Süße Weihnachten auf Schloss Chvaly
Das Schloss Chvaly befindet sich am westlichen Stadtrand von Prag. Wie jedes Jahr wurde dort auch diesmal im Advent eine Sonderausstellung eröffnet. Thematisch geht es dabei um historische Süßwarengeschäfte und Konditoreien und ihre Produkte.
Eine schriftliche Erwähnung der Festung Chvaly stammt aus dem 15. Jahrhundert. In der Mitte des 17. Jahrhunderts ging die Anlage an die Jesuiten vom Prager St.-Clemens-Kolleg über. Sie errichteten an dem Ort ein Bildungszentrum und ließen die frühere Festung in ein Schloss umbauen. Während der kommunistischen Zeit zerfiel das ganze Schlossareal, das Hauptgebäude diente als Unterkunft für Saisonarbeiter. Anfang des 21. Jahrhunderts wurde die Residenz gründlich restauriert und für die Öffentlichkeit geöffnet. Im Advent wird in der Regel eine Sonderausstellung zu einem weihnachtlichen Thema in Chvaly gezeigt. Anna Kašparová ist nicht nur für die Pressearbeit im Schloss zuständig, sondern führt auch die Besucher durch die Residenz.
„Diesmal lautet das Thema der Ausstellung ,süße Weihnachten‘. Dokumentiert wird die Geschichte der Weihnachtsplätzchen und der Konditoreien auf dem Gebiet des heutigen Tschechiens. Ein Teil der Schau konzentriert sich auf Schokolade.“
Eine Vorstellung davon, wie es in einem Laden mit Süßigkeiten zu Anfang des 20. Jahrhunderts ausgesehen hat, können die Besucher im ersten Ausstellungssaal bekommen.
„Zu sehen sind hier Süßwaren, die vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die Zeit der ersten tschechoslowakischen Republik produziert wurden. Einige der Artikel werden bis heute verkauft. Es wird beschrieben, wie die harten Lutschbonbons hergestellt wurden. Der Zuckerbäcker bereiteten dafür die Zuckermasse zu. Solange sie warm war, musste ein Strang geformt werden, der durch spezielle Walzenmaschinen hindurchgepresst wurde. Je nachdem, welches Walzenpaar eingesetzt wurde, kamen unterschiedliche Bonbonformen heraus. Diese Walzenmaschinen werden auch hier in der Ausstellung gezeigt.“
Die Erfindung des Lutschers
Mit den harten Lutschbonbons hänge die Entstehung von Lutschern zusammen, erzählt Anna Kašparová.
„Mit der Zeit wurde klar, dass sich beim Konsum von Lutschbonbons nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene häufig beschmutzen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam ein gewisser George Smith auf die Idee, Bonbons auf einem kleinen Stiel aufzuspießen.“
Im historischen Laden mit Süßigkeiten fehlen auch alte Dosen, in denen Kakao oder auch Bonbons aufbewahrt wurden, nicht. Gezeigt werden zudem historische Maschinen für die Eisproduktion. Vorgänger des heutigen Speiseeises habe es schon im alten Ägypten gegeben, merkt die Expertin an.
„Das Eis, das heute üblich ist und Sahne enthält, stammt aber aus Italien. Das erste Sahneeis wurde dort um 1550 zubereitet. In der Ausstellung werden verschiedene historische Förmchen zur Herstellung gezeigt. Diese wurden mit Wasser gefüllt, das mit Fruchtsaft abgeschmeckt wurde. Wenn das Wasser gefror, dienten die kleinen Eisstücke mit Obstgeschmack zur Erfrischung.“
Gleich mehrere speziell geschmückte Weihnachtsbäume finden sich in der Ausstellung. Auf einem davon hängen zahlreiche kleine verzierte Lebkuchen. Die Expertin:
„Es ist interessant, dass für die Dekoration die sogenannten ,gedrückten‘ Lebkuchen genutzt wurden. Diese wurden nur von Männern zubereitet. Denn der Teig enthielt viel Mehl, und das Kneten verlangte einem viel Kraft ab. Der Teig wurde in eine Form aus Holz gedrückt und anschließend gebacken. Die Lebkuchen konnten nicht gegessen werden, weil sie sehr hart waren. Sie dienten von daher nur zur Dekoration.“
Puddingformen und Pralinen
Ein weiterer Ausstellungssaal wurde in eine Zuckerbäckerwerkstatt verwandelt. Vor allem Kinder können sich dort der Expertin zufolge verschiedene Instrumente anschauen.
