"The silent village" - "Das stille Dorf"

Ed Thomas

Letzten Sommer besuchte ich Cwmgiedd, ein kleines Bergarbeiterdorf im Südosten von Wales. Es scheint, dass dieses Dorf nichts mit einem böhmischen verbindet. Doch als ich mit einigen Dorfbewohnern sprach, war ich überrascht, wie wach noch heute die Erinnerungen an die Tragödie von Lidice vor 58 Jahren sind. Warum, dass erfahren Sie im heutig en Kapitel aus der tschechischen Geschichte. Einen ungest örten Empfang und gute Unterhaltung wünscht Ihnen bei der folgenden Reise nach Wales Katrin Bock.

Bereits kurze Zeit nach der Zerstörung Lidices durch die Nazis entstand in Grossbritanien die Idee, einen Film über diese Greueltat zu drehen. Dieser Film sollte aber kein üblicher Propagandafilm des Informationsministeriums werden, sondern ein auch heute noch beeindruckender gespielter Dokumentarfilm. Die Handlung wurde in das walisische Dorf Cwmgiedd verlegt, dessen Bewohner für Wochen in die Rolle der Lidicer Frauen, Männer und Kinder schlüpften. Im Verlauf der Dreharbeiten identifizierten sie

Ed Thomas
sich mit ihnen. So erzählt der Dorfmetzger Ed Thomas heute noch von den Geschehnissen in Lidice, als wären sie in Cwmgiedd passiert:

"Also was passierte, als die SS nach dem Attentat kam. Sie hatten ein Mikrophon auf dem Autodach und verkündeten, dass sie die Dorfbewohner umbringen werden, wenn sich die Attentäter nicht stellen. Mein Vater sah aus dem Fenster vom Laden und sah das Auto über die Brücke kommen."

Die Idee, die Tragödie von Lidice in einem walisischen Dorf nachspielen zu lassen, stammte von Viktor Fischl, einem tschechischen jüdischen Autor, der damals im britischen Exil lebte. Seinen Einfall nahm der britische Dokumentarfilmregisseur Humphrey Jennings begeistert auf. In einem Interview erzählte Jennings 1943, wie er von Fischls Vorschlag erfuhr:

"Einen Monat nach der Tragödie von Lidice erhielt ich ein maschinenbeschriebenes Papier mit der Bemerkung: Skript für einen Kurzfilm über Lidice. Der Text begann mit den Worten: Dieses ist das kleine Dorf Lidice irgendwo in der Tschechoslowakei und dieses ist das Dorf X in Wales. Bis vor kurzem unterschied sich das Leben in den zwei Dörfern nicht."

auch Drehbuchautor Viktor Fischl waren vom Enthusiasmus der walisischen Bergarbeiter und ihrer Familien begeistert:

"Ich war überrascht und beeindruckt davon, wie schnell sie die Idee verstanden und bereit waren, sie in die Tat umzusetzen. In den paar Wochen, in denen der Film gedreht wurde, haben sie wirklich Lidice gelebt - sie haben es erlebt. Ich war beeindruckt davon, wie ernst die Leute, die keine Schauspieler, keine Intelektuellen waren, sondern einfache Bergarbeiter und ihre Familien, wie ernsthaft sie bei der Sache waren und sich vorstellten, sie seien die Leute, die die Tragödie erleben."

Dai Roberts, der über 40 Jahre in Bergwerken arbeitete, spielte in dem Film die Rolle eines Saboteurs:

"Die Leute taten uns wirklich leid, wir konnten uns genau vorstellen, was da passiert ist, als wir den Film drehten, überall im Dorf rannten Leute herum, dauernd hörten wir "Achtung, Achtung" und so. Und da waren andere, die in ein KZ mussten, wie meine Frau und zwei Töchter - es war wirklich eine Tragödie."

Der Schriftsteller Ewart Alexander spielte damals einen Lidicer Schuljungen. Die Dreharbeiten in dem kleinen Dorf machten einen grossen Eindruck auf ihn - zugleich lernte er aber auch die Tragödie von Lidice kennen:

"Als Jennings kam, hat sich die gesamte Atmosphäre des Krieges geändert. Plötzlich spielte sich hier eine andere Geschichte ab, der Geschichte von Leuten, wie meinen Eltern, wie von all den Leuten, die ich kannte, die ermordert wurden. Kein Zweifel, dass der Film, als er hier gedreht wurde, das ganze Dorf erfasst hat."

