Spidla fordert Tschechen in Fernsehansprache zur Beteiligung am Referendum auf

Vladimir Spidla and Lubomir Zaoralek, Foto: CTK

Am Vorabend des Referendums hat Premierminister Vladimir Spidla sich am Donnerstag in einer öffentlichen Fernsehansprache noch einmal an das Volk gewandt und die Tschechen zur Teilnahme am ersten Volksentscheid in der Geschichte des Landes aufgerufen. Silja Schultheis fasst die wesentlichen Punkte von Spidlas Aufruf zusammen.

Vladimir Spidla and Lubomir Zaoralek,  Foto: CTK
In den nächsten beiden Tagen, so begann Premierminister Vladimir Spidla seine Ansprache, stände den Tschechen eine ganz besonders gewichtige Entscheidung bevor, die in ihrer Tragweite über die gängige Politik und das alltägliche Leben der Bürger hinaus ginge. Und die vor allem verbindlich und nicht mehr rückgängig zu machen sei. In diesem Zusammenhang warnte der Premierminister vor den Folgen einer negativen Entscheidung:

"Wenn wir mit Nein entscheiden, treten wir der Europäischen Union nicht bei. Um unser Land herum wird sich ein Vorhang bilden, der zwar nicht eisern, aber doch sehr spürbar sein wird. Die Tschechische Republik wird zu einer Insel inmitten eines vereinigten Europa. Und dieser Vorhang wird sich auch auf die Grenzen zu unserem Nachbarn Slowakei ausdehnen."

Weiter blickte der Premierminister auf die Gründung der Europäischen Union zurück und verglich die ursprünglichen Ziele der Gemeinschaft von Frieden, Freiheit und Prosperität gelungen sei.

Auch auf die Bedenken mancher Tschechen, ob sich ihr Land in der EU durchsetzen könnten, ging Spidla ein und kam im Vergleich mit dem erst später zur EU beigetretenen Portugal zu dem Schluss:

"Ich sehe keinen Grund, warum ein Volk, das so qualifiziert, gebildet und arbeitsam ist, seine Chance nicht nutzen sollte."

Die Tschechen, so erinnerte Spidla weiter, hätten in ihrer Geschichte bereits einmal vor einer ähnlich ernsthaften Entscheidung gestanden, und zwar als die Tschechoslowakei 1947 unter dem Druck der Sowjetunion gegen die Annahme des Marshallplans gestimmt hatte. Dafür hätte man bitter mit dem Verlust von Souveränität und Prosperität bezahlt.

Jeder Einzelne, so Spidla abschließend, müsse im Referendum für sich entscheiden. Er selber habe nach vielen Überlegungen entschieden, dass das europäische Projekt für Tschechien vorteilhaft sei.

Er sei sich bewusst, dass die Tschechen ein großes Trauma in sich trügen, das man häufig in die Worte fasse: o nas - bez nas: über uns, ohne uns. In diesem Zusammenhang appellierte der Premier nochmals an die Tschechen, die Gelegenheit zu nutzen und mitzuentscheiden:

"Lassen sie uns das Recht nutzen, das wir zum ersten Mal haben: direkt und verbindlich mitzuentscheiden. Lassen Sie uns Kleingeistigkeit und ideologische Brillen ablegen und über die Zukunft der Tschechischen Republik, über unser aller Zukunft entscheiden."