„Einige davon werden bis heute benutzt – wie Ausstech- und Tortenformen und verschiedene Schneebesen. Gezeigt werden hier aber auch alte Waffel-, Pudding- und Auflaufformen. Wozu alle diese Gegenstände dienten, tippt nicht jeder Besucher richtig.“
Ein weiterer Saal wurde in eine Konditorei aus den 1920er und 1930er Jahren verwandelt. Viele der Torten und Kuchen unterscheiden sich nicht besonders vom Angebot in heutigen Konditoreien. Anna Kašparová sagt jedoch:
„Die Boxen und Dosen für Bonbons, Kakao und Kaffee sind anders als heutzutage. Gugelhupf sowie Biskuits werden aber auch heute angeboten. Die Besucher der historischen Konditorei können unter anderem die Vorgänger von Espressomaschinen und einen der ersten Kühlteller besichtigen.“
In der Schau wird auch den Verpackungen von Pralinen und anderen Süßigkeiten Aufmerksamkeit geschenkt. Gezeigt werden mehrere über 100 Jahre alte, reich verzierte Pralinenschachteln. Früher galt eine solche prunkvolle Schachtel Pralinen der Expertin zufolge als ein großes Geschenk.
„Damals wurden Luxuspralinen oder andere Süßwaren oft in ganz kleinen Mengen produziert, was viel Handarbeit forderte. Mit der Großproduktion, die diese Artikel für breitere Bevölkerungsschichten erschwinglicher machte, ist auch die Qualität zurückgegangen.“
In der Ausstellung wird des Weiteren erläutert, womit damals gesüßt wurde.
Honig etwa wurde viel früher als Zucker benutzt. Wie ein Zuckerhut ausgesehen hat und wie Würfelzucker produziert wurde, wird laut Anna Kašparová vor allem für Kinder beschrieben. Denn heutzutage kennen viele von ihnen den Würfelzucker kaum mehr.
Kakaobohnen als Geldmittel
Ein weiterer Teil der Ausstellung konzentriert sich vor allem auf die Geschichte der Schokolade und der berühmten Schokoladenproduzenten. Dieser Teil der Schau wurde aus dem Handelsmuseum in Bratislava geliehen. Anna Kašparová:
„Beschrieben wird hier der Prozess der Entstehung der Schokolade. Wir zeigen alte Reklamen, die die Schokoladenprodukte bewerben. Unter den ausgestellten Dokumenten präsentieren wir unter anderem Lehrbriefe von Zuckerbäckern aus der Zeit der k. u. k. Monarchie.“
Alte Schokoladenpapiere und Verpackungen sind heute noch begehrte Sammelstücke. Beispiele von historischen Schokoladepapieren sind in der Schau mit verschiedenen kleinen Sammelbildern ergänzt. Die Werbung für die Produkte zielte schon immer auf Kinder ab.
„Die Sammelbilder waren schon vor fast 100 Jahren fester Bestandteil der Schokoladenverpackungen. Kinder fanden in jeder Verpackung ein Bild. Dieses konnten sie in ein dafür vorgesehenes Album kleben.“
In der Ausstellung werden des Weiteren die Herkunft der Schokolade und die ersten Importe von Kakaobohnen nach Europa beschrieben. Diese hatten einst einen sehr großen Wert. Die Expertin:
„Die Kakaobohnen waren so selten und bedeutend, dass sie bei einigen Völkern sogar als Geldmittel dienten. Schokolade war früher nur mit höheren Bevölkerungsschichten verbunden.“
Die Ausstellung mit dem Titel „Süße Weihnachten“ ist auf Schloss Chvaly noch bis zum 8. Januar zu sehen. Das Schloss ist täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet.