Superwahljahr 2002

Die Zeitungen sind dieser Tage voll davon und auch der Präsident befasste sich in seiner Neujahrsansprache damit: 2002, das Superwahljahr in Tschechien. Was da auf die tschechischen Wähler zukommt, erfahren Sie in einem Bericht von Olaf Barth.

Abgeordnetenhauswahlen, Senatswahlen, Kommunal- und schließlich Regionalwahlen - das volle Programm steht ins Haus. Volkes Beteiligung war bei den vergangenen Wahlen ohnehin nicht sehr groß. Besteht da nicht die Gefahr einer Wahlmüdigkeit und eines weiteren Wählerschwundes, wollte ich von dem Politologen und stellvertretenden Chefredakteur der Zeitschrift "Internationale Politik" Robert Schuster wissen? "Das kommt ganz darauf an. Ich denke, die Wahlen zum Abgeordnetenhaus werden ja im Frühjahr stattfinden und dann im Herbst werden wahrscheinlich an einem Tag Senats-, Kommunal- und in Prag noch die Regionalwahlen abgehalten. Schon durch diese Koppelung mit den Kommunalwahlen, die ja allgemein als die wichtigsten Wahlen verstanden werden, weil dort die Bürger über jene abstimmen können, die sie persönlich kennen, also durch diese Koppelung versucht man die Wahlbeteiligung bei den Senatswahlen in die Höhe zu treiben. Aber auch eine Wahlbeteiligung von 30% ist zwar nicht eine große, aber sie ist legitim und man muss das dann halt so nehmen, wie es kommen wird." Präsident Havel sprach in seiner Neujahrsrederede davon, dass die Bürger verhindern sollten, dass immer die selbe Bruderschaft die politische, ökonomische und mediale Macht in den Händen halte. Viele sahen in dieser Aussage Havels einen Hinweis auf die durch den sogenannten Oppositionsvertrag verbundenen regierenden Sozialdemokraten und die oppositionelle ODS unter Vaclav Klaus. Hält Robert Schuster eine Fortsetzung dieser Kooperation auch über die nächsten Wahlen hinaus für denkbar? "Ich schätze, dass beide Parteien, sowohl die ODS als auch die Sozialdemokraten, in den letzten 3-4 Jahren Geschmack an diesem Oppositionsbündnis gefunden haben. Die ODS hat, obwohl sie nicht formal an der Regierung beteiligt war, die Möglichkeit bekommen, auf die Regierungspolitik unmittelbar Einfluss zu nehmen. Und ich denke, dass die ODS für den Fall, dass sie nun nach den Wahlen die Nase vorn haben wird, hofft und erwartet, dass die Sozialdemokraten noch einmal, aber in umgekehrter Richtung zustimmen - also nun eine Minderheitsregierung der ODS tolerieren werden. Und ich denke, dass die ODS oder zumindest Vaclav Klaus meinen, dass dieser Weg wesentlich bequemer ist als sich in einer Koalition mit drei oder vier Partnern immer wieder auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen zu müssen." Der Ausgang der wahrscheinlich im Juni stattfindenden Wahlen zum Abgeordnetenhaus, mit denen dann auch eine neue Regierung gebildet wird, ist allen Prognosen zufolge allerdings vollkommen offen. Die Viererkoalition wird den beiden großen Parteien, den Sozialdemokraten und der ODS, wohl bis zuletzt die Stirn bieten.

Autor: Olaf Barth
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