Ewart Alexander anhnad einer Szene beschreibt:

"Eine Meile oberhalb des Dorfes liegt eine Farm, die von Arthur und Nelly betrieben wurde. Das waren wirklich nette Leute - und ich sah, wie Nelly erschossen wurde. Und ich sah, bevor Nelly erschossen wurde, wie ihr Blut auf die Lippen gemalt wurde und ich sah, was für Probleme Nelly hatte, als sie erschossen im Stroh lag und die Kuh sie ableckte. Und ich sah, wie Arthur sich die Szene lachend anschaute."

"Es lässt mich immer wieder erschauern, ich bekomme eine Gänsehaut - noch heute - es hätte auch hier passierten können - ich habe den Krieg erlebt.

Mair Thomas, die Frau des Metzgers, ist jedesmal, wenn sie den Film sieht, von neuem beeindruckt. In der Tat ist es den Filmmachern gelungen, die Geschichte von Lidice glaubhaft nach Wales zu verlegen. Während des Krieges war di es ein gekonnter Propagandaeinfall: Schaut, es könnte auch hier passieren. Dass der Film in Wales und nicht in Eng land gedreht wurde, hatte ausser der Bergarbeitertradition einen weiteren Grund, wie Ewart Alexander erklärt:

"Ich denke, dass Dorf gab eine leichte Gelegenheit den tschechischen Kontext herzustellen: durch seinen Unterschied in der Sprache und der Kultur - Cwmgiedd war damals ein rein walisisches Dorf, in dem nur walisich gesprochen wurde."

Genau dieser Unterschied in der Sprache spielt auch im Film eine wichtige Rolle, auf die Regiseur Jennings gesetzt hatte, um den Briten zu zeigen, was passieren könnte, sollten die Nazis Grossbritanien besetzen. So untersagen die deutschen Besatzer in einer Szene den Gebrauch des Walisischen in der Schule. An eine andere, beeindruckende Szene erinnert sich Ewart Alexander:

"Das Dorf liegt im Tal zwischen einer Strasse und einem Fluss, Mittelpunkt des Dorflebens war die Kirche mit ihrem danebenliegenden Friedhof, an dessen Mauer die Männer des Dorfes erschossen wurden. Ich erinnere mich, wie die Männer dabei die walisische Hymne gesungen haben.

Das walisische Element ist einer der Gruende, weswegen der Film so ein grosse Wirkung auf das britische Publikum hatte. Zweck des Filmes war es, dem britischen Publikum bewusst zu machen, was passieren konnte, wenn Deutschland wirklich in Grossbritannien einmarschiert - und dies war zur Zeit der Entstehung des Filmes noch immer eine reale Drohung. Regiseur Jennings selbst betonte seine Absicht in einem Interview 1943:

"Die deutschen Meldungen bezogen sich auf Wales, dadurch wurde es möglich, einen Film zu machen, der nicht bloss die grauenhafte Geschichte eines Massakers zum Inhalt hatte, sondern einen Film über die Reaktion von Menschen, nicht nur der Menschen von Lidice oder der von Cwmgiedd, sondern die Reaktion von gewöhnlichen Menschen auf den Faschismus."

Viktor Fischl, der Drehbuchautor, war mit dem Ergebnis des Filmes zufrieden.

"Sie dürfen nicht vergessen, dass die Tschechoslowakei in Champerlains Worten ein weit entferntes Land war, über das man nichts wusste. Das hatte sich auch während des Krieges nicht geändert. Natürlich gab es tschechoslowakische Armeeeinheiten, aber die Solidarität war nicht so gross. Solch ein Film war deshalb von grosser Bedeutung und ich denke, er hat sehr geholfen. Es war nicht nur ein Film über Lidice, sondern über die Notwendigkeit, sich mit Lidice zu identifizieren."

Genau dieses Ziel hat Viktor Fischl erreicht. Noch heute ist die Identifizierung mit den Bewohnern von Lidice in Cwmgiedd wach. Ewart Alexander war zwar noch nie in Lidice, doch eines Tages will er den Schauplatz der echten Tragödie besuchen:

"Ich würde gerne den echten Ort besuchen, seine Überlebenden treffen, weil ich denke, das ein schreckliches, prägendes, trauriges Verbindugsglied zwischen uns existiert, zwischen uns, den Überlebenden der Fiktion und ihnen, den Überlebenden der Realität."

Ewart Alexander verfasste ein Theaterstück über die Dreharbeiten in seinem Dorf im Sommer 1942. Edward Thomas, der Sohn des Metzgers, drehte einen Film darüber. Der 1942 ge drehte Film "The silent village"- "Das stille Dorf" und somit auch die Zerstörung Lidices durch die Nazis sind auch heute in dem kleinen walisischen Dorf Cwmgiedd nicht vergessen, wie ich bei meinem Besuch zu meiner Überraschung feststellen konnte. Und damit sind wir am Ende unserer Reise nach Wales. Auf Wiederhoeren sagt Katrin Bock.