Spidla in Deutschland: Bilaterales Hoch inmitten stürmischer europäischer Großwetterlage

Vladimir Spidla und Gerhard Schröder, Foto: CTK

Der tschechische Premierminister Vladimir Spidla weilt zu Besuch in Deutschland. Allerdings stehen dabei nicht nur bilaterale Fragen auf der Tagesordnung.

Vladimir Spidla und Gerhard Schröder,  Foto: CTK
Die tschechisch-deutschen Beziehungen sind hervorragend, die besten in der Geschichte überhaupt. So vermelden einhellig der tschechische Premierminister Vladimir Spidla und sein deutscher Amtskollege Gerhard Schröder, und das spätestens seit Schröders Besuch in Prag im vergangenen September. Auch bei der nunmehrigen Deutschland-Visite Spidlas sieht es so aus, als ob die beiden sozialdemokratischen Partei- und Duzfreunde die Schatten der Vergangenheit hinter sich gelassen hätten, um sich ganz den neuen Herausforderungen in der gemeinsamen Europäischen Union zu widmen. Allein: Der Himmel über Europa - und damit auch der über Berlin - ist doch nicht ganz so wolkenlos, wie man sich das wünschen könnte. Verdunkelt wird er zum Beispiel von den oft diskutierten Übergangsfristen, mit denen viele alte EU-Länder ihre Arbeitsmärkte vor dem Zustrom künftiger EU-Bürger schützen wollen. Ein heikles Thema, meint auch Robert Schuster, Politologe und freier Mitarbeiter von Radio Prag:

"Schon bei den Beitrittsverhandlungen vor zwei Jahren, als dieses schwierige Kapitel 'freier Personenverkehr' verhandelt wurde, hat man gesehen, wie stark das bei der Bevölkerung emotional gewirkt hat."

Erst am Montag war nun der niederländische Premier Jan Peter Balkenende zu Besuch in Prag gewesen, kurz nachdem Holland beschlossen hatte, nun doch auch jene Übergangsfrist geltend machen zu wollen, die man vorher abgelehnt hatte. Spidlas Reaktion war unüberhörbar verärgert gewesen. Deutschland jedoch galt, gemeinsam mit Österreich, stets als Hauptmotor der Arbeitsmarktschließung. Eine Belastung also auch für das tschechisch-deutsche Verhältnis? Nein, meint Spidla, und verweist darauf, dass Deutschland sich in dieser Frage immerhin stets konstant verhalten habe.

"Spidla ist ein Politiker, der sich in den letzten Monaten zu einem richtigen Mustereuropäer gemausert hat. Er ist von einem Politiker, den man eigentlich nur an irgendwelchen innenpolitischen Positionen festmachen konnte, zu einem wirklichen Visionär geworden - er oder will es zumindest sein."

Der europäische Blickwinkel, so Robert Schuster, der bedeute aber auch für Spidla einen Blick auf die europäische Parteienlandschaft:

"Er weiß natürlich: In Deutschland sind die Sozialdemokraten an der Macht. Und die sind innerhalb der europäischen Sozialdemokraten die einflussreichsten. Auch Schröder gehört natürlich, auch wenn er nicht mehr Parteichef ist, zu den Schwergewichten innerhalb der europäischen Sozialdemokratie. Balkenende hingegen ist Christdemokrat. Das heißt, mit dem wird sich Spidla nie wirklich auseinandersetzen müssen. Eine relativ eindeutige Position gegenüber Balkenende und den Niederlanden einzunehmen ist also für Spidla eigentlich risikoloser, als wenn er sich jetzt gegenüber Deutschland, gegenüber Schröder persönlich, aus dem Fenster lehnen würde. Oder auch gegenüber Österreich. Dort ist zwar auch eine rechte Regierung an der Macht, aber es ist immerhin ein Nachbarland. Und mit den Nachbarn lässt man das besser sein."

Doch ob nachbarschaftliche Rücksicht oder großer tschechisch-deutscher Beziehungsfrühling: Die bilateralen Verhältnisse sind wie gesagt hervorragend, und das will man sich nun mal nicht verderben lassen. Auch nicht von den nur manchmal gemeinsamen europäischen Idealen.