Sicherheitsexperte Zdenek Kriz über US-Vergeltungsschlag

Tschechische Zeitungen am 19. 10. 2001

Die tschechischen Zeitungen titeln seit Tagen mit Schlagzeilen wie "Amerikanische Vergeltung" oder "Krieg in Afghanistan". In den meisten Tageszeitungen sind die Berichte über die Terroranschläge in den USA und deren Folgen mit den Schlagworten "Amerika im Krieg"überschrieben. Ein Beitrag von Olaf Barth.

Wir wollten von einem Fachmann wissen, wie er die derzeitige Situation einschätzt und wendeten uns an den Verteidigungs- und Sicherheitsexperten der Brünner Militärakademie, Zdenek Kriz. Wie sollte seiner Meinung nach die USA, aber auch die NATO, nun in ihrem Kampf gegen den Weltterrorismus vorgehen?

"In diesem Zusammenhang ist es notwendig, sich sehr genau zu überlegen, wen man erreichen will. Meiner Meinung nach, muss sich die amerikanische politische Elite über die politischen Ziele im Klaren sein, die sie mit einer militärischen Aktion verfolgt. Will sie die Urheber finden, muss sie sehr gründliche Untersuchungen anstellen. Wenn sie die öffentliche Stimmung in den USA beschwichtigen will, reicht ein Bombardement der Taliban. Wenn Bin Laden bestraft werden soll, halte ich eine Geheimdienstoperation, die zu seiner Festnahme oder Liquidierung führt, für angebrachter. Möchte sie aber den Terrorismus wirksam und langfristig bekämpfen, müsste sie meiner Meinung nach, ihre Politik gegenüber den Herkunftsländern der Terroristen ändern und die dortigen Regierungen überzeugen und unterstützen, damit diese den Terrorismus im eigenen Land bekämpfen und nicht dulden. Dieser letzte Aspekt kostet aber große Anstrengung und ich bin nicht sicher, ob die USA dazu bereit und darauf vorbereitet sind. Durch Drohungen oder gar Angriffe auf jene muslimische Länder wird man die eigentlichen Ziele wohl nicht erreichen. Mit anderen Worten: Die Amerikaner sollten sich bemühen, Verbündete außerhalb des Bereichs der amerikanisch-europäischen Zivilisation zu finden. Als weitere Folge der Terrorismusbekämpfung kann es aber durchaus auch zu einer allmählichen Einschränkung der Bürgerrechte in den demokratischen Staaten kommen."

Die Taliban haben, für den Fall eines Angriffs der USA, zum Dschihad - zum Heiligen Krieg aufgerufen. Bedeutet dies neue Terroranschläge? Dazu Herr Kriz:

"Das lässt sich nur schwer vorhersagen. Allgemein würde ich sagen, dass ein kleiner Teil der Muslime dem Dschihad folgen könnte, was aus sicherheitspolitischer Sicht zu einem Problem nicht nur für Amerika, sondern auch für Europa werden könnte."

Autor: Olaf Barth
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