Synagoge in Smíchov
Es war ein vernachlässigtes graues Gebäude, das keine besondere Aufmerksamkeit erweckte. Heute ist es eine Sehenswürdigkeit des Prager Stadtteils Smíchov, der auch die in unmittelbarer Nachbarschaft entstandenen modernen Einkaufszentren nicht geschadet haben. Mehr über die renovierte Synagoge in Smíchov hören Sie im folgenden Spaziergang durch Prag von Martina Schneibergova und Gerald Schubert.
In Smíchov gab es viele Fabriken. Die ersten gehörten den Unternehmerfamilien Porges und Príbram: Textilfabriken, die Anfang des 19. Jahrhunderts erbaut wurden. Die jüdische Gemeinde entstand in Smíchov Mitte des 18. Jahrhunderts. Nach der Gemeinde im Stadtteil Liben ist es die zweitälteste jüdische Gemeinde in Prag. Ein Gebetsraum gab es damals auf dem Gut Na Popelce im Ort und heutigen Prager Stadtteil Kosíre. Damals wurde der jüdische Friedhof in Radlice gegründet, der sehr schön ist. Die ältesten Grabmäler stammen vom Ende des 18. Jahrhunderts. Die Gemeinde war verhältnismäßig alt, es wurde hier z. B. Siegfried Kapr, der Begründer der tschechischen jüdischen Bewegung geboren. In der Klicperova-Straße lebte der bekannte Schriftsteller Hermann Ungar.
Von dem ursprünglichen maurischen Stil der Synagoge in Smíchov kann man heute nicht mehr viel erkennen. Dr. Parík dazu:
"Die ganze Synagoge wurde in den Jahren 1930-31 von Leopold Ehrmann umgebaut. Dies ist sein interessantester Bau. Er hat die Synagoge fast um die Hälfte - um den westlichen Teil erweitert. Es ist schwierig, den Baustil zu definieren. Es sind große Flächen, viel Masse, die auf den Menschen bedrückend wirkt. Die Monumentalität wird betont. Ich mag diese Architektur nicht so sehr, aber da es in Prag nicht viele solche Bauten gibt, ist sie schon interessant. Den Verputz ließ der Architekt damals aus gebrochenem Stein und Zement machen. Er war sehr hell, mit der Zeit ist er schwarz geworden. Da er so hart ist, kann man ihn kaum reparieren, er wird heute nur noch geputzt."Beim Umbau von Smíchov war die Synagoge der einzige Bau, der von dem alten Häuserblock erhalten blieb. Die übrigen Gebäude wurden teilweise schon in den dreißiger Jahren, teilweise erst später abgerissen. Auf einmal ist die Synagoge von allen Seiten gut zu sehen, wie auch Arno Parík betonte.
"Ursprünglich rechnete man damit, dass das Gebäude für die Öffentlichkeit geöffnet sein könnte, aber da wir dringend Räumlichkeiten für unser Archiv brauchen, werden wir dieses Gebäude u. a. als Archiv des Jüdischen Museums nutzen. Außerdem wird hier ein Studienraum eingerichtet."
Arno Parík zufolge wurde das Gebäude 1941 geschlossen, die Einrichtung wurde wahrscheinlich schon damals teilweise vernichtet. Seit den fünfziger Jahren wurden hier Lager für Ersatzteile vom Maschinenbau-Betrieb Tatra geschaffen. Das Haus war voll gestopft mit verschiedenen Stellagen, und von einer Wand in zwei Teile geteilt. Der Bau als solcher war fast vernichtet. 1986 sollte das Gebäude abgerissen werden, die Denkmalschutzexperten stimmten damals dem Vorschlag zu. Die Mitarbeiter des Jüdischen Museums versuchten, etwas zu unternehmen, um die Synagoge zum Kulturdenkmal zu erklären. Dies ist kurz vor der Wende von 1989 auch gelungen. Von dem ursprünglichen Inventar ist nichts mehr erhalten geblieben - bis auf eine wertvolle Ausnahme, wie Dr. Parík erzählt:
"Das geschah wahrscheinlich während des Krieges oder kurz nach dem Krieg: Es ist sehr ungewöhnlich - der Thoraschrein in der östlichen Wand - Aron ha kodesh - wurde von Jemandem sehr gründlich eingeschlossen und er ist dort vierzig Jahre lang geblieben. Wenigstens dieser einzige Teil ist erhalten geblieben, während die ursprüngliche Beleuchtung, die Bänke oder die Orgel verschwunden sind."
Während der Renovierungsarbeiten haben die Bauleute voriges Jahr jedoch noch einen interessanten Fund gemacht - unter der Erde der Synagoge entdeckten sie eine Urkunde:
"Die Urkunde - eine Gründungsurkunde - wurde hier während der Rekonstruktion am Fuße einer Säule unter der Erde gefunden. Sie wurde sehr schön kaligraphisch von dem Prager Portraitisten Josef Bindeles verfertigt. Sie beschreibt die Geschichte der Gemeinde und ihre Bemühungen, eine eigene Synagoge zu erbauen."
Arno Parík zufolge kann man nicht ausschließen, dass man noch irgendwo bestimmte Dokumente oder sogar Teile des Inventars der Synagoge finden kann:
"Wir wären sehr froh, wenn wir z. B. auch im Ausland noch Menschen finden würden, die vor dem Krieg hier in Smíchov lebten und die hiesige Gemeinde und ihre Synagoge kannten. Und wenn sie uns z. B. Fotos des Interieurs zur Verfügung stellen könnten. So etwas wäre für unser Museum sehr bedeutend."
Zum Abschluss unseres Spaziergangs bringen wir wie immer in der letzten Ausgabe dieser Sendereihe im Monat eine Quizfrage, für deren richtige Beantwortung Sie ein Souvenir aus Prag gewinnen können. Die heutige Frage lautet: Wie heißt die Metro-Haltestelle der Linie B unweit der Synagoge in Smíchov. Ihre Zuschriften richten Sie, bitte, an Radio Prag, Vinohradska 12, PLZ 120 99 Prag 2.
Vor vier Wochen fragten wir Sie im Spaziergang durch Prag nach den Namen der Synagogen, die vom Prager Jüdischen Museum betreut werden. Es hat gereicht, eine der Synagogen zu nennen - wie z. B. die Altneu-, die Klausen-, die Pinkas-, die Maiselsynagoge oder auch die spanische Synagoge. Ein Souvenir aus Prag geht diesmal an Werner Spinnehörn aus Frankfurt am Main.