschland angezweifelte Sicherheitsfragen zu begutachten und zu beurteilen. Die elfköpfige Kommission, gebildet von Experten aus Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Spanien und Bulgarien sowie einem Beobachter aus Österreich wird sich dazu eine Woche Zeit nehmen. Der Sprecher des Kernkraftwerks, Milan Nebesár, sagte gegenüber dem Tschechischen Rundfunk: "Im März 1996, als das Kraftwerk noch in der fortgeschrittenen Bauphase war, haben die Experten aus Wien schon einmal die zu Fragen der Sicherheit des Meilers getroffenen Lösungen begutachtet. Die Experten sprachen mit Anerkennung von den guten Vorkehrungen hinsichtlich der Sicherheitsfragen sowie vom Stand der damals schon eingeleiteten Modernisierung des Kraftwerks. Denn ebenso wie die Zeit voranschreitet, ändern sich auch die Meinungen und Anforderungen, die das sicherheitstechnische Niveau solcher Anlagen betreffen. Neue Erkenntnisse, wie sie in der Welt gemacht werden, werden daher in allen Kernkraftwerken einschließlich Temelín so eingebracht, dass die Sicherheit der Anlagen auf einem höchstmöglichen Niveau steht."

In die gleiche Kerbe schlug auch der österreichische Unternehmer und ehemalige Berater des tschechischen Präsidenten Václav Havel, Karl Schwarzenberg. In einem Gespräch für das österreichische Magazin "Format" hat er die Haltung der österreichischen Seite zum Atomkraftwerk Temelín scharf kritisiert. "Überall in der EU existieren heute Kernkraftwerke, und so ist ein neuer Renault sicherer als ein 20 Jahre alter Mercedes, genauso wie Temelín sicherer ist als ein 20 Jahre altes deutsches Kernkraftwerk in Bayern," sagte der Adlige in Anspielung auf die Forderung der Österreicher, dass Temelín den deutschen Normen entsprechen sollte. Schwarzenberg lehnte auch die Drohung nach einem österreichischen Veto gegen den EU-Beitritt Tschechiens ab, die sich die in die Regierungskoalition eingebundene FPÖ auf ihre Fahnen geschrieben hat. "Ich hoffe nur, dass diese bedauernswerte Angelegenheit sich nicht allzu sehr hinzieht. Jeder Tag mit solch einer Polemik vertieft die Kluft und schafft einen bitteren Beigeschmack auf beiden Seiten," sagte Schwarzenberg.