Sieben Monate nach den Wahlen: Endlich ein Kabinett
Nach 230 Tagen, die seit den Parlamentswahlen im Juni 2006 vergangen sind, hat die Tschechische Republik nun endlich eine handlungsfähige Regierung. Am Freitag um 19.40 Uhr war es soweit: Das aus einer Drei-Parteien-Koalition gebildete Kabinett von Mirek Topolanek hat das Vertrauen der Abgeordneten erhalten.
Bereits vorher unterzeichnete Premier Mirek Topolanek mit den sozialdemokratischen Abgeordneten Milos Melcak und Michal Pohanka eine Vereinbarung. Darin wurde bestätigt, dass die beiden abtrünnigen CSSD-Parlamentarier für ihre bereits früher erklärte Bereitschaft, das Kabinett zu tolerieren, keinen bedeutenden Posten bekleiden oder irgendwelche anderen Vorteile genießen werden. Verankert wurden außerdem einige Zugeständnisse, die das Kabinett im Regierungsprogramm gemacht hatte. Dazu der Parteichef der Christdemokraten, Jiri Cunek:
"Sie wollten eine Art Garantie dafür haben, dass das Programm, in dem die Forderungen der beiden Abgeordneten berücksichtigt wurden, nicht morgen schon wieder geändert wird."
Im Abgeordnetenhaus versammelten sich alle 200 Abgeordnete, denen Mirek Topolanek sein Kabinett vorstellte:
"Es geht um ein Kabinett, dass ganz klar sagt: Entweder werden wir die notwendigen Reformen durchsetzen, oder es müssen vorgezogene Neuwahlen über die weitere Orientierung des Landes entscheiden."Obwohl es fast als sicher galt, dass das Kabinett diesmal im Abgeordnetenhaus Erfolg haben wird, entbrannte eine Debatte, die endlos zu werden schien. Die Sozialdemokraten wollten dem Premier dessen erwarteten Sieg doch ein wenig vergällen. Außerdem wurde die Sitzung vom öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen live übertragen, und so nutzten fast alle Abgeordneten der Opposition die Chance, einmal im Rampenlicht zu stehen. Unermüdlich kritisierten die Sozialdemokraten und Kommunisten das Regierungsprogramm. So prophezeite beispielsweise der Vizechef der CSSD, Bohuslav Sobotka, Folgendes:
"Die Lebensmittelpreise werden steigen. Teurer werden auch Medikamente, Wasser und Mieten."
Zum Abschluss der Diskussion erklärte der Abgeordnete Milos Melcak erneut, warum er sich entschieden hat, das Kabinett von Mirek Topolanek zu tolerieren. In seiner Rede kritisierte er den Parteichef der Sozialdemokraten, Jiri Paroubek, scharf: Ihm geht es nach Melcaks Meinung nicht um ein Programm, sondern nur um seine Karriere. Paroubeks Leute seien, so der Abgeordnete, in der Lage, andere unter Druck zu setzen und einzuschüchtern. Während der Abstimmung verließen Melcak und Pohanka wie erwartet den Saal. Alle 100 Abgeordneten der Regierungskoalition unterstützten das Kabinett. 97 Parlamentarier lehnten es ab und ein Sozialdemokrat enthielt sich der Stimme. Premier Topolanek sprach danach eher von Erleichterung als von einem Siegesgefühl:"In der Politik kann jeder Sieg entweder einer folgenden Niederlage vorausgehen, oder aber, er kann den Menschen dazu zwingen, sich um einen neuen Sieg zu bemühen. Ich habe keine besonderen Gefühle, aber bin froh, dass es nun eine Regierung gibt, die das Vertrauen des Abgeordnetenhauses genießt und dass wir die Monate lange politische Krise überwunden haben."
Die Sozialdemokraten und Kommunisten behaupten, dass eine Regierung, die ihrer Meinung nach durch Verrat und Korruption entstand, wenig vertrauenswürdig sein wird. Kommunistenführer Vojtech Filip meinte:
"Die Regierung wird schwach sein, die Umsetzung ihres Programms wird umstritten sein. Dies wird sowohl die wirtschaftliche Entwicklung der Tschechischen Republik als auch ihre internationale Stellung erschweren."
Die Tatsache, dass die Stellung der Regierung nicht stark sein wird, ist nach Meinung des Parteichefs der Grünen, Martin Bursik, jedoch auch ein gewisser Vorteil:
"Für die Demokratie ist es nützlich, wenn die Opposition die Chance hat, bestimmte Dinge umzustürzen. Ich meine, dass es gut ist und dass das Kräfteverhältnis dazu beitragen wird, dass sich die Lage ein wenig stabilisiert und dass wir anfangen, miteinander zu verhandeln."
Die Regierung wird es nicht einfach haben. Die beiden abtrünnigen Sozialdemokraten haben das Kabinett während der Vertrauensabstimmung zwar toleriert, sie verpflichteten sich jedoch nicht dazu, jeden weiteren Schritt des Kabinetts zu unterstützen. Jede Abstimmung über eine der geplanten Reformen kann die Regierung also gefährden.